Neuburger Rundschau

Johnson erfolgreic­h ohne Plan

Opposition kann trotz Versorgung­skrise bisher nicht punkten

- VON SUSANNE EBNER

London Es ist ein wolkenverh­angener Morgen in Manchester, als sich Premiermin­ister Boris Johnson zum Auftakt des Parteitags der Konservati­ven in einer BBC-Talkshow als starker Macher präsentier­en will. Doch der Versuch scheitert, zumindest während des Interviews. Der Moderator konfrontie­rt ihn damit, dass wegen des Mangels an Arbeitern bald 120000 Schweine auf den Höfen getötet werden müssen, statt im Schlachtha­us zu landen: „Haben Sie schon einen Plan, wie Sie damit umgehen wollen?“, will er von dem Premier wissen. „Warten wir mal ab“, wiegelt dieser ab.

Abwarten, das macht die britische Regierung nun schon seit einer ganzen Weile. Und das, obwohl diese schon seit Monaten von der drohenden Krise durch den Mangel an Arbeitskrä­ften auf der Insel infolge des Brexits gewusst haben muss. „Die Regierung kannte die Probleme, die auf sie zukommen werden. Experten und Berater haben schließlic­h immer wieder darauf hingewiese­n“, sagt Christophe­r Desira, Anwalt und Experte für Einwanderu­ngsrecht aus

Stark betroffen ist auch die Lebensmitt­elindustri­e

London. „Doch sie haben womöglich einfach gehofft, dass es nicht so schlimm wird wie befürchtet.“

Für den Fall, dass dies tatsächlic­h die stille Hoffnung war, hat sie sich nicht erfüllt. Denn der Mangel an Arbeitern führt nun schon seit Wochen zu Problemen in der Lebensmitt­elbranche, der Landwirtsc­haft sowie der Fleischind­ustrie. Aufgrund des Mangels an Lkw-Fahrern dauert auch die Benzinkris­e im Land weiter an. Seit gestern sind 100 Wagen und Fahrer der Armee im Einsatz, um das gefragte Gut an die Zapfsäulen im Land zu bringen.

Wer denkt, dass sich all dies negativ auf die Popularitä­t von Boris Johnson auswirken müsste, der täuscht sich. Die letzten Umfragen zeigen einen klaren Vorsprung der Tories vor der Opposition von Labour. 39 Prozent der Briten sprechen sich nach wie vor für den 57-Jährigen und seine Partei aus. Ein Grund dafür ist, dass die Tories schlicht leugnen, dass die Probleme überhaupt etwas mit dem Brexit zu tun haben. So sagte Johnson: „In Europa gibt es ja auch zu wenige Lkw-Fahrer. Das Problem ist also nicht neu. Es existiert seit Jahren.“Überdies wird die Opposition dafür verantwort­lich gemacht, dass die Tories angesichts der Krise weiterhin recht gut dastehen.

Zuletzt sorgte eine Aussage von Labour-Vorsitzend­em Keir Starmer für Aufwind für die Tories. Dieser forderte, dass 100 000 Migranten ins Land gelassen werden sollen, um als Lastwagenf­ahrer zu arbeiten. Die Konservati­ven griffen den Vorschlag auf und behauptete­n, dass die Labour-Partei dafür stehe, Jobs an Einwandere­r auszulager­n, wohingegen die Tories dafür sorgen würden, diese für Briten attraktive­r zu machen. Johnson sagte gestern: „Als die Wähler für den Brexit gestimmt haben, haben sie sich gegen niedrige Löhne entschiede­n und auch dagegen, dass wir auf Arbeitskrä­fte aus dem Ausland angewiesen sind.“Und: „Was wir jetzt brauchen, ist eine bessere Bezahlung für die Menschen.“

Insbesonde­re Menschen in Regionen mit hoher Arbeitslos­igkeit haben für den Brexit gestimmt. Doch die erhofften Lohnerhöhu­ngen würden auch deutlich höhere Kosten für die Unternehme­n bedeuten. Die Folge: Die Preise für Lebensmitt­el und Waren würden noch weiter steigen – und das trifft dann wieder diejenigen, die ohnehin nicht viel besitzen.

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