PflegeVerband warnt vor Versorgungsmangel
Immer mehr Menschen sind in einer alternden Gesellschaft auf Hilfe angewiesen. In Kliniken. In Heimen. Aber auch zu Hause. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern schlägt nun Alarm. Was sie fordert
München Hinter vielen Haustüren ist die Not vermutlich groß. Denn der überwiegende Teil der pflegebedürftigen Menschen wird zu Hause betreut. Auf die Erschöpfung vieler pflegender Angehöriger, auf die mangelnde Unterstützung hat vor kurzem der Sozialverband VdK hingewiesen. Nun unterstreicht auch die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), dass großer und rascher Handlungsbedarf in der Versorgung kranker und alter Menschen besteht. Nicht nur zu Hause, auch in Heimen sowie in Kliniken – die komplette Versorgungssicherheit sei in Gefahr und könne in ihrer bisherigen Form nicht mehr aufrechterhalten werden.
„Es bedarf eines grundlegenden neuen Ansatzes und Gesamtentwurfs einer pflegerischen Versorgungssicherung in Bayern“, heißt es in der umfangreichen MonitoringStudie, die die VdPB am Mittwoch in München vorgestellt hat. In der Studie wurden viele regionale Daten gesammelt, die es den Verantwortlichen vor Ort erleichtern sollen, bedarfsgerechte Strukturen aufzubauen. „Denn die Pflege muss vor allem regional gedacht werden“, sagt Professor Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung im Gespräch mit unserer Redaktion. Was er und der VdPB fordern, ist „eine Veränderung der pflegerischen Architektur“. Das sei zwar ein Kraftakt. Aber schließlich stünden nicht nur die bestehenden Versorgungsstrukturen auf dem Spiel, es sei illusorisch zu glauben, dass sich auf den jetzigen Wegen auch noch der vorausschaubare Mehrbedarf decken ließe.
Dabei sei längst aufgrund eines Gutachtens bekannt, dass in Bayern die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit, wie es so schön heißt, „dynamischer als in anderen Bundesländern“erfolgen werde. Und in den vergangenen Jahren waren überdurchschnittliche Steigerungen demnach insbesondere in Schwaben schon zu beobachten gewesen. Doch was den realen Bedarf angeht, gebe es große regionale Unterschiede, hebt die VdPB hervor. Zwar könne in keiner Region gesagt werden, es sei alles gut, doch vor allem im südostbayerischen Raum tun sich nach Einschätzung des VdPB-Präsidenten Georg Sigl-Lehner besonders große Lücken auf. Die höchste Problematik im Vergleich zu anderen Regionen verzeichne die Planungsregion München. Hier seien die größten demografischen Entwicklungen zu beobachten und in Relation dazu eine zu niedrige Ausbildungsaktivität.
Doch überhaupt müsse man damit aufhören zu glauben, dass Einzelmaßnahmen, wie etwa eine temporäre Erhöhung der Ausbildungszahl oder eine etwas bessere Bezahlung der beruflich Pflegenden, den Prozess insgesamt nachhaltig verändern oder aufhalten könnten: „Sie können ihn in der Dynamik nur verlangsamen“, heißt es. Und auch mit einer deutlichen Zunahme an Personalgewinnung aus dem Ausland sei nicht zu rechnen.
Was ist also konkret zu tun? Zum einen möchte die VdPB in Dialog mit den Regierungsbezirken kommen und bietet dazu Regionalveranstaltungen an. Zum anderen seien auf Basis der nun vorhandenen Zahlen die in den Regionen zuständigen Träger, aber vor allem auch die Landräte aufgerufen, bei sich vor Ort die Lage detailliert zu analysieren und im Anschluss mit allen Beteiligten bedarfsgerechte Angebote in den Regionen zu schaffen.
Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte sei „komplett leer gefegt“. Gerade vor dem Hintergrund dieses eklatanten Fachkräftemangels gelte es, die vorhandenen Kräfte effizienter einzusetzen. Ausschlaggebend muss nach Ansicht von Prof. Thomas Klie von der AGP Sozialforschung die Gesunderhaltung der Menschen in der jeweiligen Region sein.
Der zunächst von der bayerischen Regierung eingeschlagene Weg einer Pflegeheimplatzgarantie weise jedenfalls in die falsche Richtung. „Pflegeheime haben den höchsten Personalquotienten“, heißt es in der Studie. Vielmehr müssten Voraussetzungen geschaffen werden, damit weiterhin in der Bevölkerung die Bereitschaft verankert wird, sich in
Symbolfoto: Holger Hollem, dpa der Pflege zu engagieren, allerdings zu für alle Beteiligten fairen und verträglichen Bedingungen sowie der Gewährleistung der Qualität der pflegerischen Versorgung. Auch über die vielen Haushalts- und Betreuungskräfte wisse man viel zu wenig. Sie zu integrieren und zu qualifizieren sei ein wichtiger Schritt. Unverzichtbar sei auch eine verpflichtende Registrierung und Erfassung der Pflegenden.
Vor allem die Prävention muss nach Einschätzung der VdPB eine größere Rolle spielen. Pflegebedürftigkeit entwickle sich, von besonderen Ereignissen wie schweren Unfällen oder einem Schlaganfall einmal abgesehen, schließlich in den meisten Fällen schleichend. Daher sei die Prävention so wichtig und die aufsuchende Hilfe, betont Bernhard Krautz vom VdPB. Denn Ziel müsse es sein, die Menschen so lange wie möglich zu Hause zu versorgen. Allerdings herrsche hier eine große Intransparenz, sprich, man wisse oftmals gar nicht genau, wie die alten und kranken Menschen in den eigenen vier Wänden so zurechtkommen.
Es gibt große regionale Unterschiede