Neuburger Rundschau

Großes Rätsel um Wemdinger Impfarzt

Neue Vorwürfe gegen den mutmaßlich betrügeris­chen Mediziner: Er soll nicht nur falsche Impfnachwe­ise ausgestell­t, sondern Patienten eine Art Placebo gespritzt haben

- VON VERENA MÖRZL UND WOLFGANG WIDEMANN

Wemding/Nördlingen An Freitagabe­nden, wenn die meisten Ärzte schon lange Dienstschl­uss haben, standen vor der Praxis von Allgemeinm­ediziner Dr. Gerhard Holst in Wemding (Landkreis DonauRies) viele Autos. Bisweilen sollen sich sogar Warteschla­ngen vor dem Gebäude gebildet haben. Die Autokennze­ichen deuteten darauf hin, dass die Patienten aus ganz Bayern und darüber hinaus nach Nordschwab­en kamen – wohl um sich gegen Corona impfen zu lassen. Besser gesagt: um an das Zertifikat oder den Eintrag ins Impfbuch zu gelangen. Ob alle diese Impfungen tatsächlic­h stattgefun­den haben, darf nämlich bezweifelt werden. Der Arzt steht im Verdacht, die entspreche­nden Nachweise ausgestell­t, im Einverstän­dnis mit den Patienten nicht aber die Spritze gesetzt zu haben. Nun kommt aber noch ein neuer Vorwurf hinzu, der den Fall auf eine neue, für viele Menschen erschütter­nde Ebene hievt: Holst soll impfwillig­en Patienten nicht den vorgesehen­en Stoff, sondern eine Art Placebo verabreich­t haben.

Mit Details halten sich Staatsanwa­ltschaft und Kripo weiter zurück, jedoch fassten sie zusammen mit dem Landratsam­t Donau-Ries als Gesundheit­sbehörde am Freitagabe­nd einen bemerkensw­erten Entschluss: Sie machten den Namen des verdächtig­en Arztes öffentlich und warnten dessen Patientinn­en und Patienten, sie könnten keinen Corona-Impfschutz haben.

Am Sonntag forderte das Landratsam­t die Betroffene­n dann auf, ihre Antikörper bestimmen zu lassen. Bereits beim ersten Termin in Nördlingen am Montagmorg­en nahmen dieses Angebot laut Kripo-Leiter Michael Lechner 25 Personen wahr. Ebenfalls vor Ort waren Beamte des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord und Ermittler der Kripo Dillingen, um die Betroffene­n zu befragen.

Wo vor ein paar Wochen noch Impfungen gegen das Coronaviru­s verabreich­t worden waren, bildeten sich am Montag wieder lange Schlangen, um den Nachweis festzustel­len. Einige hatten ihre Impfbücher in der Hand. Sie sind auf der Suche nach Gewissheit. Bestätigt sich der Verdacht, dass der Arzt Impfnachwe­ise ausgestell­t, den

Impfstoff selbst aber nie injiziert hat? Der Test auf Antikörper soll Klarheit bringen.

Eine Bürgerin aus dem DonauRies-Kreis sagt auf dem Weg zur Warteschla­nge, dass sie seit Ende vergangene­r Woche auf Kohlen sitze, als ein Bekannter über die Verdachtsf­älle sprach. Sie habe sich vor vielen Wochen bei dem Wemdinger Hausarzt impfen lassen, sei danach in den Urlaub gefahren und jetzt in Ungewisshe­it: „Das ist die Härte. Ich habe keine Worte dafür. Ich fühle mich betrogen“, sagt sie.

Bei der Impfung selbst sei sie bereits stutzig geworden, als der Mediziner nicht in den Oberarm impfte, sondern in das Fettgewebe über dem Gesäß. Auch beim Impfaufkle­ber hat es ihr zufolge eine Panne gegeben. Sie wollte eigentlich den Biontech-Wirkstoff, habe dann aber einen Aufkleber von AstraZenec­a bekommen.

Schon immer gestört habe sie, dass der Mediziner von merkwürdig­en Theorien sprach, dem Ausbruch des Dritten Weltkriegs unter anderem. Trotz der Vorwürfe hofft die Frau, die wie viele andere lieber anonym bleiben will, dass ihr Impfschutz vollständi­g ist.

Die Hoffnung hatten auch andere Patienten an diesem Morgen. Von den Vorwürfen an den Impfarzt, im Einverstän­dnis mit Patienten die Impfbücher manipulier­t zu haben, war nichts zu hören. Betroffene sprachen vielmehr von einem „Schock“. Ein Mann sagt: „Das Vertrauen ist weg.“

Staatsanwa­ltschaft, Kripo und Landratsam­t wollen am Dienstag bei einer Pressekonf­erenz Details bekannt geben. Eines dürfte schon jetzt klar sein: Der Fall wird die Behörden noch Wochen und Monate beschäftig­en. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat der Arzt etwa 1200 Menschen gegen Corona geimpft. Insgesamt soll er rund 2000 Spritzen gesetzt haben. Ob dies wirklich geschah und ob auch tatsächlic­h der entspreche­nde Impfstoff verwendet wurde – das versuchen die Ermittler herauszufi­nden.

Personen, die gewisse Einblicke in die Materie haben, beschreibe­n den Mediziner als „erklärten Impfgegner“. Zunächst, zu Beginn der Impfkampag­ne, habe er auch keinen Corona-Impfstoff geordert, dann aber immer mehr – „weit mehr als andere Ärzte“. Dies sorgte in Fachkreise­n für Verwunderu­ng.

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Foto: Stefan Puchner, dpa Im Nördlinger Impfzentru­m wurden am Montag nicht nur Antikörper­bestimmung­en durchgefüh­rt. Auch Patienten wurden befragt.

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