Italien diskutiert über Verbot von NeonaziPartei
Krise Der Umgang mit dem Erbe des Faschismus in Italien ist seit jeher ambivalent. Nun wollen Rechtsextreme aus dem Protest über die strengen Impfregeln Kapital schlagen. Die Behörden befürchten weitere gewalttätige Ausschreitungen
Nach den von Rechtsextremen provozierten Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende in Rom bereiten sich die Sicherheitsbehörden in Italien auf neue Proteste vor. Ab diesem Freitag ist der sogenannte Green Pass auch für 23 Millionen Arbeitnehmer in Italien obligatorisch, mit dem Zertifikat wird eine Impfung gegen Corona, eine Genesung oder ein negatives Testergebnis nachgewiesen. Die Proteste gegen den Ausweis waren von Rechtsradikalen unterwandert worden. Die Polizei erwartet nun die Sperrung von Autobahnen durch Demonstranten sowie die Blockade der wichtigsten Häfen in Italien in Triest, Genua, Neapel und Palermo.
Zahlreiche Hafenarbeiter sind nicht gegen Corona geimpft und verlangen, dass die Tests von der Regierung bezahlt werden. Sorgen machen den Sicherheitsexperten auch die für das Wochenende angekündigten Demonstrationen in Rom. Zum einen versammeln sich wie jeden Samstag die Gegner des Green Pass, zudem ist eine große Solidaritätskundgebung für die größte italienische Gewerkschaft CGIL angemeldet. Ihr Hauptsitz in Rom wurde am vergangenen Samstag von Rechtsradikalen gestürmt und verwüstet. Ziel der Extremisten war eigentlich das Parlament sowie der Sitz des Ministerpräsidenten, die Polizei blockierte die Stürmung.
Auch die Notaufnahme eines Krankenhauses wurde verwüstet. Zwölf Personen, einige von ihnen Mitglied in der rechtsextremistischen Partei Forza Nuova, wurden verhaftet. Die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi erwägt das Verbot der Partei, die bei den EU-Wahlen 2019 auf 0,15 Prozent der Stimmen kam. Die Frage im Kabinett sowie von der Justiz diskutiert, sagte Draghi. „Wir denken darüber nach“, sagte er.
Nach den Ausschreitungen vom vergangenen Samstag ermittelt die Staatsanwaltschaft Rom gegen Mitglieder der Partei. Parteichef Giuliano Castellino soll eine führende Rolle bei der Verwüstung der Gewerkschaftszentrale gespielt haben, auch der Gründer von Forza Nuova, Roberto Fiore, wurde während der Plünderung im Inneren des Gebäudes gefilmt. Im Hinblick auf die zu erwartenden Proteste vom Wochenende spielt das Innenministerium nun auf Zeit, um mit einem Verbot die Lage nicht weiter aufzuheizen.
In Rom, Turin und Neapel finden am Sonntag Bürgermeister-Stichwahlen statt. Aus diesem Grund soll Innenministerin Luciana Lamorgese erst kommende Woche im Parlament detailliert über die Vorfälle vom Samstag berichten. Mehrere
Parteien des linken Spektrums haben im Parlament einen Eilantrag zum Verbot der Forza Nuova und anderen neofaschistischen Organisationen eingebracht. Die rechtspopulistische Partei Fratelli d’Italia um Giorgia Meloni sprach sich hingegen für eine Distanzierung von „allen Totalitarismen“aus. Die postfaschistische Partei, die bei den Kommunalwahlen in Rom rund 20 Prozent der Stimmen erreichte und die Lega von Matteo Salvini in Umfragen als stärkste Kraft im konservativen Lager abgelöst hat, steht seit einigen Wochen wegen ihrer Nähe zu Neofaschisten im Fokus.
So deckte ein Undercover-Journalist enge Verbindungen zwischen Politikern von Fratelli d’Italia und Neofaschisten in Mailand auf. Auch die Lega hat den Recherchen zufolge offenbar enge Beziehungen zu Nostalgikern. Der Umgang mit dem Erbe des Faschismus durch die beiwerde den Parteien ist seit jeher ambivalent, offenbar auch mit Blick auf die Wählergunst. Zuletzt machte die Kandidatur der Enkelin von Benito Mussolini in Rom Schlagzeilen. Rachele Mussolini holte für Fratelli d’Italia bei den Kommunalwahlen die meisten Stimmen unter allen Kandidatinnen und Kandidaten. Nun wurden Fotos bekannt, die sie dabei zeigen, wie sie ein Plakat in den Händen hält, auf dem sie sich vom Antifaschismus distanziert. „Am 25. April feiere ich nur den Heiligen Markus“, stand auf dem Plakat. Der 25. April wird in Italien als Tag der Befreiung von der NaziBesatzung und vom Faschismus begangen. Während linksorientierte und aus der Tradition der Partisanen hervorgegangene politische Kräfte an den Feierlichkeiten teilnehmen, stehen rechtskonservative Parteien in Italien dem Feiertag seit jeher skeptisch gegenüber.