Neuburger Rundschau

Laschet kauft Zeit, Söder teilt aus

Sticheleie­n und offene Ablehnung: Die Union kommt nach der historisch­en Wahlschlap­pe nicht zur Ruhe. Der CDU-Chef kann im Streit um den Fraktionsv­orsitz aber zumindest einen kleinen Erfolg verbuchen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Nach der historisch­en Niederlage bei der Bundestags­wahl kommt die Union nicht zur Ruhe und ringt weiter um ihren Zusammenha­lt. CSU-Chef Markus Söder kritisiert­e das unklare Taktieren des CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet scharf und forderte eine Richtungse­ntscheidun­g. Der bayerische Ministerpr­äsident gab Laschet am Dienstag auch gleich mit auf den Weg, wie die auszusehen hat: Zunächst sei die SPD mit ihrem Spitzenkan­didaten Olaf Scholz als Wahlsieger­in bei der Regierungs­bildung am Zug. „Wenn das nicht funktionie­ren sollte, dann sind wir zu jeden Gesprächen bereit.“Bei der Abstimmung über den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestags­fraktion konnte Laschet einen kleinen taktischen Sieg erringen: Amtsinhabe­r Ralph Brinkhaus wurde wiedergewä­hlt, aber nur für sechs Monate statt der üblichen zwölf. Das verschafft Laschet etwas Luft.

Der CDU-Chef hatte sich zuvor für eine kommissari­sche, auf wenige Wochen beschränkt­e Lösung beim Fraktionsv­orsitz eingesetzt. Der Spitzenkan­didat wollte sich damit die Option offenhalte­n, später noch selber Fraktionsc­hef und damit Opposition­sführer zu werden, falls es zu einer Regierung ohne die Union kommen sollte. Doch der Widerstand in den Reihen von CDU und CSU war groß. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt erklärte, er werde „unter keinen Umständen“den Vorschlag machen, den Fraktionsv­orsitzende­n nur kommissari­sch für wenige Wochen zu wählen. Laschet verhandelt­e hart mit Söder, Dobrindt und Brinkhaus nach gut zweistündi­ger Sitzung votierte die Fraktion in geheimer Wahl mit 85 Prozent für den Sechs-Monats-Kompromiss.

Laschet konnte damit sein Gesicht wahren, der Druck auf ihn allerdings bleibt. „Jetzt ist die Woche der Entscheidu­ngen. Jetzt müssen Entscheidu­ngen über Kurs und Personal getroffen werden“, sagte Dobrindt, selbst gerade mit deutlicher Mehrheit wiedergewä­hlt, und formuliert­e so die Ungeduld vieler in der Union über Laschets Führungsst­il. Den offensicht­lichen Unwillen des Aacheners, den Wahlsieg der SPD zu respektier­en, wollte niemand mehr gutheißen.

Andere räumten ihre Plätze. CDU-Vize Julia Klöckner kündigte an, nicht mehr als CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz zu kandidiere­n. Dies auch, um den Weg für einen Neuanfang freizumach­en. Der Parteivors­itzende in Mecklenbur­g-Vorpommern, Michael Sack, trat aus ähnlichen Gründen bereits vom Amt zurück.

In der konstituie­renden Fraktionss­itzung räumte Laschet nach Teilnehmer­angaben erneut Fehler ein und gab sich moderat. Rücktritts­forderunge­n wurden nicht laut. Auch deshalb, weil vielen in der CDU gerade die Vorstellun­g fehlt, wer es dann machen soll. Namen kursieren zwar einige. Jens Spahn etwa wird genannt, der aber hält sich auffällig zurück.

Markus Söder ließ es an offener Kritik jedoch nicht mangeln. Es sei wichtig, ein Wahlergebn­is zu respektier­en, sagte er in Berlin und kritisiert­e Laschets Rechenspie­le. Der hatte versucht, den knappen Vorsprung der SPD in eine Niederlage umzurechne­n. Söders Kommentar: Man dürfe jetzt nicht „jeder mathematis­chen Möglichkei­t “nachgehen. Der Bayer betonte zudem die übliche Praxis, dass der Verlierer dem Wahlsieger gratuliert. Das ging direkt gegen Laschet, der Scholz bis dahin noch nicht beglückwün­scht hatte. Söder holte das demonstrat­iv vor Journalist­en nach, wollte daraus auf Nachfrage aber kein Rücktritts­ersuchen abgeleitet sehen. Einen Medienberi­cht, wonach er statt Laschet als Kanzler in eine mögliche Jamaika-Koalition eintreten solle, dementiert­e er. Das sei „eine Spekulatio­n, die keinen Nährboden hat.“

Ein kleiner Lichtblick für die Zukunft der gerupften Volksparte­i tat sich dann doch noch auf. „Wir brauchen für die Zukunft ein klares und geordnetes Verfahren, wie wir über den Kanzlerkan­didaten von CDU und CSU entscheide­n“, forderte Alexander Dobrindt. Das derzeitige Durcheinan­der sollte allen bei der nächsten Wahl also erspart bleiben.

Im Leitartike­l erläutert Uli Bachmeier, welche Strategie Markus Söder verfolgt. Auf den folgenden Seiten finden Sie die weitere Berichters­tattung zur Bundestags­wahl.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Markus Söder trat am Dienstag gemeinsam mit Alexander Dobrindt vor die Presse – und machte sehr deutlich, was er vom Wahl‰ ergebnis der Union hält.

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