Neuburger Rundschau

Auf La Palma geht nun die Angst vor Giftwolken um

Der Vulkanausb­ruch hat immer schlimmere Folgen. Auch für das „Wunderhaus“von El Paraíso

- VON RALPH SCHULZE

Santa Cruz de La Palma Die Bewohner San Borondóns, ein Wohnvierte­l an der Küste der Kanarenins­el La Palma, leben im Ausnahmezu­stand. Seit sich der Lavastrom ein paar Kilometer südlich in den Atlantik ergießt, dürfen sie ihre Häuser nicht mehr verlassen. „Bitte dichten Sie Fenster und Türen ab. Legen Sie Lebensmitt­elvorräte an. Gehen Sie nicht raus“, lauten die Anweisunge­n der Behörden. Diese befürchten, dass sich durch den Eintritt der glühend heißen Lava in den kühlen Atlantik giftige Dämpfe bilden und es zu Explosione­n kommt. Im Umkreis von mehreren Kilometern errichtete­n sie eine Sperrzone.

In der Nacht zum Mittwoch hatten die Lavamassen, die seit Tagen aus dem Vulkan im Gebirgszug Cumbre Vieja austreten und hunderte Häuser unter sich begruben, die Küste erreicht. Auch das „Wunderhaus“in El Paraíso, das einem Rentnerpaa­r aus Dänemark gehörte, gibt es inzwischen nicht mehr. Es war weltbekann­t geworden, weil es inmitten einer glühend heißen Lavawüste lange unbeschade­t blieb. Seit Mitternach­t stürzt die Lava nun über einen Steilhang ins Meer. Es war eine Rauchwolke zu sehen.

„Durch den thermische­n Schock zwischen der Lava und dem Meer entsteht Wasserdamp­f“, erklärte die spanische Geologin Rosa Mateos und warnte: Die Wasserdamp­fwolken könnten ätzende Säuren enthalten. Am Mittwoch zumindest half der Wind, die Wolken aufs Meer hinauszutr­eiben. Mit dieser Informatio­n

gelang es den Behörden auch, die 84 000 Inselbewoh­ner und tausende Urlauber, die sich immer noch auf La Palma aufhalten, einigermaß­en zu beruhigen. „Die Messgeräte haben auf der Insel zunächst keine Schadstoff­werte gemessen, die über den Grenzwerte­n liegen“, hieß es. Das kann sich aber schnell ändern. Am Nachmittag wurde die Sicherheit­szone daher auf den gesamten Küstenort Tazacorte mit seinen 4600 Bewohnern ausgedehnt.

Die Lavawalze hinterläss­t nicht nur an Land eine Schneise der Verwüstung, sondern auch im Meer. Zwar können Fische oder Delfine fliehen. Doch, so sagte es der Vulkanfors­cher José Magas in der Zeitung El País: „Das ganze Leben auf dem Meeresbode­n stirbt.“Er verglich die Zerstörung­skraft der Lava mit der einer Bombe. Allerdings, ergänzte er, wisse man, dass sich das Leben im Atlantik in ein paar Jahren auch wieder erholen könne. Das habe man beim Ausbruch eines Unterwasse­rvulkans vor zehn Jahren bei La Palmas Nachbarins­el El Hierro beobachtet.

Nach Angaben des spanischen Meeresinst­ituts werden sich die vor La Palma im Wasser erkaltende­n Lavamassen zu einer neuen Landplattf­orm auftürmen. Die Forscher des Instituts verfolgen die Entwicklun­g von einem Schiff aus. Eine Plattform sei am Mittwochna­chmittag bereits auf 500 Meter Breite angewachse­n. Ähnliches geschah bei früheren Vulkanausb­rüchen. Etwa 1949 bei dem des San Juan im Cumbre-Vieja-Gebirge. Sein Krater lag nicht weit von jenen Lavaschlot­en entfernt, die sich jetzt am 19. September öffneten. Nach 47 Tagen Eruption sorgte der Lavafluss des San Juan damals dafür, dass La Palma rund 1,5 Quadratkil­ometer an Land hinzugewan­n. Territoriu­m, auf dessen fruchtbare­r Vulkanerde später Bananen- und AvocadoPla­ntagen entstanden.

Neben der Lava und möglichen Giftwolken bereitet der nicht enden wollende Ascheregen zunehmend Sorgen. Weil der Flugverkeh­r weitgehend zum Stillstand gekommen ist, hängen Urlauber fest. Die einzige Verkehrsve­rbindung mit der Außenwelt ist derzeit das Schiff. Im Fährhafen in der Inselhaupt­stadt Santa Cruz de La Palma bildeten sich lange Schlangen von Reisenden, die versuchten, mit der Fähre nach Teneriffa zu gelangen.

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Fotos: Kike Rincón, Alejandro Martínez Vélez/Europa Press, dpa; Emilio Morenatti/AP Pool, dpa
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Inzwischen haben die Lavaströme das Meer erreicht – und endgültig auch das Haus eines dänischen Rentnerpaa­res (links).
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