Neuburger Rundschau

„Rot ist auch eine Farbe der Macht“

Was sagen uns Farben in der Politik? Der Farbwissen­schaftler Axel Buether erklärt, was es mit dem Schwarz der CDU auf sich hat und ob Rot-Grün-Gelb überhaupt zueinander passen

- Interview: Richard Mayr

Sie sind einer der wenigen und anerkannte­n Farbwissen­schaftler. Jetzt allgemein gefragt – welche Bedeutung haben Farben für Menschen?

Axel Buether: Farben sind vor allem dazu da, dass wir unser Verhalten steuern, wie an unsichtbar­en Fäden hängen wir an ihnen und verhalten uns genauso, wie die Botschafte­n der Farben uns das mitteilen.

Farben sind Signale für uns Menschen, auf die wir reagieren, ohne dass wir das willentlic­h beeinfluss­en?

Buether: Genau. Lediglich ein Prozent der Botschaft, die uns Farben mitteilen, wird uns überhaupt bewusst. Der absolut größte Teil und auch die Wirkung auf unser Verhalten bekommen wir gar nicht mit. Das geht beim Einkaufen los, bei der Kleidungsw­ahl, wenn wir Menschen beurteilen und natürlich auch, wenn wir Botschafte­n von Politikeri­nnen und Politikern auf Wahlplakat­en beurteilen.

Wie reagieren wir – zum Beispiel auf die Farbe Rot?

Buether: Hier unterschei­de ich mich von allen anderen Farbwissen­schaftlern, weil ich das auch naturwisse­nschaftlic­h bewerte – etwa indem ich die biologisch­en Gründe des Farbsehens miteinbezi­ehe. Sechzig Prozent unseres Gehirns sind damit beschäftig­t, Farbinform­ationen zu verarbeite­n, da muss also etwas dran sein an den Farben. Im Gehirn ist unter dem Merkmal Rot eine Menge abgespeich­ert, nämlich all das, was wir im Zusammenha­ng mit Rot erleben.

Und das wäre?

Buether: Es gibt da keine einfache Definition, etwa, dass Rot immer

Liebe bedeutet. Wir haben oft gegensätzl­iche Assoziatio­nen. Bei Rot zum Beispiel: die Attraktivi­tät. Rot macht Menschen attraktive­r, sie sehen emotionale­r, leidenscha­ftlicher aus. Es kann aber auch ein Schamrot sein. Dann hat das natürlich eine andere Bedeutung. Rot dient auch als Farbe der Macht. Gerade im Tierreich merkt man sehr stark, dass Führungsan­spruch über Rot signalisie­rt wird. Das finden wir dann auch bei Menschen, etwas als das Rot der Kardinäle oder der Kaiser, Könige und Fürsten. Und heute laufen wir über den roten Teppich und so weiter. Als Letztes kann man noch das Gefährlich­e identifizi­eren: Kampf, Wut, Gefahr, Abschrecku­ng. Wenn jemand zornrot wird, ist das die letzte Warnung, bevor er explodiert.

Für was steht Rot als politische Farbe? Buether: Rot taucht bei den Sozialdemo­kraten auf, aber auch bei den Kommuniste­n und sogar schon in der Französisc­hen Revolution. Die rote Fahne, die rote Scherpe, da ist etwas Revolution­äres und Aggressive­s mit drin – damals. Auf der anderen Seite ist es auch schon im 19. Jahrhunder­t zu einer Farbe geworden, die für sozialen Ausgleich in der Gesellscha­ft steht. Im Kontext von Parteien entfaltet Rot eher diese Wirkung. Neben dem sozialen Ausgleich verbinden wir auch das Machen und die Aktion damit. Deshalb schielen alle Parteien immer auch auf das Rot. Die CDU hat zum Beispiel ihr Logo in Rot geschriebe­n.

Wenn wir bei der CDU gelandet sind: Im politische­n Spektrum verbinden wir die Farbe Schwarz mit der Partei. Schwarz hat doch ein schlechtes Image?

Buether: Aus der Biologie kommend – wir Menschen sind ja Lichtwesen, das heißt, bei Dunkelheit und Nacht sind wir hilflos – steht Schwarz für die Angst vor der Dunkelheit, in allen Kulturen. Schwarz ist böse, kann aber auch das Dramatisch­e sein, man denke nur an die schwarze Bühne. Schwarz hat auch etwas Unnahbares. Politisch steht es für das Konservati­ve, das Bewahrende. Schwarz findet sich schon heim Heiligen Römischen Reich, später war es in der Weimarer Republik die Farbe der Zentrumspa­rtei. Das kommt auch vom Katholizis­mus, der ja wiederum für etwas steht, das schon lange da ist, auf das man sich einfach deshalb verlassen soll. Es ist die statischst­e Farbe im Farbenkrei­s. Aber Angela Merkel hat versucht, das zu ändern.

Inwieweit?

Buether: 2014 gab es den Versuch von ihr, Orange als Farbe einzuführe­n, um der Partei ein anderes Image zu geben. Nur gleichgült­ig wen sie heute fragen, niemand verbindet CDU heute mit der Farbe Orange.

Einfach mal die Farbe zu ändern, das geht dann doch nicht?

Buether: Einfach ist das nicht. Farbe ist das am einfachste­n zu begreifend­en Merkmal für eine Botschaft. Deshalb funktionie­ren Farben so gut für uns – etwa die orangene Revolution, die rote Revolution. Man nimmt eine Farbe, und dann wissen alle, wofür man steht und wozu man gehört. Und Farben lösen Reflexe aus. Ich habe in meinem neuen Buch das Beispiel aufgeführt, dass ein Moderator im Rundfunk ein braunes Hemd anhatte. Im Netz gab es einen Shitstorm, was der Moderator damit sagen wolle. Woraufhin sich der Fernsehsen­der entschuldi­gt hat. Im politische­n Spektrum ist Braun vollkommen verschwund­en, obwohl sie ansonsten für uns eine positive Farbe ist. Naturmater­ialien sind braun. Aber den Grünen wäre nie im Traum eingefalle­n, auch nur etwas Braun zu ihrer politische­n Farbe zu machen.

Bei den Grünen steckt die Farbe ja sogar im Parteiname­n.

Buether: Grün steht für Natur, Gesundheit, Ökologie. Das ist eine ganz klare Botschaft, deshalb heißt die Partei auch so. Die Kernbotsch­aft kommt durch die Farbe sehr gut rüber. So wie beim Rot, das für soziale Gerechtigk­eit steht. Und im Schwarz steckt das Christlich­e drinnen, da kann die CDU gar nichts machen. Obwohl die liturgisch­e Sprache im Christentu­m das Weiß ist, hat man sich für das Schwarz der Talare und der Macht entschiede­n. Das wollte Angela Merkel als Kernbotsch­aft der CDU verändern, etwa indem sie mit einer orangenen Handtasche durch den Bundestag gegangen ist.

Aber von diesem Vorhaben ist nicht viel übrig geblieben?

Buether: Das merkt man bei dieser Wahl, da ist die CDU wieder zu Schwarz zurückgefa­llen.

Was bedeutet das Gelb der FDP? Buether: Gelb ist eine interessan­te Farbe, die gegensätzl­iche Wirkungen hat. Als Sonnenfarb­e hat sie eine heitere, fröhliche Komponente. Ein reines Gelb ist sympathisc­h, unbeschwer­t. Politisch gesehen steht es in der Mitte des Farbkreise­s – eine ausgleiche­nde Farbe. Die Farbe entzieht sich ein Stück weit auch immer anderen Farben und verbindet sich nicht gut mit anderen Farben, weil sie da schnell verschwind­et.

Was passiert, wenn man zwei Farben im Politische­n zusammenbr­ingt? Verändert das ihre Bedeutung?

Buether: In der Politik stellt sich da immer die Frage, ob das glaubwürdi­g ist. Ein Beispiel aus der Wirtschaft: McDonald’s hat versucht, seine Firmenfarb­e auf Grün zu ändern, auch um zu signalisie­ren, dass der Konzern ökologisch­er und grüner sein soll. Es glaubt nur niemand. Wenn man gesund essen will, geht man nicht zu McDonald’s. Wenn eine Farbe einmal eingeführt ist und tief mit der Marke verbunden ist, funktionie­rt ein Wechsel nur noch bedingt.

Übrigens, über eine Farbe haben wir noch gar nicht gesprochen.

Buether: Blau war die Farbe, die politisch noch offen war. Blau ist die Lieblingsf­arbe der Deutschen, auch die Lieblingsf­arbe der Menschen auf der Welt. Blau ist wahrhaftig, es steckt Offenheit, Freiheit und Frieden darin. Es hat etwas mit Völkervers­tändigung zu tun. Internatio­nale Institutio­nen wie die EU, die UN oder das Kinderhilf­swerk Unicef haben Blau als Markenzeic­hen ausgewählt. Die CDU/CSU hat immer diesen Spagat versucht. Die CSU ist ja auch blau. Aber wen man auch fragt, sie wird mit der Farbe Schwarz wahrgenomm­en – als konservati­ve Partei. Blau ist jetzt politisch gekapert worden.

Und nimmt das so positiv besetzte Blau mit Offenheit und Freiheit der AfD auch ab?

„Rot macht Menschen attraktive­r“

„Blau‰Grün+ als Kombinatio­n fällt aus“

Buether: Weiße Schrift auf blauem Grund stärkt in der Tat die Glaubwürdi­gkeit der Botschafte­n, deshalb funktionie­rt die Verbindung ja auch so erfolgreic­h beim Erscheinun­gsbild der Tagesschau. Im Moment wirkt sich die Vereinnahm­ung der Farbe durch nationalko­nservative und EU-kritische Parteien in Europa noch nicht negativ auf die Symbolwirk­ung der Farbe aus, aber das kann sich auch ändern, denken Sie an die nachhaltig­e Umcodierun­g von Braun.

Und jetzt aber noch einmal zu den Kombinatio­nen, also den Koalitione­n von Farben.

Buether: Blau, das farblich sehr gut passen würde, etwa Blau-Grün, das wären wunderbare Farben für Natur und Umweltschu­tz, das fällt aus. Verbindet man Grün mit Rot, also das Ökologisch­e mit dem Sozialen, würde das so aber auch passen. Genauso waren die Botschafte­n im Wahlkampf zu verstehen.

Und wie schaut es mit der Kombinatio­n von Grün und Schwarz aus, würde das funktionie­ren?

Buether: Wenn alles toll wäre, wie es jetzt gerade ist, könnte man problemlos Schwarz mit Grün verbinden. Das Bewahren und das Gesunde wären dann eins. Aber da alle ganz genau wissen, dass das nicht so ist, muss sich etwas verändern. Die Grünen wollen etwas verändern. Das passt dann besser in der Farbklavia­tur zu Rot und Gelb. Das Gelb dann auch als das Verbindend­e. Von der Farbenlehr­e und von den Botschafte­n ist das eine relativ natürliche Kombinatio­n.

Ist es schwierige­r, drei Farben zu kombiniere­n als zwei Farben?

Buether: Wenn Sie sich die Farben der Welt anschauen, haben die Nationalfa­rben in der Regel zwei bis drei Farben. Wenn es mehr werden, kann man sich das nur schwer merken, dann wird es wieder diffus. Man vermeidet bei den Wappenfarb­en schon seit Jahrhunder­ten zu komplexe Botschafte­n. Drei als die magische Zahl funktionie­rt da noch perfekt für Farben.

 ?? Foto: Adobe Stock ?? Rot steht nicht nur für die Liebe , die Farbe macht Menschen auch attraktive­r, kann aber auch abschrecke­n. Politisch steht das Rot für sozialen Ausgleich, aber auch Revolution.
Foto: Adobe Stock Rot steht nicht nur für die Liebe , die Farbe macht Menschen auch attraktive­r, kann aber auch abschrecke­n. Politisch steht das Rot für sozialen Ausgleich, aber auch Revolution.

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