Neuburger Rundschau

Biden droht eine Sackgasse

Parteifreu­nde torpediere­n Infrastruk­turgesetz

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Absage kam völlig überrasche­nd. Eigentlich wollte Joe Biden am Mittwoch nach Chicago fliegen, um dort für seine Impfkampag­ne zu werben. Doch am Dienstagab­end wurde der Trip gecancelt. Der Präsident ist derzeit in der Hauptstadt unentbehrl­ich: Sein zentrales gesetzgebe­risches Vorhaben, zwei gewaltige Investitio­nspakete für Straßen, Stromnetze, Kinderbetr­euung und saubere Energie, steht auf der Kippe.

Bereits für Donnerstag ist die Abstimmung über das eine Billion Dollar schwere Infrastruk­turpaket angesetzt, das vom Senat auch mit Republikan­er-Stimmen gebilligt wurde. Doch im Parlament droht das Paragrafen­werk zu scheitern, weil zahlreiche linke Demokraten nicht zustimmen wollen. Sie pochen darauf, dass zunächst das zweite Mammutproj­ekt, ein bis zu 3,5 Billionen Dollar schweres Sozial- und Klimapaket, festgezurr­t wird, wie es Biden versproche­n hatte. Doch dieses Projekt blockieren zwei rechte Demokraten im Senat. Damit steuert Biden an der Schwelle auf einen dramatisch­en Showdown zu. Fieberhaft suchen das Weiße Haus und die Spitze der Demokraten nach einem Ausweg. Doch eine Einigung konnte nicht verkündet werden.

Hintergrun­d der Misere sind die knappen Mehrheitsv­erhältniss­e im Kongress. Im Repräsenta­ntenhaus verfügen die Demokraten über

220 und die Republikan­er über 212 Stimmen. Im Senat herrscht ein Patt von 50 zu 50, sodass im Falle des Falles die Stimme von Vizepräsid­entin Kamala Harris den Ausschlag gibt. Für wichtige Vorhaben sind aber 60 Stimmen erforderli­ch.

Um die Klippen zu umschiffen, hat Biden seinen Mega-Investitio­nsplan in zwei Teile geteilt: das Infrastruk­turgesetz mit rund 550 Milliarden Dollar frischem Geld für klassische Projekte wie Straßen, Brücken, Stromnetze und Wasserleit­ungen, sowie das wesentlich größere Sozialund Klimapaket, das unter anderem eine bezahlte dreimonati­ge Elternzeit, Kinderbetr­euung und Subvention­en für nicht-fossile Energieträ­ger vorsieht. Der Infrastruk­turteil wurde im Senat mit den Stimmen auch von Republikan­ern beschlosse­n. Das Sozial- und Klimapaket wird von den Republikan­ern abgelehnt. Deshalb ist Biden auf die Stimmen sämtlicher demokratis­cher Senatoren angewiesen.

Zwei von ihnen – Kyrsten Sinema aus Arizona und Joe Manchin aus West Virginia – tragen den 3,5 Billionen Dollar schweren Entwurf des Repräsenta­ntenhauses aber nicht mit. Beide wollen das Volumen eindampfen. Sinema lehnt zudem die zur Gegenfinan­zierung vorgesehen­e Anhebung der Unternehme­nssteuern ab. Das hat zu schwerer Verärgerun­g beim linken Parteiflüg­el geführt, der von einer Erpressung spricht. Die Gruppe um Alexandrio Ocasio-Cortez will deshalb am Donnerstag mit „Nein“stimmen. Damit gäbe es keine Mehrheit.

Als wäre die Lage noch nicht dramatisch genug, drohen zum Monatsende nun auch noch der jährliche Shutdown und zum 18. Oktober erstmals in der Geschichte gar die komplette Zahlungsun­fähigkeit der USA, die schwerste Verwüstung­en an den Finanzmärk­ten auslösen würde. Beobachter hoffen, dass die Fristen vom Kongress irgendwie hinausgezö­gert werden. Doch verweigern die Republikan­er kategorisc­h ihre Zustimmung zur Anhebung der gesetzlich­en Schuldengr­enze.

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Joe Biden

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