Gemeinsam ins Ziel ist am schönsten
Bei Spieleabenden heißt es statt „Ich habe gewonnen“häufiger „Wir haben gewonnen“: Warum kooperative Brettspiele nicht nur bei Kindern so beliebt sind. Wir geben acht Tipps für unterschiedliche Spielertypen
Berlin Spätestens die Wahl zum „Spiel des Jahres 2021“hat es bewiesen: Kooperative Spiele sind immer beliebter und auch die Qualität stimmt. Nicht nur dass mit „MicroMacro: Crime City“(Spiel des Jahres) und „Paleo“(Kennerspiel des Jahres) zwei Koop-Spiele die begehrten Preise abräumten, auch auf den Nominierungs- und Empfehlungslisten dominierten Titel, bei denen alle gemeinsam das gleiche Ziel verfolgen. Die Spiele-Gattung, die vor einigen Jahren noch eher bei Kinderspielen verbreitet war, ist in der breiten Masse angekommen und in zahlreichen Variationen erhältlich. „Ich denke, dass das Design von kooperativen Spielen in den letzten 20 Jahren einfach besser geworden ist“, sagt Spieleautor Matt Leacock, 50. Sein bekanntestes kooperative Spiel ist „Pandemic“, das 2008 (damals noch als „Pandemie“) erschienen ist und weltweit millionenfach verkauft wurde.
Leacock glaubt, dass Spiele, bei denen alle am Tisch zusammengewinnen oder verlieren, ein menschliches Bedürfnis nach positiver Kommunikation befriedigen. „Ich habe mit meiner Familie Verhandlungsspiele und sehr konfrontative Spiele gespielt, das ist oft nicht gut ausgegangen“, erzählt der Autor. „Als wir jedoch kooperative Spiele spielten, fühlten wir uns am Ende alle gut, selbst wenn wir haushoch verloren hatten, einfach weil wir es gemeinsam getan haben.“
Auch der deutsche Brettspiel-Illustrator und -Designer Michael Menzel wollte Unfrieden zwischen seinen Kindern vermeiden, als er für sie das 2013 zum „Kennerspiel“gekürte „Die Legenden von Andor“entwickelte. „Stattdessen wollte ich lieber, dass sie im Team zusammen arbeiten, um gemeinsam zu gewinnen! Am Ende herrschte dann ein schönes Gemeinschaftsgefühl“, sagt Menzel. „Der große Vorteil bei kooperativen Spielen ist, dass mich der Zug meines Mitspielers direkt etwas angeht. Das macht sie sehr kommunikativ.“Kooperative Spiele stärken nicht nur das Teamgefühl, sie erzählen auch häufig Geschichten. „Ich habe festgestellt, dass meine erfolgreichsten Spiele besonders die Emotionen der Spieler ansprechen und sie in das Erlebnis hineinziehen“, sagt Leacock. Menzel betont, dass alle Spielerinnen und Spieler stets involviert sind, selbst wenn man gar nicht am Zug ist. „Das kann einer Gruppe unvergleichliche Momente bieten, die noch lange über den Spieleabend hinaus nachhallen“, meint der 45-Jährige.
Eine Auswahl an empfehlenswerten kooperativen Spielen:
● Für Weltretter: „Pandemic“Wer hätte geahnt, dass der Spieleklassiker einmal so von der Realität eingeholt werden würde. In Pandemic müssen auf einer Weltkarte vier Seuchen bekämpft und gleichzeitig vier Gegenmittel entwickelt werden. Dabei gilt es, die passenden Karten zu sammeln und geschickt zu tauschen. In unterschiedlichen Rollen wie Wissenschaftler, Forscher oder Sanitäter versuchen alle am Tisch, die Epidemien und Ausbrüche unter Kontrolle zu behalten.
● Für Abenteurer: „Die Abenteuer von Robin Hood“Die Verwandtschaft zu „Die Legenden von Andor“ist beim neuen Werk Menzels unverkennbar und doch spielt es sich anders. Der Aufbau ist schnell, der Einstieg dank einer Losspielanleitung einfach. Die Mitspielenden schlüpfen als Robin Hood, Maid Marian, Little John und/oder Will
Scarlet in verschiedene Rollen und erleben in Nottingham Abenteuer, die in einem Hardcover-Buch aufgeschrieben sind. Der Clou ist der Spielplan: Es gibt keine Felder, stattdessen bewegen sich alle mit Holzfiguren, die auf der offenen Landschaft aneinandergelegt werden. Zudem verändert sich der Plan durch drehbare Plättchen, die an einen Adventskalender erinnern.
● Für Familien: „Kitchen Rush“In der Küche geht es hektisch zu. Gemeinsam betreiben die Spielendenunter Zeitdruck ein Restaurant, empfangen Gäste, bereiten Speisen zu, sorgen für Nachschub an Lebensmitteln. Dabei gibt es keine Runden, sondern alle agieren gleichzeitig. Wer eine Aktion machen will, stellt eine seiner beiden Sanduhren auf ein Feld. Wenn sie durchgelaufen ist, kann die nächste Aufgabe beginnen. Durch Szenarien steigt der Schwierigkeitsgrad langsam an.
● Für kluge Köpfe: „Kneipenquiz – Das Original“Ein Hingucker ist die große Klappschachtel mit zwei Schubern. Wie bei einem echten Kneipenquiz treten alle zusammen gegen andere Teams an. Letztere werden als Papp-Flaschen dargestellt und vom Spiel gesteuert. Pro Runde müssen in jeweils fünf Minuten gemeinsam fünf Fragen aus sämtlichen Genres beantwortet werden. Gleichzeitig kann mittels Plättchen die Wertigkeit der Fragen angepasst werden, so dass etwa eine vermeintlich falsche Antwort das Team nicht soweit zurückwirft. Im Gegensatz zu vielen anderen Quizspielen geht es hier nicht darum, mehr zu wissen als alle anderen. Das mindert den Blamier-Faktor. Das Grundspiel kommt mit 750 Fragen. Es gibt aber bereits Erweiterungspacks und eine Fußball-Ausgabe.
● Für Geschickte: „Menara“Beim Bau des Tempels von Menara braucht es Fingerspitzengefühl. Abwechselnd werden Holzsäulen auf immer mehr Etagen errichtet. Je höher es geht, desto wackliger ist es. Bauplankarten geben vor, wie viele
Säulen jeweils gesetzt werden müssen. Die Schwierigkeit, wie hoch das Werk am Ende sein muss, lässt sich gut an das Geschick und die Erfahrung der Spielenden anpassen. Menara erinnert vom Prinzip her an Villa Paletti, Spiel des Jahres 2002 – nur dass hier alle gemeinsam bauen.
● Für Kartenspieler: „Die Crew“Skat, Doppelkopf, Bridge – Spiele, in denen rundenweise mit der höchsten Karte Stiche gewonnen werden, sind Klassiker. In dieses Konzept bringt „Die Crew“neuen Schwung: Alle am Tisch agieren gemeinsam und versuchen, dass bestimmte Karten von bestimmten Spielenden gewonnen werden. Welche dies sind, ist vorher bekannt -während der Runden darf aber nicht gesprochen, sondern nur über Plättchen kommuniziert werden. Thematisch sind die Spielenden im ersten Teil „Reist gemeinsam zum
9. Planeten“in einem Raumschiff – je weiter der Trip fortschreitet, desto schwierigere Missionen kommen. Das Spiel erfordert Aufmerksamkeit und Gehirnarbeit – eine falsch gespielte Karte kann zum Scheitern einer Mission führen. Da die Runden aber flott beendet sind, ist dies meist schnell verziehen. Der Nachfolger „Mission Tiefsee“setzt das Erfolgskonzept des Kennerspiel des Jahres 2020 leicht verändert fort.
● Für größere Runden: „Just One“Das Prinzip ist denkbar einfach: Jemand muss einen Begriff erraten, den alle anderen aber kennen. Als Hinweise schreiben alle bis auf die ratende Person jeweils genau ein Wort („Just One“) auf eine eigene Tafel. Absprachen sind verboten. Denn sollten zwei identische Hinweise gegeben werden, müssen diese sofort wieder abgewischt werden. So versucht jeder einen guten, aber nicht den offensichtlichsten Tipp zu geben. Das Spiel des Jahres 2019 hat fast schon eine Spaß-Garantie eingebaut. Punkte zählen gerät da fast schon zur Nebensache.
● Für Grübler: „Spirit Island“In Spirit Island geht es um die Eroberung einer abgelegenen Insel. Doch die Spielenden übernehmen dabei nicht wie sonst so häufig die Rolle der Invasoren, sondern verkörpern Naturgeister, die ihre Heimat mit mächtigen Fähigkeiten verteidigen. Die Geister sind dabei unterschiedlich schwierig zu spielen, alleine der Einstieg stellt aber eine Herausforderung dar. Wer das sehr komplexe Regelwerk durchdrungen hat, wird jedoch mit einer außergewöhnlichen Spielerfahrung und einem besonderen Thema belohnt. Benjamin Siebert und Florian Lütticke, dpa