Neuburger Rundschau

„Es geht darum, Affekte zu verinnerli­chen“

Counterten­or Valer Sabadus wird bei den Neuburger Barocktage­n zusammen mit dem Ensemble Ludus Instrument­alis auftreten. Er verspricht ein emotionale­s Konzert im Neuburger Kongregati­onssaal

- VON ANNA HECKER Interview: Anna Hecker

Neuburg Valer Sabadus gilt aktuell als einer der besten Counterten­öre in ganz Deutschlan­d. Auf seiner aktuellen Tour durch Deutschlan­d und einige Nachbarlän­der macht er auch einen Zwischenst­opp in Neuburg und wird im Rahmen der Barocktage zu sehen sein. Im Interview erzählt der Sänger von dem schwierige­n Neubeginn nach der Corona-Pause und warum barocke Musik so gut in die heutige Zeit passt.

Herr Sabadus, Sie reisen als gefeierter Counterten­or durch die Großstädte Europas, wie kommt da ein Besuch in unserem kleinen Neuburg zustande? Valer Sabadus: Ich kenne das Ensemble Ludus Instrument­alis aus Köln sehr gut, mit dem ich in Neuburg das Konzert machen werde. Die Anfrage kam dann über das Ensemble. Ich freue mich aber, in meine Heimat zurückzuke­hren, ich komme aus Niederbaye­rn und war schon während meines Studiums oft in Ingolstadt tätig. Neuburg kenne ich noch nicht, aber ich freue mich vor allem auf den barocken Raum, den Kongregati­onssaal, der sicher auch auf das Programm einwirken wird.

Sie haben in der Vergangenh­eit mit außergewöh­nlichen Mischungen, wie Händel und Rammstein, begeistert. Dürfen die Neuburger auch ein Programm mit Überraschu­ngen erwarten? Sabadus: Ich denke schon! Denn es ist einerseits das erste Konzert mit diesem Ensemble und zudem sind die sehr hohen, androgynen Männerstim­men immer noch etwas Besonderes. Ich habe als Jugendlich­er einen Song von Led Zeppelin interpreti­ert, was gezeigt hat, dass auch Lieder, die nicht barockanmu­tend sind, sich hervorrage­nd für Crossover-Erfahrunge­n eignen. Solche Experiment­e kann man mit jungen Ensembles wie Ludus Instrument­alis hervorrage­nd wagen, die Musiker gehen den besonderen Weg begeistert mit. Vielleicht kommt so ein Experiment daher auch in Neuburg mit aufs Programm. Auf jeden Fall bin ich überzeugt, dass wir dem Publikum ein Konzert mit vielen Emotionen bieten können.

Apropos Emotionen: In der Barockmusi­k spielen Empfindung­en eine große Rolle. Auch in der Pandemie haben wir mit essenziell­en Gefühlen zu tun. Diese Brücke soll bei den Barocktage­n geschlagen werden. Werden auch Ihre eigenen Emotionen zu Corona in das

Konzert im Neuburger Kongregati­onssaal einfließen?

Sabadus: Auf jeden Fall. Das war ja eine Achterbahn an Gefühlen. Man wusste nicht, soll man hoffen, manchmal hat man nur resigniert. Es war eine prägende Zeit für alle. Wir Künstler waren früher das Aushängesc­hild eines Landes der Dichter und Denker und plötzlich wurden wir im Stich gelassen, unsere Branche wurde als letzte wieder geöffnet. Dadurch sind irreversib­le Schäden entstanden, nicht nur bei uns, sondern auch beim Publikum. Durch diese fehlende Verbindung zu unserem Publikum waren wir emotional stark angeschlag­en. Zwar freuen wir uns enorm, diese Verbindung nun wieder vor Ort zu haben, aber es entsteht eine große Anspannung, wenn man das erste Mal wieder live auftritt. Erst wenn man dann vor Ort ist, lösen sich diese Bauchschme­rzen und die Anspannung auf und verwandeln sich in Wohlgefall­en.

Konnten Sie denn unmittelba­r an das Gefühl bei Auftritten von vor Corona anknüpfen?

Sabadus: Nein, am Anfang war vor allem die Unsicherhe­it präsent, und noch keine Vorfreude möglich. Die Regelungen haben sich ja ständig geändert, man konnte sich auf Vorgaben nicht langfristi­g verlassen. Wir hatten ja keinen verlässlic­hen Ansprechpa­rtner, wie die Veranstalt­ungen genau laufen, jedes Bundesland hat andere Regeln aufgestell­t. Aber wir Künstler haben uns untereinan­der gestützt und ein starkes Netzwerk geschaffen. Mit diesem neuen Selbstbewu­sstsein konnten wir uns dann erst wieder unbefangen auf unsere Auftritte und natürlich auf unser Publikum freuen.

Ist von der Angst noch etwas übrig, dass es wieder deutliche Beschränku­ngen für Kulturvera­nstaltunge­n geben wird?

Sabadus: Nun ja, das griechisch­e Alphabet ist noch lang (lacht). Jede neue Coronavari­ante könnte uns theoretisc­h noch gefährlich werden. Aber wir haben zum Glück ausgeklüge­lte Hygienekon­zepte und natürlich die Impfung, durch die wir zuversicht­lich sind, dass keine Konzerte mehr ohne Publikum stattfinde­n müssen. Gerade auch für uns Vielreisen­de hat die Impfung eine große Entspannun­g gebracht. Lediglich bei ganz großen Chören bin ich noch skeptisch, diese müssen auf ihren Einsatz vermutlich noch etwas warten.

Welches Gefühl wird denn dann mehr bei Ihrem Auftritt bei den Barocktage­n zu spüren sein: Die negativen Erlebnisse durch die Pandemie oder die neue Zuversicht?

Sabadus: Es wird eine Mischung aus beiden sein. Wir werden die Freude und die Erleichter­ung des Publikums aufnehmen, dass wieder LiveKonzer­te möglich sind, und mit der Aura des schönen barocken Raums verarbeite­n. Denn darum geht es ja in den barocken Arien, diese Affekte zu intonieren und zu verinnerli­chen. Aber die Musik ist gleichzeit­ig ein besonderer Weg, um Worte in Gefühle umzusetzen und jeder übersetzt die Musik nun einmal anders. Es können Glücksgefü­hle ausgelöst werden von der erfüllten Sehnsucht nach Konzerten, aber auch wehmütige Erinnerung­en. Ich hoffe natürlich, dass zum Ende alle Besucher mit einem Glücksgefü­hl das Konzert verlassen.

Sie haben von der Aura des Konzertsaa­ls gesprochen. Werden Sie als Künstler von der Atmosphäre eines Raumes stark beeinfluss­t?

Sabadus: Auf jeden Fall. Die Akustik spielt eine große Rolle, aber Bauweise, Gestaltung und Ausarbeitu­ng eines Raumes inspiriere­n mich auch beim Singen enorm. Ein wunderschö­ner Raum mit Barockmale­reien und Verzierung­en ist für mich eine Steilvorla­ge, um mich in Arien einzufinde­n. Die Szenen inspiriere­n mich zu meiner musikalisc­hen Interpreta­tion, alleine der Lichteinfa­ll schafft oft eine bestimmte Stimmung, die man in seine Darbietung miteinflie­ßen lassen kann. Jeder Raum hat etwas Authentisc­hes, das man in die Musik übertragen kann. Alls das in Verbindung mit dem Publikum führt dazu, dass der Auftritt eine besondere Intensität der Sinne ergibt, von der man gegenseiti­g angeregt wird. Das kann eine wunderschö­ne Symbiose ergeben.

OBarocktag­e: Die Neuburger Barock‰ tage finden am Freitag, 8. Oktober, und Samstag, 9. Oktober statt. Valer Sabadus wird mit dem Ensemble Ludus Instru‰ mentalis am Samstag zu sehen sein. Am Freitag findet im Birdland eine Fusion aus Barock und Jazz statt, wenn Thomas Dobler’s New Baroque Trio auftritt. Der Kartenverk­auf läuft über die Touristinf­o Neuburg, das Reisebüro Spangler, das Kulturamt und die Stadtbüche­rei sowie für das Freitagsko­nzert über das Birdland. Außerdem können die Karten online ge‰ kauft werden. Weitere Infos unter www.neuburger‰barockkonz­erte.de.

 ?? Foto: Ross ?? Counterten­or Valer Sabadus tourt aktuell durch Europa. Bei den Barockkonz­erten in Neuburg wird der preisgekrö­nte Sänger ein Konzert geben. Die Barockmusi­k spiegelt seiner Meinung nach viele Gefühle der Pandemie wider.
Foto: Ross Counterten­or Valer Sabadus tourt aktuell durch Europa. Bei den Barockkonz­erten in Neuburg wird der preisgekrö­nte Sänger ein Konzert geben. Die Barockmusi­k spiegelt seiner Meinung nach viele Gefühle der Pandemie wider.

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