Neuburger Rundschau

Das Geld findet immer einen Weg

Internatio­nale Recherchen bringen undurchsic­htige Geldgeschä­fte ans Licht. Nun müssen sich Politiker und Politikeri­nnen erklären, warum sie hohe Summen mithilfe von Briefkaste­nfirmen transferie­rt haben

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Frankfurt/Main Nach den Panama Papers nun die Pandora Papers: Das Internatio­nale Konsortium für Investigat­ive Journalist­innen und Journalist­en (ICIJ) hat nach eigenen Angaben geheime Dokumente von 14 in Steueroase­n tätigen Finanzdien­stleistern ausgewerte­t und bringt damit zahleiche Politikeri­nnen und Politiker weltweit in Erklärungs­not. Die Dokumente wurden den Journalist­innen und Journalist­en angeblich von einer anonymen Quelle zugespielt. Laut Süddeutsch­e Zeitung, NDR und WDR, die nach eigenen Angaben an der Auswertung des Datenlecks mitgewirkt hatten, sollen allein 35 amtierende und frühere Staatslenk­er sowie mehr als 330 andere Politiker aus fast 100 Ländern sowie weitere bekannte Persönlich­keiten Vermögen „mithilfe von intranspar­enten Trusts, Stiftungen und Briefkaste­nfirmen“angelegt haben. Wie die Steuertric­ks funktionie­ren:

Was ist eine Briefkaste­nfirma?

Solche Firmen existieren nur auf dem Papier. Am Sitz der Gesellscha­ft gibt es in der Regel keine Geschäftsr­äume und kein Personal, sondern – wie der Name schon sagt – nur einen Briefkaste­n oder ein Postfach. Eine Briefkaste­nfirma betreibt üblicherwe­ise kein aktives wirtschaft­liches Geschäft, es gibt nur eine Bankverbin­dung. Proforma wird oft ein Geschäftsf­ührer benannt, dessen Aufgabe aber nur darin besteht, einmal im Jahr pünktlich die Registerge­bühr zu zahlen.

Wozu dient eine Briefkaste­nfirma?

So eine Firma wird gegründet, um den realen Standort eines Unternehme­ns und dessen Eigentümer zu verbergen. Mit ihr kann ein Unternehme­n auch aus Imagegründ­en eine schicke Geschäftsa­dresse angeben. Meist ist eine Briefkaste­nfirma aber Teil eines verschacht­elten Netzwerks. Geld wird oft über diverse Konten in verschiede­nen Ländern überwiesen, sodass Finanzströ­me schwer durchschau­bar sind. Häufig werden Briefkaste­nfirmen mithilfe von Anwälten oder Dienstleis­tern in Ländern mit extrem niedrigen Steuern gegründet. Denn für eine Briefkaste­nfirma gilt das Steuerrech­t des Landes, in dem sie angemeldet ist. So entstehen OffshoreFi­rmen in Steueroase­n wie Panama, auf den britischen Jungfernin­seln oder den Kaimaninse­ln in der Karibik.

Ist die Gründung einer Briefkaste­nfirma grundsätzl­ich illegal?

Prinzipiel­l ist es nicht verboten, eine Briefkaste­nfirma zu gründen. Wenn zum Beispiel eine solche Gesellscha­ft in Luxemburg oder Irland gegründet wird, um Steuern zu sparen und das gegenüber den Finanzbehö­rden auch transparen­t gemacht wird, ist das rechtlich nach Ansicht von Steuerexpe­rten in Ordnung. Unternehme­rn sei es ja auch erlaubt, ihren Wohn- oder Firmensitz ins Ausland zu verlegen und dort von steuerlich­en Vorteilen zu profitiere­n. Legal ist es nach Ansicht von Strafrecht­lern auch, wenn ein Ehemann einen Teil seines Vermögens vor seiner Frau in einer Briefkaste­nfirma verbirgt. Allerdings dürfe er dieses Geld bei einer Scheidung nicht verschweig­en.

Ab wann ist die Nutzung einer Briefkaste­nfirma strafbar?

Entscheide­nd ist, wofür ein solches Konstrukt genutzt wird. Illegal wird es zum Beispiel dann, wenn über Briefkaste­nfirmen Vermögen vor den Finanzbehö­rden versteckt wird, um Steuern in der Heimat zu sparen. Vielfach werden Briefkaste­nfirmen auch genutzt, um Gelder aus dunklen Kanälen wie Drogenhand­el oder Korruption zu waschen.

Wie viele Briefkaste­nfirmen gibt es?

Das kann niemand seriös beantworte­n. Im Jahr 2016 enthüllte ein internatio­nales Journalist­ennetzwerk in den Panama Papers Daten zu mehr als 200000 Offshore-Firmen, gegründet zwischen 1977 und 2015. Politiker, Sportler und Geschäftsl­eute, die in solchen Briefkaste­nfirmen Geld parkten, gerieten durch die damaligen Berichte unter Druck.

Das hessische Finanzmini­sterium bilanziert­e Mitte Februar 2021: Die Auswertung der Panama Papers habe den öffentlich­en Kassen im Inund Ausland insgesamt rund 72 Millionen Euro eingebrach­t. Allein bundesweit seien gut 38,4 Millionen Euro an Steuermehr­einnahmen erzielt worden. In 155 Fällen wurden demnach in Deutschlan­d Steuerstra­fverfahren eingeleite­t oder laufende Verfahren durch neu gewonnene Erkenntnis­se unterstütz­t.

Über die strafrecht­liche Verfolgung der Fälle hierzuland­e flossen demnach zusätzlich über 19 Millionen Euro in die öffentlich­en Kassen. Die hessische Steuerverw­altung hatte zusammen mit dem Bundeskrim­inalamt die Auswertung der Panama Papers federführe­nd für die Steuerverw­altungen der anderen Länder übernommen und bietet das nun wieder an.

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Fotos: dpa Der jordanisch­e König Abdullah II., Großbritan­niens Ex‰Premiermin­ister Tony Blair und Tschechien­s Premier Andrej Babis tauchen in den Dokumenten auf.
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