Der Junge mit dem SeemannImage
Mit Sehnsuchtsliedern wie „Junge, komm bald wieder“war Freddy Quinn einer der größten Unterhaltungsstars im Nachkriegs-Deutschland. Jetzt mit 90 hat er noch immer einige Geheimnisse
Hamburg Es geschah Anfang der 50er Jahre in einer Hamburger Hafenkneipe. Dort, in der „Washington Bar“auf St. Pauli, saß ein junger Mann am Tresen, sang zur Gitarre Hillbilly Songs und internationale Folklore. Neben Seeleuten und Damen des horizontalen Gewerbes war auch ein Reporter anwesend – Jürgen Roland, eine spätere Legende des Norddeutschen Rundfunks. Der verschaffte dem talentierten Sänger seinen ersten TV-Auftritt. Ein Superstar war geboren: Freddy Quinn.
So nannte sich der Jüngling mit der Sehnsucht in der kraftvollen Bariton-Stimme. Und er stieg schnell zu einem der größten Unterhaltungskünstler im Nachkriegs-Westdeutschland auf. „Heimweh“, „Brennend heißer Wüstensand“, „Junge, komm bald wieder“oder auch „Die Gitarre und das Meer“hießen die wehmutsgeladenen Schlager, mit denen der adrett auftretende „Freddy“die mit dem Wiederaufbau ihres Landes beschäftigten Deutschen mitten ins Herz traf.
Mehr als 60 Millionen Tonträger verkaufte er bis zur Jahrtausendwende. Er erhielt mehr als ein Dutzend Goldene Schallplatten und wurde 1984 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Nun wird der Entertainer, der auch als Zirkusartist und Schauspieler Furore machte, 90 Jahre alt. An diesem Montag darf er runden Geburtstag feiern. Ob er das in Hamburg tut oder anderswo, ist jedoch unbekannt – denn Quinn hat sich seit längerem aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Dabei ist der Vorzeige-Seemann, von Geburt nicht etwa Hamburger, sondern Österreicher, zeitlebens eine geheimnisumwitterte Person gewesen. Von seiner Biografie existieren gleich mehrere Versionen. Als Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl kam er am 27. September 1931 zur Welt. Sein Vater war laut Quinn ein Kaufmann irischer Abstammung, der wohl bereits 1943 in den USA gestorben war. „Damals lernte ich zum ersten Mal, was echter Seelenschmerz ist“, sagte er später.
Abenteuerliche Reisen führten ihn nach Algerien, wo er vor Fremdenlegionären sang. Auch gab es einen Stiefvater, eine Zeit lang hieß er Manfred von Petz. Später durfte er seinen Namen offiziell in Quinn ändern. Mit seinem Liebesleben hielt sich der Frauenschwarm ebenfalls bedeckt. So starb 2008 mit 89 Jahren Lilly Blessmann, die er jahrzehntelang als seine Managerin bezeichnet hatte. Die Ehe der beiden war erst 2004 durch einen Gerichtsprozess bekannt geworden, als sich Quinn mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung auseinanderzusetzen hatte – dabei das Delikt gestand und seine Schulden beglich. „Sie war mein guter Stern“, sagte Freddy über Lilly.
Inzwischen ist der unvergessene Show-Man mit seiner fast 30 Jahre jüngeren Partnerin Rosi glücklich, wie er 2019 in einem seiner raren Interviews der Bild sagte. Beide reisten gern – bis nach Asien und Afrika. Und zu Hause repariere er mit Vorliebe alte Uhren. 2006 hatte Quinn zu Protokoll gegeben: „Es hat mich fast amüsiert, wenn Leute verbreitet haben, ich sei schwul.“
Auch zu seinem Beruf hat die Show-Größe distanzierte Ansichten formuliert. „Ich bin Dienstleister und richte mich danach, was die Leute von mir verlangen“, resümierte er einmal. Ärger bekam Quinn allerdings 1966, als er sich mit dem Song „Wir“gegen die damals aufkommende Jugend-Protestbewegung samt ihren Hippies und „Gammlern“richtete.
Dabei trat Quinn in seiner Sängerkarriere mit Weltstars wie Johnny Cash und Nana Mouskouri auf. Nur um Haaresbreite verpasste er den internationalen Erfolg, denn den Al-Martino-Titel „Spanish Eyes“hatte der Komponist Bert Kaempfert ursprünglich Quinn zugedacht. Daheim kam er auch im Kino groß heraus: „Die große Chance“war 1957 Titel eines Musikfilms, in dem er einen Studenten in Heidelberg darstellte, der sich mit seiner Band ein Zubrot verdient. Der Auftakt zu 13 Freddy-Filmen bis 1971.
Als Theaterdarsteller bejubelten ihn seine Fans unter anderem bei mehr als 600 Vorstellungen des Musicals „Heimweh nach St. Pauli“auf bundesdeutschen Bühnen. Quinns ganz besondere Liebe scheint der Artistik zu gehören, wie er sie im Fernsehen in Sendungen wie „Stars in der Manege“vorführte. Seine Fähigkeiten auf dem Hochseil und als Dompteur hatte er erlernt, als er sich in sehr jungen Jahren einem Wanderzirkus anschloss. „Die Zeit beim Zirkus war die wichtigste Lehre in meinem Leben überhaupt“, erinnerte sich Quinn an diese Anfänge. Ulrike Cordes, dpa