So feiert es sich wieder
Etwa eineinhalb Jahre lang waren Discos und Clubs in Bayern zu. Dann kam die Entscheidung: Seit Freitag dürfen sie wieder öffnen – unter Auflage der 3G-Plus-Regel. Wie der Start in Augsburg angelaufen ist
Augsburg Am Königsplatz in Augsburg herrscht Freitagabend-Betrieb. Trams bremsen quietschend an der Haltestelle, Fahrgäste strömen heraus, junge Menschen kreuzen biertrinkend die Straße. Ihr Ziel sind die Bars und Clubs der Stadt. Denn nach etwa eineinhalbjähriger Party-Pause darf wieder gefeiert und getanzt werden. Am Donnerstag hatte das Kabinett beschlossen, dass Discos und Clubs in Bayern ab Freitag mit der „3G-Plus-Regel“wieder öffnen dürfen. Im Freistaat dürfen also nur diejenigen den Club betreten, die geimpft oder genesen sind oder einen negativen PCR-Test vorweisen können – ein Antigenschnelltest oder ein Selbsttest genügt nicht. Doch wie feiert es sich nach eineinhalb Jahren DancefloorAbstinenz? Ein Streifzug durch das nächtliche Augsburg.
Erste Anlaufstelle gegen 22.30 Uhr am Königsplatz: das „Café City Club“. Die Tische draußen sind voll besetzt. Aus dem ersten Stock dröhnen Baustellengeräusche – Vorbereitungen für den Party-Neustart. Am Samstag öffnet die Disco im ersten Stock. Die Bar im Erdgeschoss hat schon seit einiger Zeit geöffnet – heute aber erstmals mit Tanzfläche und ohne Maskenpflicht. Vor dem Eingang wartet ein Türsteher, er kontrolliert Impfzertifikate und Personalausweise. „Bitte noch mit der Luca-App einchecken“, sagt er. Danach presst er den Gästen einen Stempel aufs Handgelenk. Aufschrift: „Geprüft“. Der Stempel gewährt Eintritt in die Bar. Drinnen versammeln sich vor allem junge Menschen, die meisten Mitte 20: Frauen in weiten Jeans, Männer mit
engen Wollmützen, die kaum über die Ohren reichen. Manche deuten zurückhaltende Tanzbewegungen an. Draußen steht eine Gruppe britischer Austausch-Studierender. Sie trauen sich noch nicht so recht, feiern zu gehen, erzählt einer von ihnen. Die Regeln in Deutschland seien deutlich strenger als in Großbritannien. „Wir haben Angst, was falsch zu machen.“
Die Feiernden in der „Soho Stage“haben da weniger Hemmungen. Die kleine Kellerdisco ist voll. Junge Menschen schieben sich durch den Raum, tanzen, trinken, manche küssen sich. Besonders auffallend tanzt ein Mann mit Vollbart in der Mitte des Raums. Er trägt leuchtende Ringe an den Fingern. Andreas heißt er, wohnt in Wertingen und ist zum Feiern nach Augsburg gefahren. „Einfach cool, dass es wieder losgeht“, sagt er. „Das war längst überfällig.“An der Bar drängen sich die Feiernden, halten dem Barkeeper Bargeld entgegen, versuchen zu bestellen. „Es ist nicht so spektakulär, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagt Paul, ein Mann mit Kinnbart und Nasenring. „Es ist halt wieder wie früher, back to normal“, sagt er fast schreiend, um den Bass zu übertönen. „Die ersten 15 Minuten waren vielleicht ein bisschen seltsam. Aber man gewöhnt sich schnell dran, auch ohne Maske Menschen näherzukommen.“
Wer eine Pause braucht, geht raus auf die Straße. Nicht wenigen geht es so. „Ist schon ein bisschen laut“, erzählt eine Gruppe von StuBeanies, dentinnen, die rauchend auf dem Bürgersteig sitzt. „Das ist man dann doch nicht mehr so gewohnt.“
Eineinhalb Jahre waren Diskotheken geschlossen, zeitweise auch die Bars. Gefeiert wurde trotzdem in Augsburg. Jugendliche suchten sich neue Orte, um Freunde zu treffen – meistens im Freien. Die Maxstraße im Zentrum der Stadt war so ein Ort. Um den Herkulesbrunnen herum saßen junge Menschen, tranken Bier, ließen Musik aus Lautsprechern dröhnen. Bis die Lage eskalierte. Es kam zu Ausschreitungen und Schlägereien mit der Polizei.
Jetzt, in der Nacht auf Samstag kurz vor zwei Uhr, ist die Straße fast menschenleer. Keine Musik, kein Alkohol, keine Polizei. Viele der Bars entlang der Straße haben schon geschlossen. Musik hört man nur noch aus dem „Peaches“. Doch auch hier herrscht Aufbruchstimmung. Die Bar schließt um drei.
Anders vor der „Kantine“, einer Disco am Königsplatz. Die Schlange reicht aus dem Treppenhaus der Disco bis hinaus auf den Gehsteig – fast zehn Minuten dauert es, um am Einlass vorbeizukommen. „Man kommt schon mit gemischten Gefühlen her“, sagt Naemi, 25, aus Augsburg. „Aber wenn alle geimpft oder genesen sind, fühlt es sich sicher an. Und ich bin froh, dass man jetzt wieder feiern gehen kann.“Doch haben längst nicht alle Augsburger Clubs wieder geöffnet. Das „Hallo Werner“beispielsweise, nur wenige Meter von der „Kantine“entfernt, öffnet erst zum 15. Oktober. „Leider haben wir es so kurzfristig nicht geschafft, pünktlich zum 1. Oktober fertig zu sein“, sagt der Betreiber auf Anfrage unserer Redaktion. Die Regeln seien sehr kurzfristig verkündet worden. „Das war uns ehrlich gesagt ein bisschen zu riskant, das Lager zu füllen und Personal anzumelden.“
Die Betreiber der „Kantine“sind das Risiko eingegangen. Die Feiernden schieben sich in kleinen Gruppen durch den Raum. „Die meisten kommen mit Freunden her und bleiben dann auch in der Gruppe“, sagt Naemi. Vor Corona sei das anders gewesen. „Damals war es leichter, andere Menschen kennenzulernen, man ist viel mehr auf neue Menschen zugegangen.“Heute seien die meisten auf ihre Freunde fixiert. „Aber ist ja auch kein Wunder. Wir waren jetzt eineinhalb Jahre mehr oder weniger isoliert, da muss man erst mal wieder lernen, auf neue Menschen zuzugehen.“