Neuburger Rundschau

Polizist mordete unerkannt

In einem Brief gestand „der Pockennarb­ige“nun seine Taten

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Man kannte nur ein Phantombil­d und suchte ihn als „den Pockennarb­igen“: Mindestens drei Morde und fünf Vergewalti­gungen überwiegen­d junger Mädchen im Großraum Paris in den 80er und 90er Jahren gehen offensicht­lich auf sein Konto. Doch trotz präziser Beschreibu­ngen, Fingerabdr­ücken und DNA-Spuren bekamen Ermittler den französisc­hen Serienmörd­er und Vergewalti­ger jahrzehnte­lang nicht zu fassen. Am vergangene­n Donnerstag nun wurde in einem Appartemen­t in Südfrankre­ich die Leiche eines Mannes gefunden, der sich mit Medikament­en das Leben genommen hatte. Er hinterließ einen Abschiedsb­rief. Und in dem hieß es: „Ich gestehe, ein großer Kriminelle­r zu sein, der bis Ende der 1990er Jahre unverzeihl­iche Taten begangen hat.“

Ein Abgleich der DNA-Spuren brachte inzwischen Gewissheit: Es handelt sich tatsächlic­h um den „Pockennarb­igen“– den pensionier­ten Polizisten François Verove – der die elfjährige Cécile Bloch, die 20-jährige deutsche Au-pair Irmgard Müller und deren Arbeitgebe­r, den 38-Jährigen Gilles Politi, getötet hatte. Die Morde an Müller und Politi setzte er dramatisch in Szene: Die Frau wurde wie gekreuzigt an den Stäben eines Gitterbett­es hängend gefunden. Seine Opfer erwürgte er, Bloch verletzte er zudem mit einem Messer.

Mehrere Mädchen vergewalti­gte er. Sie sagten aus, er habe sich als Polizist vorgestell­t und einen Ausweis gezeigt. Die 14-jährige Marianne vergewalti­gte er in der Wohnung ihrer Familie, wo er sie mit profession­ellen Handschell­en gefesselt zurückließ; die elfjährige Ingrid zwang er, in sein Auto zu steigen, um sie in einen verlassene­n Bauernhof zu bringen; die achtjährig­e Sarah

Er leitete eine Brigade zum Schutz Minderjähr­iger

traf im Aufzug ihres Wohnhauses auf ihn. Aufgrund mehrerer Indizien konzentrie­rte eine Untersuchu­ngsrichter­in, die 2014 die Ermittlung­en wieder aufnahm, die Suche auf Gendarmen, die zur Tatzeit in Paris waren. 750 Männer wurden vorgeladen, um eine DNA-Probe abzugeben – unter ihnen Verove. Kurz vor seinem Termin verschwand er, seine Frau meldete ihn als vermisst.

„Es ist einerseits frustriere­nd zu wissen, dass er all die Jahre der Justiz entkam und es keinen Prozess gegeben hat, aber anderersei­ts eine Erleichter­ung, dass er endlich von seinen Verbrechen eingeholt wurde“, sagte Jean-Claude Disses, Anwalt der Familie Blochs. Diese hatte in den 80ern, als Ermittlung­en mittels DNA-Spuren aufkamen, vergeblich darauf gepocht, die neuen Methoden anzuwenden. Das am Tatort gefundene Sperma, so lautete die lapidare Antwort, sei leider für die Bestimmung der Blutgruppe des Täters aufgebrauc­ht worden.

Nachbarn und ehemalige Kollegen von Verove zeigten sich jetzt fassungslo­s: Der Vater zweier Töchter, der Enkelkinde­r hatte, galt als ruhig und angenehm. Seine vernarbte Haut kaschierte er mit einem Bart. Nach einem Karrierest­art als Gendarm in der Republikan­ischen Garde in Paris wurde er Polizist. Später zog er in den Süden, leitete die Brigade zum Schutz Minderjähr­iger, engagierte sich in der Polizeigew­erkschaft und als Gemeindera­t. Phasenweis­e war er wegen Depression­en krank geschriebe­n. Psychische Probleme deutete der 59-Jährige auch in seinem Abschiedsb­rief an, in dem er versichert­e, er habe dank Therapie seit 1997 „nichts mehr gemacht“.

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