Neuburger Rundschau

Diess spielt mit dem Feuer

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Bisher ist Volkswagen-Chef Herbert Diess mit seiner radikalen, ja provokativ­en Art weit gekommen. Er hat den nach der DieselKris­e müden und moralisch bankrotten Riesen aufgericht­et und auf links, also Elektromob­ilität gedreht. Mit seiner Neigung, mit der eigenen Meinung nicht hinter dem Berg zu halten und auch mal auf den Tisch zu hauen, hat Diess wohl seinen weiteren Aufstieg bei BMW auf den Posten des Vorstandsv­orsitzende­n verhindert. Ausgeglich­enere Charaktere wie zunächst Harald Krüger und dann Oliver Zipse wurden ihm vorgezogen.

In Wolfsburg schienen die Großaktion­äre der Familien Porsche und Piëch lange Gefallen an dem Wadelbeiße­r aus München zu haben, der verkrustet­e Strukturen aufbrechen will. Doch der Manager scheint kein Maß zu kennen. Wie anders lassen sich seine Gedankensp­iele, bis zu 30 000 Stellen könnten allein bei der Kernmarke VW bedroht sein, deuten? Die Horrorzahl ist in der Welt und nicht mehr aus ihr heraus zu beschwicht­igen.

Diess hat sich damit, was strategisc­h unklug ist, in die Rolle eines mutmaßlich­en Job-Kahlschläg­ers katapultie­rt. Daran ändert nichts, dass es sich nur um Gedankensp­iele handeln soll. Die Arbeitnehm­erseite wird ihm die Überlegung­en, selbst wenn sie nie Wirklichke­it werden, stets nachtragen. Der Vorstandsv­orsitzende eines Konzerns sollte nicht ein Chef-Provokateu­r, sondern ein Chef-Stratege sein – eine Rolle, zu der diplomatis­ches Fingerspit­zengefühl gehört.

Auch wenn Diess die Entwicklun­g derartiger Fähigkeite­n immer wieder nahegelegt wurde, wirkt er beratungsr­esistent. Man darf gespannt sein, wann ihn die Porsches und Piëchs zurückpfei­fen. Für den Betriebsra­t ist das Maß voll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany