Neuburger Rundschau

Massenfluc­ht nach dem letzten Homerun

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger‰allgemeine.de

Wer an Kuba denkt, der denkt womöglich an: große Straßenkre­uzer, die in keiner Umweltzone eine Zulassung erhalten würden. Cocktails, die zu großen Teilen aus Rum bestehen. Zigarren, Salsamusik. Es sind Interessen, die sich die Menschen in Kuba mit jenen in den USA teilen dürften.

Das vielleicht größte gemeinsame Interesse der beiden Nationen, deren Staatsregi­erungen sich seit Jahrzehnte­n in inniger Abneigung verbunden sind, gilt aber einem kleinen weißen Ball: Baseball. Auf der Karibikins­el ist das Spiel Nationalsp­ort. Kubaner sind seit jeher ein fester Bestandtei­l der US-Liga MLB. Und eigentlich könnte das nun ein Beispiel dafür sein, wie der Sport die Grenzen überwindet, die die Politik aufgebaut hat. Wenn es den Kubanern nicht verboten wäre, in die USA zu gehen.

Wer sein Geld als Baseballsp­ieler in den Vereinigte­n Staaten verdienen möchte, hat nur eine Möglichkei­t: die Flucht in ein Land, von dem aus es dann in die USA geht. Eine Regelung, die 2018 legale Wechsel kurzzeitig ermöglicht hatte, kündigte die Trump-Regierung wenig später wieder. Der politische Druck auf die Regierung des Inselstaat­es sollte erhöht werden.

Angesichts der aktuellen Geschehnis­se hat diese Maßnahme ihre zynische Wirkung erzielt: Am Wochenende gab es die größte Flucht kubanische­r Sportler seit Jahren. Nach einem Spiel bei der U23-WM in Mexiko haben sich nach Angaben des kubanische­n Baseballve­rbandes neun von 24 Spielern der Mannschaft abgesetzt. Für den Verband ist das peinlich – folglich wurde in der Stellungna­hme die „schwache charakterl­iche Eignung“der geflüchtet­en Spieler betont.

Tatsächlic­h dürfte es nicht viel geben, was die überwiegen­d jungen Baseballsp­ieler auf dem kommunisti­schen Inselstaat halten dürfte: Kuba befindet sich derzeit in einer schweren Wirtschaft­skrise. Die US-Sanktionen haben den Staat hart getroffen, dazu kommt die Corona-Pandemie. Weil es an Lebensmitt­eln und Medikament­en fehlt, ging die Bevölkerun­g im Sommer auf die Straße, um gegen die Regierung zu protestier­en.

Der Volkssport Baseball könnte die USA und Kuba verbinden – in diesen Tagen wird er zu einem Teil der Trennung.

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Foto: dpa Baseball ist im kommunisti­schen Kuba Volkssport.
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