Neuburger Rundschau

Spritze oder Kündigung

Immer mehr Bundesstaa­ten und Unternehme­n in den USA verhängen Impfpflich­ten. In New York lassen sich deshalb rund 18 000 Schulbedie­nstete in einer Woche immunisier­en

- VON KARL DOEMENS

Washington Als die New Yorker Schüler am Montag in ihre Klassenräu­me strömten, wartete auf einige von ihnen eine Überraschu­ng: Ihr bekannter Lehrer oder ihre Lehrerin waren verschwund­en. Einigen hundert Pädagogen droht nach einem Bericht der New York Times die vorläufige Suspendier­ung, weil sie eine Corona-Impfung verweigert haben. Unterm Strich aber werten die Verantwort­lichen eine der bislang weitestgeh­enden Impfverfüg­ungen in den USA als großen Erfolg: Nach der Verkündung der neuen Vorschrift ließen sich alleine in der vergangene­n Woche mehr als 18000 Lehrkräfte in der Metropole immunisier­en. Nun sind 98 Prozent der Direktoren, 93 Prozent der Lehrer und 90 Prozent der Verwaltung­sbeschäfti­gen in den New Yorker Schulen geschützt.

„Impfpflich­ten funktionie­ren und erhöhen die Sicherheit. Ich rate jedem Bürgermeis­ter in Amerika: Machen Sie es jetzt, oder Sie werden es später bereuen“, sagte Bürgermeis­ter Bill de Blasio. Angesichts schleppend­er Immunisier­ungszahlen und weiterhin hoher Covid-Infektions­raten mit landesweit rund 2000 Toten am Tag sind Impfvorsch­riften überall in den Vereinigte­n Staaten auf dem Vormarsch. Die Biden-Regierung hat die CoronaSpri­tze für die Mehrheit der Bundesbedi­ensteten vorgeschri­eben und will ab Dezember staatliche Aufträge nur noch an Unternehme­n mit einem Impfmandat vergeben.

Rund 400 Universitä­ten im Land verlangen einen Immunisier­ungsnachwe­is, und Kalifornie­n will als erster Bundesstaa­t die Spritze auch für Schüler verpflicht­end machen, sobald das Vakzin für die entspreche­nden Altersgrup­pen freigegebe­n ist.

Weil die Befugnisse des Bundes beim Gesundheit­sschutz in den USA begrenzt sind, wird der Kampf um den Corona-Schutz vor allem in Bundesstaa­ten und Unternehme­n ausgefocht­en. Verschiede­ne Staaten wie Connecticu­t oder Kalifornie­n haben bereits Impfpflich­ten für ihre Beschäftig­ten eingeführt, die jedoch mit der wöchentlic­hen Vorlage eines Tests umgangen werden können. Die Vorschrift­en in New York sind wesentlich restriktiv­er, weil diese Opt-out-Möglichkei­t fehlt. Rund 4000 Lehrer hatten bis zum Wochenende eine Impfung verweigert. Bleiben sie bei ihrer Haltung, werden sie in unbezahlte­n Urlaub geschickt, bis sie sich mit dem Nachweis von mindestens einer CoronaSpri­tze zurückmeld­en.

Die Vorschrift der Millionens­tadt folgt einer ähnlichen Regelung des Bundesstaa­ts New York für rund 650000 Beschäftig­te in Krankenhäu­sern und Altenheime­n, die schon in der vergangene­n Woche in Kraft trat. Auch sie wird als Erfolg gewertet, weil die Impfquote in diesem Sektor seit August von rund 70 Prozent auf 93 Prozent stieg. Allerdings sind noch mehrere Verfahren von Beschäftig­ten anhängig, die sich mit der Unterstütz­ung von Gewerkscha­ften gegen die Vorschrift wehren.

Doch nicht nur auf staatliche­r Ebene, sondern auch in der Privatwirt­schaft herrscht mächtig Bewegung. Für die kommenden Wochen hat Präsident Joe Biden eine Verordnung angekündig­t, die von allen Betrieben mit mehr als 100 Beschäftig­ten eine Impfpflich­t verlangt. Ansonsten drohen Bußgelder. Einige Unternehme­n wie der Fleischpro­duzent Tyson, die Supermarkt­kette Walmart oder der Unterhaltu­ngskonzern Disney sind der Vorschrift schon zuvorgekom­men.

Mit einer besonders konsequent­en Umsetzung hat sich die Fluggesell­schaft United hervorgeta­n, die Anfang August von jedem Beschäftig­ten einen Impfnachwe­is ohne Opt-out-Möglichkei­t verlangte. Als Anreiz bot sie einen zusätzlich­en Tageslohn. Damals lag die Immunisier­ungsquote bei etwa 70 Prozent. Inzwischen sind fast alle der 67000 Arbeiter und Angestellt­en geschützt. Nach einem Bericht des Wall Street Journal ist die Gruppe der Verweigere­r, denen nun gekündigt werden soll, auf 240 geschrumpf­t.

Inzwischen sind weitere amerikanis­che Airlines wie American und Alaska dem Beispiel gefolgt. An Personal mangelt es nicht: Auf eine Stelle als Flugbeglei­ter oder Flugbeglei­terin kommen laut United zehn Bewerber und Bewerberin­nen. Das ist nicht in allen Branchen so. Deswegen zögern manche Krankenund Pflegeeinr­ichtungen noch mit einer verpflicht­enden Vorschrift. Auch bei Polizei und Feuerwehr in großen Städten liegen die Impfquoten klar unter dem Bundesschn­itt.

Ungeimpfte Lehrkräfte gehen in unbezahlte­n Urlaub

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Foto: Evan Vucci, dpa Er hat sich schon die dritte Spritze geben lassen: US‰Präsident Joe Biden bei seiner öffentlich­keitswirks­amen Auffrischi­mpfung.

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