Krasniqi lebt für den großen Kampf
Der 34-Jährige aus Gersthofen verteidigt in Magdeburg seinen Weltmeistertitel im Halbschwergewicht, den er vor fast genau einem Jahr völlig überraschend gewonnen hat
Gersthofen/Magdeburg Vor fast genau einem Jahr hat Robin Krasniqi nicht nur seinen Gegner Dominic Bösel verblüfft, den er in der dritten Runde auf die Bretter geschickt hat. Der Deutsch-Albaner, der seit einigen Jahren im Gersthofer Ortsteil Hirblingen zu Hause ist, hat die gesamte Boxwelt überrascht, als er sich den Weltmeistertitel der IBO und WBA im Halbschwergewicht (bis 79,4 Kilogramm) schnappte. Fast auf den Tag genau ein Jahr später will der momentan einzige amtierende deutsche Box-Weltmeister seinen Titel verteidigen. An selber Stelle steigt er am Samstag (23.40 Uhr/ARD) gegen denselben Gegner in den Ring. In der Magdeburger Getec-Arena sind 5000 Zuschauer zugelassen.
Dominik Bösel will Revanche für diesen Niederschlag, der ihn wie ein Blitz getroffen hat. Robin Krasniqi, eigentlich krasser Außenseiter, war an jenem 10. Oktober 2020 ebenfalls wie vom Donner gerührt: „Ich habe es erst gar nicht fassen können. Damit ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Seitdem bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Für diesen Moment habe ich gelebt.“
Und überlebt. Krasniqi wuchs in den Wirren des Kosovo-Krieges auf. Auf der Flucht hat er sich mit seinen Geschwistern und der Mutter durch den Wald geschlagen. Nach der Rückkehr aus Albanien in den Kosovo war das Elternhaus total zerstört. Mit 17 Jahren holte ihn der Vater, ein politisch Verfolgter, der das Land längst verlassen hatte, nach München. „Das waren schwierige Momente“, blickt Robin Krasniqi, der eigentlich Haxhi heißt, zurück. Verängstigt und ohne Sprachkenntnisse fand er im Boxsport seine Berufung.
Krasniqi galt lange Zeit als einer, der in großen Kämpfen nicht ablieferte. Das änderte sich am 10. Oktober 2020 – im wahrsten Sinne des Wortes – auf einen Schlag. Mit ihm hatte keiner so wirklich als Weltmeister gerechnet. Außer er selbst. „Seit ich den Vorkampf von Henry Maske gegen Virgil Hill vor 10000 Zuschauern bestreiten durfte, ist dieser Traum, den ich schon immer geträumt habe, noch größer geworden.“Diesem Traum hat er seitdem alles untergeordnet, lebt ihn mit äußerster Disziplin. Alkohol oder Zigaretten kommen für ihn nicht in Frage.
Ein Jahr lang hat Robin Krasniqi seit diesem denkwürdigen Kampf seines Lebens nicht mehr gekämpft. Außer gegen eine Corona-Infektion, die ihn im April erwischt hat. Das konnte ihn jedoch nicht stoppen. „Ich bin fit wie noch nie“, sagt der 1,86 Meter große Modellathlet. Optimal vorbereitet hat er sich im eigenen Box-Gym im Gersthofer Industriegebiet mit seinem Trainer Magomed Tschaburow (51), einem gebürtigen Tadschiken, der ebenfalls in Gersthofen wohnt.
Für Kondition und Kraft wurde Fitness-Spezialist Sepp Maurer engagiert. „Robin ist schon seit Tagen in einem Tunnel, hat sein Handy abgeschaltet und ist nur noch auf den Kampf fixiert“, erzählt Jürgen Riess. Der Inhaber des Gersthofer Eiscafe Giotto wird seinem Freund und Geschäftspartner in Magdeburg erneut die Daumen drücken. Ein Jahr lang waren die beiden Meistergürtel der IBO und WBA ebenfalls in Gersthofen deponiert. In einer Vitrine des nobel durchgestylten Boxstudios in einem kubistischen Glasbau, dessen Mittelpunkt ein Boxring bildet. Krasniqi hat es mit Unterstützung seines langjährigen Sponsors Robert Manhardt im Oktober 2019 eröffnet. Der 34-Jährige vertreibt dort auch ein eigenes Label „RK“für Sportartikel, Kleidung und Schuhe.
Seit dem Sommer vergangenen Jahres hat er mit seiner Schwester zudem eine Eisdiele in AugsburgPfersee gepachtet. „Ich liebe Eis“, verrät Robin Krasniqi, der am Samstag wieder mit dem traditionellen albanischen Lied „Kuq e zi“(Rot und Schwarz) in die Arena einmarschieren wird.
Nach dem Sieg gegen Dominic Bösel würde er sich am liebsten mit mehreren Kugeln belohnen. Wer Krasniqi kennt, der weiß, dass er keinen Gedanken daran verschwendet, dass man Eis auch zum Kühlen von Blessuren verwenden kann.