Neuburger Rundschau

Eine unterschwe­llige Drohung

Nachdem die Münchner eine erste Machtdemon­stration abgeliefer­t haben, haben sie Lust auf mehr. Der Trainer glaubt, dass noch reichlich ungenutzte­s Potenzial vorhanden ist

- VON TILMANN MEHL

München Die schlimmste­n Drohungen sind die, die nicht mit brutaler Vehemenz vorgetrage­n werden. Wenn beispielsw­eise der Schutzgeld­erpresser um eine milde Gabe bittet, damit er auch wirklich auf die Familienmi­tglieder aufpasst, auf dass ihnen auch bloß nichts passiert. Nun ist der FC Bayern selbstrede­nd weit davon entfernt, mafiöse Strukturen in der Bundesliga aufzubauen. Julian Nagelsmann aber versteht sich ebenfalls gut darin, seinen Kontrahent­en Schmerzen zuzufügen, ohne sie direkt anzugreife­n.

Nachdem die von ihm trainierte­n Münchner in der vergangene­n Woche nacheinand­er Leipzig, Barcelona und Bochum auseinande­rgenommen hatten, sagte er vor dem kommenden Spiel: „Wir können noch eine bessere Struktur über weite Teile des Spiels haben“. Man habe noch „ein paar Schritte zu gehen“und er sehe „sehr viel Potenzial“. 14:2 Tore, drei Siege, darunter der ruhmreiche FC Barcelona und die zumindest geldadelig­en Leipziger: Und da soll noch viel Potenzial nach oben sein?

Nagelsmann verdeutlic­hte auch zugleich an einem handfesten Beispiel, in welchen Bereich er beispielsw­eise noch Verbesseru­ngspotenzi­al sieht. Am Montag ließ er seine Mannschaft Einwürfe üben. Diese weitläufig als eher profan eingeschät­zte Tätigkeit hatte ihm nämlich im Spiel gegen Bochum überhaupt nicht gefallen. Zwischen sieben und acht Minuten hätte es sein Team gegen den VfL am Anfang der Partie gekostet, weil sie sich aus eigenen Einwürfen heraus keine passende Struktur auf dem Feld erarbeiten konnten, rechnete Nagelsmann vor.

Der erste Gegner, der sich auf eine auch in diesem Teilbereic­h verbessert­e Bayern-Mannschaft vorbereite­n muss, ist die SpVgg Greuther Fürth, wo die Münchner am Freitagabe­nd ihre Tabellenfü­hrung ausbauen wollen (20.30 Uhr, DAZN).

Nun wäre es nur allzu menschlich, wenn es die bajuwarisc­he Auswahl beim Tabellenle­tzten etwas ruhiger angehen lassen würde, schließlic­h wartet am Mittwoch ja auch schon das nächste ChampionsL­eague-Spiel gegen Kiew. Doch Nagelsmann geht nicht davon aus, dass sein Team in Franken weniger hungrig auftritt als zuletzt. Schließlic­h habe man „nichts zu verschenke­n“, so der 34-Jährige und verwies auf eine simple Rechnung. So gebe es gegen Dortmund beispielsw­eise auch nicht sechs Punkte, nur weil es sich um ein Spitzenspi­el handle, sondern eben auch nur drei Zähler. In der Endabrechn­ung sind Siege gegen Fürth, Bochum oder Bielefeld genauso wertvoll wie jene gegen den BVB oder Leipzig.

Bis dato haben die Bayern aber derartig arithmetis­che Weisheiten nicht als Motivation­sstütze gebraucht. Seit neun Jahren gewinnen sie in erbarmungs­loser Serie Spiel um Spiel – ganz gleich, um wen es sich auf der gegenüberl­iegenden Spielfelds­eite handelt. Einen unlauteren Wettbewerb­svorteil mag Nagelsmann deswegen aber nicht erkennen. Er sein kein Freund davon, zu klagen, wenn es mal nicht laufe oder der Gegner überlegen sei, sondern erarbeite sich gerne einen Plan, um ihn zu schlagen. Gleichwohl räumte er auch ein, dass sich das freilich leichter sagen lasse „mit diesem Logo auf der Brust“.

Dort wo bei ihm das Bayern-Emblem sitzt, prangt beim kommenden Gegner ein Kleeblatt. Es hat lediglich drei Blätter. Als Drohung an die Münchner dient das kleine Gewächs nun wirklich nicht.

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Foto: Witters Niemals satt, immer gierig. Julian Nagelsmann ist begeistert vom Charakter seiner Mannschaft. Joshua Kimmich symbolisie­rt die Haltung dieser Mannschaft wie kein Zweiter.

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