Was das Herz will oder der Kopf
Musiker oder doch lieber Bankkaufmann? Wer seinen Traumberuf ansteuert, muss ein gewisses Risiko eingehen. Wer sich auch über Plan B oder C Gedanken macht, tut sich leichter. Und es muss nicht gleich die Entscheidung fürs Leben sein
München/Dortmund Luftschlösser bauen, verrückten Plänen hinterherjagen oder doch lieber Vernunft walten lassen? Geht es um die Berufswahl, müssen wir entscheiden, ob und wie viele Risiken wir eingehen wollen. Wer sich etwa für Berufe wie Autor, Musikerin, Schauspieler, Philosophin oder Influencer begeistert, muss mit Unsicherheiten und Hürden rechnen. Wann lohnt es sich, das Risiko einzugehen?
Stefanie Rektorschek arbeitet als Berufsberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie empfiehlt, sich bei der Berufswahl folgende Fragen zu stellen: Ist dieser Beruf tatsächlich so, wie ich ihn mir vorstelle? Woher kommt meine Begeisterung dafür? Kann ich das überhaupt? Was an diesem Beruf reizt mich genau? „Manchmal merken junge Menschen im Realitätscheck, dass der Beruf eigentlich gar nicht so toll ist, wie sie es sich vorstellen. Oder, dass es der Wunsch von jemand anderem ist“. Wichtig sei, sich ehrlich mit den eigenen Fähigkeiten auseinanderzusetzen. „Wenn man Schauspieler werden will, macht es schon einen Unterschied, ob man schon Erfahrungen im
Schultheater gesammelt hat, vielleicht sogar gutes Feedback bekommen hat, oder sich das Leben als Filmstar einfach glamourös vorstellt.“Daher ist die Frage nach der inneren Motivation wichtig: Habe ich Spaß an der Tätigkeit an sich? Würde es mir auch Spaß machen, wenn sich der große Erfolg nicht einstellt?
„Es hilft auch sehr, um den Traumberuf herum nach einem Plan B, C oder D zu schauen, falls Plan A nicht auf Anhieb aufgehen sollte“, sagt Rektorschek. In vielen Berufsfeldern gibt es neben einer risikoreichen Variante auch eine, die mehr finanzielle Sicherheit verspricht. Statt Influencer zu werden, kann man beispielsweise für Medien oder Unternehmen Social-Media-Inhalte erstellen. „Oftmals kann man auch das, was einen eigentlich an Traumjob Nummer Eins so reizt, zu Plan B mitnehmen“, sagt Nico Rose, Coach und Professor für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management in Dortmund. „Wenn ich es mag, vor Menschen aufzutreten, muss das nicht immer auf der Bühne sein. Dann kann ich vielleicht auch als Lehrer oder glücklich werden.“Bei der Entscheidung, ob jemand ein berufliches Risiko eingehen will, sei es auch nicht ganz unwichtig, wie groß das eigene Sicherheitsbedürfnis ist. Das kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Die beiden Fachleute weisen darauf hin, dass sich das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität auch im Laufe des Lebens ändern kann. Wer nicht nur sich selbst, sondern auch eine Familie versorgt, setzt vielleicht in dieser Phase des Lebens lieber auf die sichere Bank. Wer sich mit der Zeit ein gutes finanzielles Polster erarbeitet hat oder aus einem wohlhabenden Elternhaus kommt, kann dann womöglich mehr Risiko eingehen.
„Wir haben in unserem Berufsleben viel Zeit, um verschiedene Dinge auszuprobieren. In den seltensten Fällen braucht jemand einen roten Faden im Lebenslauf“, sagt Rose. Auch Rektorschek stellt fest: „Viele junge Leute tun sich mit der Berufswahl so schwer, weil sie glauben, eine Entscheidung treffen zu müssen, mit der sie den Rest ihres LeStadtführer bens dann leben müssen.“Stattdessen treffen Berufstätige heutzutage immer wieder aufs Neue Entscheidungen. Der Entscheidung für einen Karriereweg darf man also manchmal gar nicht zu viel Bedeutung beimessen. „Ich glaube auch nicht, dass es eine Wahl gibt, die grundsätzlich besser ist als die andere oder die glücklicher macht,“sagt Rose.
Neben Selbstreflexion können Gespräche mit nahe stehenden Personen helfen, ebenso ein Blick in die Kindheit. „Wenn man beispielsweise als Kind mit einem Limonadenstand im Stadtpark erste Erfolge gefeiert hat, kann man daraus schon ein gewisses unternehmerisches Talent ableiten und kann sich eher dazu durchringen, das erste eigene Start-up zu gründen“, so Rose.
Auch Interessenstests, wie sie die Arbeitsagentur anbietet, können diesen Selbstfindungsprozess unterstützen. „Grundsätzlich bin ich immer dafür, dass junge Leute ihren Träumen hinterherjagen“, so Rektorschek. Zweifel und Ängste ließen sich oft beiseite räumen. „Und einen Gang runterschalten und doch lieber was Sichereres machen, geht immer.“Sophia Reddig, dpa