MedizinNobelpreis für USWissenschaftler
Grundlagen-Forschung der Wahrnehmung wird geehrt
Stockholm Für die Entdeckung von Zellrezeptoren, über die wir die Temperatur und Berührungen wahrnehmen, erhalten David Julius (USA) und der im Libanon geborene und in den USA lebende Forscher Ardem Patapoutian den diesjährigen Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Das teilte das KarolinskaInstitut am Montag in Stockholm mit. Die Entdeckungen der Forscher „haben es ermöglicht zu verstehen, wie Wärme, Kälte und mechanische Kräfte die Nervenimpulse auslösen, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum wahrzunehmen und uns an sie anzupassen“, hieß es vom Komitee. Das Wissen habe zu neuen Behandlungsmöglichkeiten für chronische Schmerzen und andere Krankheiten geführt. Vor den Entdeckungen sei unklar gewesen, wie Temperatur und mechanische Reize vom Nervensystem in elektrische Impulse umgewandelt werden, erläuterte das Nobelkomitee.
In den späten 1990er Jahren hatte David Julius an der University of California (San Francisco) seine Arbeiten mit Capsaicin begonnen, dem feurigen Inhaltsstoff von Chilischoten. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits bekannt gewesen, dass Capsaicin bei Kontakt Schmerzrezeptoren aktiviert – aber wie genau, war unklar. Mit seinem Team baute Julius – geboren 1955 in New York – nacheinander einzelne, in Nervenzellen aktive Gene in Zellen ein, die normalerweise nicht auf Capsaicin reagieren. Auf diese Weise identifizierten die Forscher ein Gen, das Zellen empfindlich für Capsaicin macht. Weitere Forschungen zeigten, dass das Gen den Bauplan für ein Eiweiß liefert, das als Ionenkanal in Zellwänden sitzt. Ionenkanäle sind eine Art Tunnel in den Zellwänden, die für die Weiterleitung von Nervensignalen wichtig sind.
Die Forscher hatten einen Rezeptor identifiziert, der auf schmerzhafte Hitze reagiert. Der Rezeptor bekam den Namen TRPV1. Nachfolgend wurden weitere, verwandte Rezeptoren entdeckt, auch vom zweiten Preisträger, Ardem Patapoutian, der die US-Staatsbürgerschaft besitzt. Patapoutian beschäftigte sich vorrangig mit der Frage, wie Druck und Berührungen vom Körper wahrgenommen werden.
Seit 2000 arbeitet Patapoutian bei einer führenden biomedizinischen Forschungseinrichtung im kalifornischen La Jolla. Ein Team um Patapoutian hatte Zellen untersucht, die auf Berührungen mit einer Pipette mit elektrischen Signalen reagierten. Die Wissenschaftler schalteten nacheinander Gene aus, bis sie das Gen gefunden hatten, das für die Wahrnehmung der Berührung zuständig ist. Es bildet ebenfalls einen Ionenkanal, nach dem griechischen Wort für Druck Piezo1 genannt. Etwas später folgte die Entdeckung von Piezo2, einem weiteren druckempfindlichen Ionenkanal. Er ist auch für die Wahrnehmung von Bewegung und der Körperposition im Raum zuständig. Beide Rezeptoren sind an der Regulierung von wichtigen Körperfunktionen beteiligt, etwa dem Blutdruck, der Atmung und der Kontrolle der Harnblase.
Die Forscher Julius und Patapoutian teilen sich die in diesem Jahr mit rund 980000 Euro dotierte Auszeichnung.