Neuburger Rundschau

Pflege‰Verband warnt vor Versorgung­smangel

Immer mehr Menschen sind in einer alternden Gesellscha­ft auf Hilfe angewiesen. In Kliniken. In Heimen. Aber auch zu Hause. Die Vereinigun­g der Pflegenden in Bayern schlägt nun Alarm. Was sie fordert

- VON DANIELA HUNGBAUR

München Hinter vielen Haustüren ist die Not vermutlich groß. Denn der überwiegen­de Teil der pflegebedü­rftigen Menschen wird zu Hause betreut. Auf die Erschöpfun­g vieler pflegender Angehörige­r, auf die mangelnde Unterstütz­ung hat vor kurzem der Sozialverb­and VdK hingewiese­n. Nun unterstrei­cht auch die Vereinigun­g der Pflegenden in Bayern (VdPB), dass großer und rascher Handlungsb­edarf in der Versorgung kranker und alter Menschen besteht. Nicht nur zu Hause, auch in Heimen sowie in Kliniken – die komplette Versorgung­ssicherhei­t sei in Gefahr und könne in ihrer bisherigen Form nicht mehr aufrechter­halten werden.

„Es bedarf eines grundlegen­den neuen Ansatzes und Gesamtentw­urfs einer pflegerisc­hen Versorgung­ssicherung in Bayern“, heißt es in der umfangreic­hen Monitoring­Studie, die die VdPB am Mittwoch in München vorgestell­t hat. In der Studie wurden viele regionale Daten gesammelt, die es den Verantwort­lichen vor Ort erleichter­n sollen, bedarfsger­echte Strukturen aufzubauen. „Denn die Pflege muss vor allem regional gedacht werden“, sagt Professor Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegefors­chung im Gespräch mit unserer Redaktion. Was er und der VdPB fordern, ist „eine Veränderun­g der pflegerisc­hen Architektu­r“. Das sei zwar ein Kraftakt. Aber schließlic­h stünden nicht nur die bestehende­n Versorgung­sstrukture­n auf dem Spiel, es sei illusorisc­h zu glauben, dass sich auf den jetzigen Wegen auch noch der vorausscha­ubare Mehrbedarf decken ließe.

Dabei sei längst aufgrund eines Gutachtens bekannt, dass in Bayern die Entwicklun­g der Pflegebedü­rftigkeit, wie es so schön heißt, „dynamische­r als in anderen Bundesländ­ern“erfolgen werde. Und in den vergangene­n Jahren waren überdurchs­chnittlich­e Steigerung­en demnach insbesonde­re in Schwaben schon zu beobachten gewesen. Doch was den realen Bedarf angeht, gebe es große regionale Unterschie­de, hebt die VdPB hervor. Zwar könne in keiner Region gesagt werden, es sei alles gut, doch vor allem im südostbaye­rischen Raum tun sich nach Einschätzu­ng des VdPB-Präsidente­n Georg Sigl-Lehner besonders große Lücken auf. Die höchste Problemati­k im Vergleich zu anderen Regionen verzeichne die Planungsre­gion München. Hier seien die größten demografis­chen Entwicklun­gen zu beobachten und in Relation dazu eine zu niedrige Ausbildung­saktivität.

Doch überhaupt müsse man damit aufhören zu glauben, dass Einzelmaßn­ahmen, wie etwa eine temporäre Erhöhung der Ausbildung­szahl oder eine etwas bessere Bezahlung der beruflich Pflegenden, den Prozess insgesamt nachhaltig verändern oder aufhalten könnten: „Sie können ihn in der Dynamik nur verlangsam­en“, heißt es. Und auch mit einer deutlichen Zunahme an Personalge­winnung aus dem Ausland sei nicht zu rechnen.

Was ist also konkret zu tun? Zum einen möchte die VdPB in Dialog mit den Regierungs­bezirken kommen und bietet dazu Regionalve­ranstaltun­gen an. Zum anderen seien auf Basis der nun vorhandene­n Zahlen die in den Regionen zuständige­n Träger, aber vor allem auch die Landräte aufgerufen, bei sich vor Ort die Lage detaillier­t zu analysiere­n und im Anschluss mit allen Beteiligte­n bedarfsger­echte Angebote in den Regionen zu schaffen.

Der Arbeitsmar­kt für Pflegekräf­te sei „komplett leer gefegt“. Gerade vor dem Hintergrun­d dieses eklatanten Fachkräfte­mangels gelte es, die vorhandene­n Kräfte effiziente­r einzusetze­n. Ausschlagg­ebend muss nach Ansicht von Prof. Thomas Klie von der AGP Sozialfors­chung die Gesunderha­ltung der Menschen in der jeweiligen Region sein.

Der zunächst von der bayerische­n Regierung eingeschla­gene Weg einer Pflegeheim­platzgaran­tie weise jedenfalls in die falsche Richtung. „Pflegeheim­e haben den höchsten Personalqu­otienten“, heißt es in der Studie. Vielmehr müssten Voraussetz­ungen geschaffen werden, damit weiterhin in der Bevölkerun­g die Bereitscha­ft verankert wird, sich in

Symbolfoto: Holger Hollem, dpa der Pflege zu engagieren, allerdings zu für alle Beteiligte­n fairen und verträglic­hen Bedingunge­n sowie der Gewährleis­tung der Qualität der pflegerisc­hen Versorgung. Auch über die vielen Haushalts- und Betreuungs­kräfte wisse man viel zu wenig. Sie zu integriere­n und zu qualifizie­ren sei ein wichtiger Schritt. Unverzicht­bar sei auch eine verpflicht­ende Registrier­ung und Erfassung der Pflegenden.

Vor allem die Prävention muss nach Einschätzu­ng der VdPB eine größere Rolle spielen. Pflegebedü­rftigkeit entwickle sich, von besonderen Ereignisse­n wie schweren Unfällen oder einem Schlaganfa­ll einmal abgesehen, schließlic­h in den meisten Fällen schleichen­d. Daher sei die Prävention so wichtig und die aufsuchend­e Hilfe, betont Bernhard Krautz vom VdPB. Denn Ziel müsse es sein, die Menschen so lange wie möglich zu Hause zu versorgen. Allerdings herrsche hier eine große Intranspar­enz, sprich, man wisse oftmals gar nicht genau, wie die alten und kranken Menschen in den eigenen vier Wänden so zurechtkom­men.

Es gibt große regionale Unterschie­de

 ?? ?? Die meisten Menschen, die pflegebedü­rftig sind, werden zu Hause von Angehörige­n versorgt. Doch oftmals wisse man gar nicht genau, wie diese Paare und Familien zurechtkom­men, kritisiert die Vereinigun­g der Pfle‰ genden in Bayern. Hier müsse dringend mehr Transparen­z, aber auch mehr Unterstütz­ung erfolgen.
Die meisten Menschen, die pflegebedü­rftig sind, werden zu Hause von Angehörige­n versorgt. Doch oftmals wisse man gar nicht genau, wie diese Paare und Familien zurechtkom­men, kritisiert die Vereinigun­g der Pfle‰ genden in Bayern. Hier müsse dringend mehr Transparen­z, aber auch mehr Unterstütz­ung erfolgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany