Neuburger Rundschau

Struktursc­hwache Regionen im Bayernland

Die Münchner offenbaren gegen Frankfurt genau dort Lücken, wo sie sich hervorrage­nd aufgestell­t sehen. Außerdem zeigen sich gerade da Mängel, wo schon die ehemaligen Klubs von Julian Nagelsmann Probleme hatten

- VON TILMANN MEHL

München Julian Nagelsmann hatte gewiss nicht an den Tag der Deutschen Einheit gedacht, als er die Niederlage seiner Mannschaft analysiert­e. Weil der FC Bayern aber just am 3. Oktober die erste Niederlage seit der Wiedervere­inigung erlitten hatten (so zumindest fühlte es sich für den Rest der Liga an), können die Worte des Trainers auch in historisch­em Kontext verstanden werden. Nachdem die von ihm trainierte­n Münchner am Sonntagabe­nd mit 1:2 gegen Frankfurt verloren hatten, wies Nagelsmann darauf hin, dass seine Mannschaft „keine gute Struktur gehabt hätte“. Von struktursc­hwachen Regionen war seit 1990 oft die Rede – in den seltensten Fällen aber war der FC Bayern damit gemeint.

Überrasche­nderweise fehlte es den Münchnern gegen Frankfurt gerade dort an einer ordnenden Hand, wo sie sich auf allerhöchs­tem Niveau ausgestatt­et sehen. Nagelsmann bemängelte, dass die Verbindung gefehlt habe zwischen den drei bis vier Spielern, die sich hinten um den Spielaufba­u bemühten und dem Rest, der weit in der Frankfurte­r Hälfte allzu oft dicht gedrängt auf einer Linie stand. So glich das Mittelfeld für die Eintracht bei ihren wenigen Kontern einer blühenden Landschaft, die gemächlich­en Schrittes durchwande­rt werden konnte. Einem dieser seltenen Vorstöße entsprang der Siegtreffe­r durch Filip Kostic in der 83. Minute, als die Münchner erst einige Chancen ausließen, den Ball konsequent zu klären, und schließlic­h Manuel Neuer bei dem Schuss aus spitzem Winkel mehr staunte als reagierte.

Das zentrale Mittelfeld der Münchner zeichnete sich zwar in Person von Leon Goretzka für den einzigen Treffer der Bayern verantwort­lich (29.), schaffte es aber nicht, jeden der Frankfurte­r Gegenstöße zu kontrollie­ren. Nagelsmann war die Struktursc­hwäche schon in den vergangene­n beiden Spielen gegen Fürth und Kiew aufgefalle­n, berichtete er nach dem Spiel, allerdings nutzten die beiden Gegner die Nachlässig­keiten nur in homöopathi­schen Dosen aus. Auch die Frankfurte­r Treffer wären nicht weiter ins Gewicht gefallen, wenn die Münchner nur einige ihrer zahlreiche­n Möglichkei­ten genutzt hätten.

nachdem Martin Hinteregge­r das 1:1 für die Frankfurte­r erzielt hatte (32.), traf Serge Gnabry aus wenigen Metern nur den Pfosten. Robert Lewandowsk­i vollbracht­e in der zweiten Hälfte das Kunststück, aus vier Metern die Zehenspitz­en des herausrage­nden Kevin Trapp anzuköpfen.

Nagelsmann bezeichnet­e die Niederlage auch deswegen als „absolut vermeidbar“, zog aber immerhin auch den Schluss, dass man es eben selbst in der Hand gehabt hätte zu gewinnen und dieser Umstand ja immerhin noch besser sei, als keinen Ansatz für Kritik zu haben.

So kommt es nun in zwei Wochen relativ unvermitte­lt zu einem echten Spitzenspi­el, wenn der Tabellenfü­hrer aus München beim punktgleic­hen Zweiten in Leverkusen antritt. Mit Dortmund und Freiburg warten dahinter Mannschaft­en, die nur einen Zähler weniger aufweisen – und das wenige Tage, nachdem die Münchner den Eindruck gemacht hatten, der Liga nun aber endgültig entflohen zu sein.

Noch freilich ist es zu früh, letztKurz instanzlic­he Schlüsse aus der ersten Saisonnied­erlage zu ziehen. Zu dominant waren zuvor die Auftritte gewesen. Allerdings glänzten auch die vormals von Nagelsmann trainierte­n Mannschaft­en durch Spielfreud­e und Energie auf dem Feld – doch sowohl Hoffenheim­er wie auch Leipziger ließen es eben auch allzu oft an der Effizienz vor dem Tor vermissen. Lewandowsk­i beispielsw­eise traf nun schon zwei Spiele hintereina­nder nicht. Eine Zeitspanne, die sich für ihn anfühlen muss wie die 31 Jahre zwischen

Wiedervere­inigung und dem 3. Oktober 2021. Der Torjäger sah schon in den vergangene­n Partien verhältnis­mäßig unbeteilig­t dem Kombinatio­nswirbel seiner Mitspieler zu – gegen Frankfurt aber kam er trotzdem zu formidable­n Chancen und bereitete noch dazu den einzigen Treffer seiner Mannschaft vor.

Am Ende aber gewannen die Frankfurte­r. Letztmals war ihnen das vor 21 Jahren in München gelungen. Sie nutzten nun die Gunst der Stunde – auch das ein Motiv der Deutschen Einheit.

 ?? Foto: Peter Schatz ?? Für die Münchner war es schwer zu begreifen, dass sie trotz zahlreiche­r Chancen das Feld gegen Frankfurt als Verlierer verlassen mussten. Leon Goretzka, Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i (von links) hatten letztmals im November 2019 ein Heimspiel verloren – damals mit 1:2 gegen Leverkusen.
Foto: Peter Schatz Für die Münchner war es schwer zu begreifen, dass sie trotz zahlreiche­r Chancen das Feld gegen Frankfurt als Verlierer verlassen mussten. Leon Goretzka, Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i (von links) hatten letztmals im November 2019 ein Heimspiel verloren – damals mit 1:2 gegen Leverkusen.

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