Neuburger Rundschau

„Wir brauchen eine Mitglieder­befragung“

Die Abgeordnet­e Jana Schimke kommt aus Ostdeutsch­land. Ihre Partei hat es dort bei der Bundestags­wahl besonders schlimm getroffen. Sie ist sicher: Mit Friedrich Merz an der Spitze wäre das nicht passiert

- Interview: Stefan Lange

Frau Schimke, die CDU hat bei der Bundestags­wahl schlecht abgeschnit­ten, im Osten war es besonders schlimm. Da lag Ihre Partei im Schnitt zehn Punkte unter dem WestWert. Woran lag’s, gab es im Osten besondere Probleme?

Schimke: Im Wesentlich­en waren es die gleichen Gründe. Darüber hinaus würde ich aber schon sagen, dass die Ostdeutsch­en auch 31 Jahre nach der Wiedervere­inigung anders ticken. Wir sind aufmüpfige­r, was auch den Erfahrunge­n in der früheren DDR geschuldet ist. Wir tragen das Herz auf der Zunge und sprechen die Dinge direkt an.

Deshalb könnte man ja trotzdem CDU wählen?

Schimke: Das haben die Menschen auch lange getan. Doch man will auch im Streitfall ernst genommen und nicht in der Zeitung oder den Abendnachr­ichten beschimpft werden. Das klare Wort und die Begegnung auf Augenhöhe werden hier sehr geschätzt. Bleibt das über längere Zeit aus, ist die Reaktion darauf mitunter extrem. Die Menschen wenden sich ab und wählen den Protest.

Sie meinen die AfD?

Schimke: Ja, aber man muss da differenzi­eren. Die Mehrheit der AfDWähler besteht nicht aus Rechtsextr­emen. Es sind Männer und Frauen aus allen Bevölkerun­gsschichte­n, die viel gearbeitet und ihre Leistung für dieses Land erbracht haben. Uns gelingt es seit langem schon nicht mehr, diese Menschen abzuholen. Und damit meine ich die großen politische­n Linien, sei es bei der Energiepol­itik, der inneren Sicherheit oder auch gesellscha­ftspolitis­chen Fragen.

Armin Laschet hatte seinen ersten Wahlkampft­ermin bewusst in den Osten gelegt, nach Frankfurt an der Oder, und den Menschen versproche­n, er könne als Kanzler aus dem Westen mit einem besonderen Blick auf den Osten viel für sie tun. Warum hat das nicht gezündet?

Schimke: Weil wir weder Exoten noch Bedürftige sind. Die Menschen in Deutschlan­d haben den berechtigt­en Anspruch, gut regiert zu werden. Im Osten braucht es wegen der Wirtschaft­sstruktur da möglicherw­eise andere Strategien als in den alten Ländern. Doch am Ende geht es darum, das Land insgesamt voranzubri­ngen. Da brauchen wir klare wirtschaft­spolitisch­e Antworten. Die Frage, wie Ost und West noch enger zusammenwa­chsen können, beantworte ich mit der nötigen Akzeptanz von Unterschie­den, die es nun einmal gibt und die sich durchaus auch in der CDU abbilden dürfen.

Sie und andere aus der CDU fordern einen Neuanfang für die Partei. Wäre Herr Merz – der sich für den Vorsitz ja schon in Stellung gebracht hat – jemand, mit dem das für Ost und West gleicherma­ßen gelingen könnte? Schimke: Herr Merz ist in der alten Bundesrepu­blik sozialisie­rt und sagt das auch ganz klar. Er täuscht nicht vor, denselben Erfahrungs­schatz zu haben wie wir Ostdeutsch­en. Er hört mit einer gewissen Demut auf Augenhöhe zu, respektier­t die Lebensleis­tung der anderen und zeigt Wertschätz­ung dafür. Diese Offenheit, die brauchen wir.

Aber wie soll es bei der CDU weitergehe­n? Muss Herr Laschet zurücktret­en und den Weg für einen Neuanfang frei machen? Und wer sagt es ihm? Jens Spahn hat ja schon mal einen Bundespart­eitag für spätestens Ende Januar ins Spiel gebracht.

Schimke: Wir warten jetzt erst mal die Sondierung­en ab. Unabhängig davon, ob es zu Jamaika kommt oder nicht – wir brauchen eine inhaltlich­e Neuaufstel­lung, die durch glaubwürdi­ge Köpfe vertreten wird. Und wir müssen unseren Mitglieder­n durch die künftige Einbeziehu­ng bei zentralen personalpo­litischen Fragen signalisie­ren, dass ihre Stimme zählt.

Wie das?

Schimke: Wir brauchen als ersten Schritt eine Mitglieder­befragung. Es ist nicht so, dass wir nicht wüssten, was die Basis will, aber die Mitglieder müssen deutlich mehr Einfluss gewinnen. Wenn Entscheidu­ngen gefällt werden, die konträr zum Willen der Mitglieder stehen und man sich immer mehr vom Meinungsbi­ld seiner Anhänger entfernt, führt das zu Frust und Verletzung­en in den eigenen Reihen.

Eine Mitglieder­befragung zu solchen Personalen­tscheidung­en ist aber vom Parteitag schon mal abgebügelt worden. Braucht es am Ende also doch das Votum der Delegierte­n?

Schimke: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das Votum der Mitglieder sollte meines Erachtens schon entscheide­nd sein. Man könnte zunächst die Mitglieder befragen – digital, in den Geschäftss­tellen oder per Brief – und anschließe­nd den Parteitag darüber befinden lassen, in dem sich der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen zur Wahl stellt. Der Neuanfang muss nicht nur für Köpfe, sondern auch für den Umgang miteinande­r gelten. Wir müssen unseren Mitglieder­n zeigen, dass ihre Stimme wieder etwas wert ist.

Jana Schimke, 42, wuchs in Cottbus auf, studierte Politik in Dresden und Berlin. 2003 trat sie in die CDU ein, zehn Jahre später zog sie in den Bundestag ein. Schimke ist Vizevorsit­zende der Mittelstan­ds‰ und Wirtschaft­sunion der CDU.

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Foto: Image Images Die Bundestags­abgeordnet­e Jana Schim‰ ke aus Cottbus engagiert sich in der Mit‰ telstands‰ und Wirtschaft­sunion der CDU.

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