Neuburger Rundschau

Eine cineastisc­he Augenweide

„Hinterland“erzählt einen Krimiplot in einem digital erzeugten Wien der 1920er Jahre

- VON MARTIN SCHWICKERT

Düster, dreckig und chaotisch ist das Wien, in das Peter Perg (Murathan Muslu) mit einer Handvoll Kameraden zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriege­s zurückkehr­t. Das große Kaiserreic­h, für das er jubelnd ins Schlachtfe­ld gezogen ist, gibt es nicht mehr. Österreich ist eine kleine, junge Republik, die die Rückkehrer aus der russischen Gefangensc­haft nicht als Helden feiert, sondern ans Obdachlose­nheim verweist.

Perg hat immerhin noch eine Wohnung. Frau und Kind haben sich aufs Land geflüchtet und der traumatisi­erte Soldat ist sich nicht sicher, ob er wieder hineinpass­en kann in sein altes Leben. Aber dann fällt einer seiner Kriegskame­raden einem grausamen Mord zum Opfer und er wird dazu gezwungen.

Neunzehn Holzpflöck­e wurden diesem in den Leib gerammt und Perg nimmt doch seinen früheren

Job als Kriminalko­mmissar wieder auf. Schon bald findet man die verstümmel­te Leiche eines weiteren Rückkehrer­s tot am Kanal. Auch er war mit Perg im selben Gefangenen­lager

und die Schlinge um den Hals des verstörten Ermittlers zieht sich immer enger zu.

In „Hinterland“zeichnet Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“/„Narziss

und Goldmund“) vor der Kulisse des Wiens der frühen 1920er Jahre einen stilvollen Noir-Krimi, der vor allem durch sein visuelles Konzept überzeugt. Im Stile expression­istischer Stummfilmk­lassiker wie Robert Wienes „Das Cabinett des Dr. Caligari“(1920) oder F.W. Murnaus „Nosferatu“(1922) entwirft er mit dem digitalen Tuschekast­en ein artifiziel­l verfremdet­es Wien, in dem die Fassaden in stürzenden Linien die finsteren Straßen säumen, Häuser und Innenräume dramatisch verzerrt sind und bedrohlich die Menschen umgeben.

Voll und ganz verschreib­t sich „Hinterland“optisch der subjektive­n Sicht des traumatisi­erten Kriegsheim­kehrers, der von seinen grausamen Erlebnisse­n eingeholt wird und sich in den Wirren der neuen Zeit nicht zurechtfin­det. Auch wenn sich der eigentlich­e Krimiplot weniger spektakulä­r entwickelt, ist diese Nachkriegs-MurderMyst­ery jenseits der deutlich ausformuli­erten Splatter-Momente eine echte cineastisc­he Augenweide.

» Hinterland – R: Stefan Ruzowitzky mit Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, 98 Min.

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Foto: Square One Enterteinm­ent Murathan Muslu spielt in „Hinterland“den Weltkriegs­heimkehrer Peter Perg.

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