Großes Rätsel um Wemdinger Impfarzt
Neue Vorwürfe gegen den mutmaßlich betrügerischen Mediziner: Er soll nicht nur falsche Impfnachweise ausgestellt, sondern Patienten eine Art Placebo gespritzt haben
Wemding/Nördlingen An Freitagabenden, wenn die meisten Ärzte schon lange Dienstschluss haben, standen vor der Praxis von Allgemeinmediziner Dr. Gerhard Holst in Wemding (Landkreis DonauRies) viele Autos. Bisweilen sollen sich sogar Warteschlangen vor dem Gebäude gebildet haben. Die Autokennzeichen deuteten darauf hin, dass die Patienten aus ganz Bayern und darüber hinaus nach Nordschwaben kamen – wohl um sich gegen Corona impfen zu lassen. Besser gesagt: um an das Zertifikat oder den Eintrag ins Impfbuch zu gelangen. Ob alle diese Impfungen tatsächlich stattgefunden haben, darf nämlich bezweifelt werden. Der Arzt steht im Verdacht, die entsprechenden Nachweise ausgestellt, im Einverständnis mit den Patienten nicht aber die Spritze gesetzt zu haben. Nun kommt aber noch ein neuer Vorwurf hinzu, der den Fall auf eine neue, für viele Menschen erschütternde Ebene hievt: Holst soll impfwilligen Patienten nicht den vorgesehenen Stoff, sondern eine Art Placebo verabreicht haben.
Mit Details halten sich Staatsanwaltschaft und Kripo weiter zurück, jedoch fassten sie zusammen mit dem Landratsamt Donau-Ries als Gesundheitsbehörde am Freitagabend einen bemerkenswerten Entschluss: Sie machten den Namen des verdächtigen Arztes öffentlich und warnten dessen Patientinnen und Patienten, sie könnten keinen Corona-Impfschutz haben.
Am Sonntag forderte das Landratsamt die Betroffenen dann auf, ihre Antikörper bestimmen zu lassen. Bereits beim ersten Termin in Nördlingen am Montagmorgen nahmen dieses Angebot laut Kripo-Leiter Michael Lechner 25 Personen wahr. Ebenfalls vor Ort waren Beamte des Polizeipräsidiums Schwaben Nord und Ermittler der Kripo Dillingen, um die Betroffenen zu befragen.
Wo vor ein paar Wochen noch Impfungen gegen das Coronavirus verabreicht worden waren, bildeten sich am Montag wieder lange Schlangen, um den Nachweis festzustellen. Einige hatten ihre Impfbücher in der Hand. Sie sind auf der Suche nach Gewissheit. Bestätigt sich der Verdacht, dass der Arzt Impfnachweise ausgestellt, den
Impfstoff selbst aber nie injiziert hat? Der Test auf Antikörper soll Klarheit bringen.
Eine Bürgerin aus dem DonauRies-Kreis sagt auf dem Weg zur Warteschlange, dass sie seit Ende vergangener Woche auf Kohlen sitze, als ein Bekannter über die Verdachtsfälle sprach. Sie habe sich vor vielen Wochen bei dem Wemdinger Hausarzt impfen lassen, sei danach in den Urlaub gefahren und jetzt in Ungewissheit: „Das ist die Härte. Ich habe keine Worte dafür. Ich fühle mich betrogen“, sagt sie.
Bei der Impfung selbst sei sie bereits stutzig geworden, als der Mediziner nicht in den Oberarm impfte, sondern in das Fettgewebe über dem Gesäß. Auch beim Impfaufkleber hat es ihr zufolge eine Panne gegeben. Sie wollte eigentlich den Biontech-Wirkstoff, habe dann aber einen Aufkleber von AstraZeneca bekommen.
Schon immer gestört habe sie, dass der Mediziner von merkwürdigen Theorien sprach, dem Ausbruch des Dritten Weltkriegs unter anderem. Trotz der Vorwürfe hofft die Frau, die wie viele andere lieber anonym bleiben will, dass ihr Impfschutz vollständig ist.
Die Hoffnung hatten auch andere Patienten an diesem Morgen. Von den Vorwürfen an den Impfarzt, im Einverständnis mit Patienten die Impfbücher manipuliert zu haben, war nichts zu hören. Betroffene sprachen vielmehr von einem „Schock“. Ein Mann sagt: „Das Vertrauen ist weg.“
Staatsanwaltschaft, Kripo und Landratsamt wollen am Dienstag bei einer Pressekonferenz Details bekannt geben. Eines dürfte schon jetzt klar sein: Der Fall wird die Behörden noch Wochen und Monate beschäftigen. Nach Informationen unserer Redaktion hat der Arzt etwa 1200 Menschen gegen Corona geimpft. Insgesamt soll er rund 2000 Spritzen gesetzt haben. Ob dies wirklich geschah und ob auch tatsächlich der entsprechende Impfstoff verwendet wurde – das versuchen die Ermittler herauszufinden.
Personen, die gewisse Einblicke in die Materie haben, beschreiben den Mediziner als „erklärten Impfgegner“. Zunächst, zu Beginn der Impfkampagne, habe er auch keinen Corona-Impfstoff geordert, dann aber immer mehr – „weit mehr als andere Ärzte“. Dies sorgte in Fachkreisen für Verwunderung.