Viel Lob für den Unberücksichtigten
Kevin Trapp zeigt gegen die Bayern eine Weltklasseleistung. Dem Bundestrainer reicht das aber offenbar nicht, denn der hat drei andere Torhüter für das nächste Länderspiel nominiert
Hamburg/München Sogar der geschlagene Bayern-Torwart Manuel Neuer kam bei Kevin Trapp vorbei und gratulierte seinem DFB-Kollegen zur Weltklasseleistung. Ein Lippenleser hätte vielleicht enthüllt, was Bundestrainer Hansi Flick auf der Tribüne zu seinem Assistenten Danny Röhl sagte. Beide dürften auch über Trapp gestaunt haben. „Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich weiß, was ich imstande bin zu leisten“, sagte der 31-Jährige.
Der Matchwinner beim überraschenden Frankfurter 2:1-Sieg bei Tabellenführer FC Bayern (siehe dazu auch oben stehenden Artikel) wollte aber nicht von Genugtuung sprechen. Schon gar nicht gegenüber dem Bundestrainer. Eigentlich wollte Flick vor dem Treffpunkt der Nationalmannschaft am Montagabend in Hamburg beim Abstecher in die Münchner Fußball-Arena seinen großen Bayern-Block noch einmal in Länderspielform sehen. Doch diese zeigte dann ausgerechnet einer, den Flick für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele gegen Rumänien und Nordmazedonien gar nicht eingeladen hat.
Trapp brachte die Bayern-Angreifer um Torjäger Robert Lewandowski mit seinen Paraden schier zur Verzweiflung. „Ich glaube nicht, dass er deswegen noch anruft und sagt, jetzt darfst du doch kommen“, bemerkte Trapp süßsauer Richtung Flick. Er verbarg nicht seine Enttäuschung darüber, dass er im Aufgebot fehlt, während der beim FC Arsenal zum Reservisten zurückgestufte Bernd Leno, 29, als dritter Keeper neben Kapitän Manuel Neuer, 35, und Rückkehrer Marc-André ter Stegen, 29, dabei sein darf. „Wir haben gesprochen“, berichtete Trapp vom Austausch mit Flick vor der aktuellen Nominierung: „Klar bin ich enttäuscht. Aber jeder weiß auch, dass ich weiter versuche, meine Leistung zu bringen, dass ich mein Ziel erreiche, wieder Teil der Nationalmannschaft zu sein.“
Die Torhüterposition ist ein gutes Beispiel, um aufzuzeigen, was sich unter Flick gerade in der Führung der Nationalmannschaft ändert. Der 56-Jährige eiert gegenüber seinen Spielern nicht herum wie oftmals sein Vorgänger Joachim Löw. Flick formuliert klare Rangfolgen, Flick benennt intern den Status quo. „Manuel Neuer ist bei uns die Nummer 1 vor Marc-André ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp. Das haben wir den Spielern auch klar so kommuniziert, damit jeder weiß, wo er augenblicklich steht“, sagte der Bundestrainer im Kicker.
Flicks Ranking bestärkt – wenig überraschend – Platzhirsch Neuer. Flick ist bekennender Fan des für ihn „weltbesten Torhüters“, der schon in seiner Zeit als Trainer beim FC Bayern unantastbar war. Der ehrgeizige Neuer möchte weiterhin am liebsten jedes Länderspiel bestreiten. An diesem Freitag (20.45 Uhr/RTL) steht der Kapitän in Hamburg gegen Rumänien vor seinem 107. Einsatz. Und ein Ende seiner Laufbahn im DFB-Tor sieht Neuer nicht.
Frustriert dürfte auch ter Stegen das alles aufgenommen haben, der wegen einer Operation am Knie die Europameisterschaft im Sommer verpasste. Seit neun Jahren ist er inzwischen Nationaltorwart und gerade mal auf 25 Einsätze im DFB-Tor gekommen; der letzte übrigens beim blamablen 1:2 gegen die Nordmazedonier vor einem halben Jahr in Duisburg (noch unter Löw).