Grausame Details zum EverardMord
Der Prozess gegen den britischen Polizisten, der die junge Frau brutal aus dem Leben riss, bringt Schockierendes ans Licht. An diesem Donnerstag soll das Urteil fallen
Ein Polizist hat nach Darstellung der Anklage eine Festnahme inszeniert, um die Londonerin Sarah Everard zu vergewaltigen und zu töten. Der 48-Jährige habe im März so getan, als kontrolliere er die 33-Jährige wegen eines Verstoßes gegen die damaligen Corona-Regeln, sagte Staatsanwalt Tom Little am Mittwoch vor dem Londoner Strafgericht Old Bailey. Es sind bislang noch nicht bekannte Details, mit denen der Ankläger in dem aufsehenerregenden Fall schwere Vorwürfe gegen den geständigen Mann erhebt – Details, die schockieren.
London, 3. März 2021: Sarah Everard ist zu Fuß auf dem Heimweg von einer Freundin, als sie verschwindet. Landesweit ist die Anteilnahme gewaltig, eine große Suchaktion startet. Der Ausgang sorgt für Trauer und Wut: Denn Tage später wird Everards Leiche in einem Waldstück in der südostenglischen Grafschaft Kent gefunden. Ungefähr zur gleichen Zeit wird bekannt, dass ein Mitglied der Londoner Polizei tatverdächtig ist.
Staatsanwalt Little ist sicher, dass der Angeklagte – verheiratet, zwei Kinder – die junge Frau angehalten hat und sich dabei als Polizist vorgestellt hat. Die Tatsache, dass Everard während des relativ strengen Corona-Lockdowns auf dem Rückweg vom Abendessen bei einer Freundin gewesen sei, habe die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie einen Verstoß gegen Corona-Beschränkungen eingesehen habe, sagte er. Weil der Polizist zuvor an Corona-Patrouillen teilgenommen hatte, habe er gewusst, wie mutmaßliche Regelbrecher angesprochen werden. Im März war es in England nicht erlaubt, sich gegenseitig zu
Hause zu besuchen. Der 48-Jährige habe Everard mit Handschellen gefesselt und dann mit einem Leihwagen nach Kent gefahren. Dort habe er die Frau vergewaltigt und mit seinem Gürtel erdrosselt.
An diesem Donnerstagmittag wird der Mann aller Voraussicht nach wegen Mordes verurteilt. Die Umstände rechtfertigten eine lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit einer früheren Freilassung, sagte der Staatsanwalt am Mittwoch. Minutiös zeichnete Little vor Gericht nach, wie der Polizist sich mutmaßlich auf die Tat vorbereitete und wie er an den folgenden Tagen versuchte, seine Spuren zu verwischen. Wie der 48-Jährige sich Benzin besorgte, um die Leiche zu verbrennen, oder Müllsäcke kaufte, um Everards Handy zu entsorgen. Und auch, wie er immer wieder zum Tatort fuhr – und wenige Tage später sogar in unmittelbarer Nähe Zeit mit seiner Familie verbrachte. All das ist gestützt von Kameraaufnahmen und Daten aus der Funkzellenüberwachung. Klar ist mittlerweile auch: Everard war ein Zufallsopfer.
Auf die Spur des Polizisten kamen die Ermittler durch Überwachungsbilder – eine Bus-Kamera zeichnete den Moment auf, in dem er Everard anhielt. Der verdächtige Wagen war ein Mietauto, für das der Angeklagte seinen Namen und seine Kontaktdaten genutzt hatte. Schnell räumte der Polizist ein, die Frau entführt zu haben. Er habe dies aber nur getan, weil er von einer Bande osteuropäischer Krimineller gezwungen worden sei, erzählte er. Bei denen habe er Schulden gehabt, sie hätten seine Familie bedroht. Diese Version brach bald in sich zusammen.
Der Fall löste in Großbritannien neben großer Erschütterung vor allem auch eine neue Debatte über Gewalt gegen Frauen aus. Der Hashtag „shewasjustwalkinghome“– sie ist doch nur heimgegangen – wurde zum Schlagwort für zahlreiche Berichte über Belästigung und sexuelle Übergriffe.
Benedikt von Imhoff und
Larissa Schwedes, dpa