Neuburger Rundschau

So feiert es sich wieder

Etwa eineinhalb Jahre lang waren Discos und Clubs in Bayern zu. Dann kam die Entscheidu­ng: Seit Freitag dürfen sie wieder öffnen – unter Auflage der 3G-Plus-Regel. Wie der Start in Augsburg angelaufen ist

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg Am Königsplat­z in Augsburg herrscht Freitagabe­nd-Betrieb. Trams bremsen quietschen­d an der Haltestell­e, Fahrgäste strömen heraus, junge Menschen kreuzen biertrinke­nd die Straße. Ihr Ziel sind die Bars und Clubs der Stadt. Denn nach etwa eineinhalb­jähriger Party-Pause darf wieder gefeiert und getanzt werden. Am Donnerstag hatte das Kabinett beschlosse­n, dass Discos und Clubs in Bayern ab Freitag mit der „3G-Plus-Regel“wieder öffnen dürfen. Im Freistaat dürfen also nur diejenigen den Club betreten, die geimpft oder genesen sind oder einen negativen PCR-Test vorweisen können – ein Antigensch­nelltest oder ein Selbsttest genügt nicht. Doch wie feiert es sich nach eineinhalb Jahren Dancefloor­Abstinenz? Ein Streifzug durch das nächtliche Augsburg.

Erste Anlaufstel­le gegen 22.30 Uhr am Königsplat­z: das „Café City Club“. Die Tische draußen sind voll besetzt. Aus dem ersten Stock dröhnen Baustellen­geräusche – Vorbereitu­ngen für den Party-Neustart. Am Samstag öffnet die Disco im ersten Stock. Die Bar im Erdgeschos­s hat schon seit einiger Zeit geöffnet – heute aber erstmals mit Tanzfläche und ohne Maskenpfli­cht. Vor dem Eingang wartet ein Türsteher, er kontrollie­rt Impfzertif­ikate und Personalau­sweise. „Bitte noch mit der Luca-App einchecken“, sagt er. Danach presst er den Gästen einen Stempel aufs Handgelenk. Aufschrift: „Geprüft“. Der Stempel gewährt Eintritt in die Bar. Drinnen versammeln sich vor allem junge Menschen, die meisten Mitte 20: Frauen in weiten Jeans, Männer mit

engen Wollmützen, die kaum über die Ohren reichen. Manche deuten zurückhalt­ende Tanzbewegu­ngen an. Draußen steht eine Gruppe britischer Austausch-Studierend­er. Sie trauen sich noch nicht so recht, feiern zu gehen, erzählt einer von ihnen. Die Regeln in Deutschlan­d seien deutlich strenger als in Großbritan­nien. „Wir haben Angst, was falsch zu machen.“

Die Feiernden in der „Soho Stage“haben da weniger Hemmungen. Die kleine Kellerdisc­o ist voll. Junge Menschen schieben sich durch den Raum, tanzen, trinken, manche küssen sich. Besonders auffallend tanzt ein Mann mit Vollbart in der Mitte des Raums. Er trägt leuchtende Ringe an den Fingern. Andreas heißt er, wohnt in Wertingen und ist zum Feiern nach Augsburg gefahren. „Einfach cool, dass es wieder losgeht“, sagt er. „Das war längst überfällig.“An der Bar drängen sich die Feiernden, halten dem Barkeeper Bargeld entgegen, versuchen zu bestellen. „Es ist nicht so spektakulä­r, wie ich mir das vorgestell­t habe“, sagt Paul, ein Mann mit Kinnbart und Nasenring. „Es ist halt wieder wie früher, back to normal“, sagt er fast schreiend, um den Bass zu übertönen. „Die ersten 15 Minuten waren vielleicht ein bisschen seltsam. Aber man gewöhnt sich schnell dran, auch ohne Maske Menschen näherzukom­men.“

Wer eine Pause braucht, geht raus auf die Straße. Nicht wenigen geht es so. „Ist schon ein bisschen laut“, erzählt eine Gruppe von StuBeanies, dentinnen, die rauchend auf dem Bürgerstei­g sitzt. „Das ist man dann doch nicht mehr so gewohnt.“

Eineinhalb Jahre waren Diskotheke­n geschlosse­n, zeitweise auch die Bars. Gefeiert wurde trotzdem in Augsburg. Jugendlich­e suchten sich neue Orte, um Freunde zu treffen – meistens im Freien. Die Maxstraße im Zentrum der Stadt war so ein Ort. Um den Herkulesbr­unnen herum saßen junge Menschen, tranken Bier, ließen Musik aus Lautsprech­ern dröhnen. Bis die Lage eskalierte. Es kam zu Ausschreit­ungen und Schlägerei­en mit der Polizei.

Jetzt, in der Nacht auf Samstag kurz vor zwei Uhr, ist die Straße fast menschenle­er. Keine Musik, kein Alkohol, keine Polizei. Viele der Bars entlang der Straße haben schon geschlosse­n. Musik hört man nur noch aus dem „Peaches“. Doch auch hier herrscht Aufbruchst­immung. Die Bar schließt um drei.

Anders vor der „Kantine“, einer Disco am Königsplat­z. Die Schlange reicht aus dem Treppenhau­s der Disco bis hinaus auf den Gehsteig – fast zehn Minuten dauert es, um am Einlass vorbeizuko­mmen. „Man kommt schon mit gemischten Gefühlen her“, sagt Naemi, 25, aus Augsburg. „Aber wenn alle geimpft oder genesen sind, fühlt es sich sicher an. Und ich bin froh, dass man jetzt wieder feiern gehen kann.“Doch haben längst nicht alle Augsburger Clubs wieder geöffnet. Das „Hallo Werner“beispielsw­eise, nur wenige Meter von der „Kantine“entfernt, öffnet erst zum 15. Oktober. „Leider haben wir es so kurzfristi­g nicht geschafft, pünktlich zum 1. Oktober fertig zu sein“, sagt der Betreiber auf Anfrage unserer Redaktion. Die Regeln seien sehr kurzfristi­g verkündet worden. „Das war uns ehrlich gesagt ein bisschen zu riskant, das Lager zu füllen und Personal anzumelden.“

Die Betreiber der „Kantine“sind das Risiko eingegange­n. Die Feiernden schieben sich in kleinen Gruppen durch den Raum. „Die meisten kommen mit Freunden her und bleiben dann auch in der Gruppe“, sagt Naemi. Vor Corona sei das anders gewesen. „Damals war es leichter, andere Menschen kennenzule­rnen, man ist viel mehr auf neue Menschen zugegangen.“Heute seien die meisten auf ihre Freunde fixiert. „Aber ist ja auch kein Wunder. Wir waren jetzt eineinhalb Jahre mehr oder weniger isoliert, da muss man erst mal wieder lernen, auf neue Menschen zuzugehen.“

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Foto: Jonathan Lindenmaie­r Endlich wieder tanzen, und zwar ohne Maske: Seit Freitag dürfen in Bayern Discos und Clubs öffnen. Allerdings mit der „3G‰Plus‰ Regel“: Die Leute müssen also geimpft oder genesen sein oder einen negativen PCR‰Test vorlegen.
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