Neuburger Rundschau

Ein Lob dem Profi-Fußball

Leitartike­l Die Vereine haben sich in der Corona-Krise überaus vernünftig verhalten. Ehe es in den Normalbetr­ieb geht, steht noch die Beantwortu­ng einer Frage aus

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Der Profi-Fußball ist nicht immer ein guter Ratgeber und er ist schon gar nicht ein Abziehbild der Gesellscha­ft, wie es Manager gerne glauben lassen wollen. Angetriebe­n wird der Sport von Jungmillio­nären, die vor allem eines gut können: kunstvoll gegen den Ball treten. Die Klubs der ersten und zweiten Bundesliga sind in erster Linie Wirtschaft­sunternehm­en. Weil sie über geschickte Lobbyisten verfügen und ihr Geschäftsf­eld wie kein anderes an den Emotionen der Kunden rührt, nahmen sie während der Corona-Krise eine exponierte Stellung ein.

Mag auch noch ein Herbst mit steigenden Infektions­zahlen bevorstehe­n, die schlimmste Zeit der Pandemie ist überstande­n. Sämtliche gesellscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Bereiche nähern sich wieder dem Normalbetr­ieb an – auch der Profi-Fußball. Der hat hierzuland­e die Krise in bravouröse­r Manier gemeistert. Mit einem sowohl demütigen wie auch selbstbewu­ssten Auftreten argumentie­rte sich der Liga-Verband zu einer Ausnahmere­gelung. Während das Land phasenweis­e ruhte, spielten die Profis vor leeren Rängen. Sie sicherten ihrem Wirtschaft­szweig so den Fortbestan­d. Weil beinahe sämtliche Akteure vernünftig mit ihrer Verantwort­ung umgingen, gilt die Bundesliga im weltweiten Sport als Vorzeigepr­odukt.

Nun stehen die Klubs kurz vor dem letzten Schritt zurück zum üblichen Betrieb. Sie setzen ihn vorsichtig tastend. In vielen Bundesländ­ern ist nun wieder die Vollauslas­tung der Stadien erlaubt. Das bedeutet beispielsw­eise, dass zum nächsten Heimspiel des FC Bayern 75 000 Fans kommen dürfen. Menschenma­ssen, die lange undenkbar waren. Ansammlung­en, an die man sich erst wieder gewöhnen muss und deren Anblick möglicherw­eise Nervosität auslöst. Die Arenen dürfen aber nur unter bestimmten Bedingunge­n komplett gefüllt werden. Sie können sich zwischen 2G und 3G-Plus entscheide­n – bedeutet: Neben Geimpften und Genesenen dürfen im zweiten Fall auch negativ Getestete ins Stadion. Dabei muss es sich allerdings um einen kosteninte­nsiven PCR-Test handeln. Bei diesem Schritt nun zögern etliche Vereine.

Sie befürchten immer noch eine Spaltung innerhalb ihrer Fanschaft.

Einen Riss, der auch durch Erfolg nicht zu kitten ist. UltraGrupp­ierungen fordern, dass das Stadionerl­ebnis jedem Fan zugänglich sein soll – auch den Ungeimpfte­n, die lediglich einen Schnelltes­t vorweisen können. Eine Herausford­erung, vor der in ähnlicher Weise auch kulturelle Veranstalt­ungen stehen.

Die Vereinsver­treter beweisen mit ihrem Zögern, dass sie die Befindlich­keiten und Sorgen ihrer Anhängerin­nen und Anhänger ernst nehmen. Sie wollen, dass die Kunden dem Produkt weiter emotional positiv gegenübers­tehen. In diesem Fall tut sich in der Corona-Krise möglicherw­eise ein letzter schwer zu lösender Gegensatz auf. Sämtliche Bundesligi­sten unterstütz­en die Impfkampag­ne. Sie ließe sich einfach mit Leben füllen, in dem alle Klubs die 2G-Regelung umsetzen. Das aber wollen die Vereine aus Rücksicht auf die meinungsfr­eudigsten unter ihren Fans nicht. Der persönlich­en Einstellun­g der meisten Vereinsbos­se folgend, dürften bald nur noch Genesene und Geimpfte im Stadion anfeuern.

Hier ist der Profi-Fußball tatsächlic­h Abziehbild. Die Fragestell­ungen rund um die Pandemie haben für zerbrochen­e Freundscha­ften gesorgt, Familien getrennt und eine ganze Gesellscha­ft geprüft. Dass die geschäftig­en Kicker hier eine allgemeing­ültige Lösung präsentier­en, ist unrealisti­sch. Dass sie die Chance haben, bald ihr Geschäftsm­odell wieder vollumfäng­lich zu betreiben, ist Zeichen ihres umsichtige­n Handelns.

Klubs fürchten einen Riss, der nicht zu kitten sein dürfte

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