Neuburger Rundschau

So will der Münchner Airport klimaneutr­al werden

Umwelt Fliegen und Klimaschut­z passen nicht zusammen. Zumindest der Flughafen in München will nun aber seinen CO2-Fußabdruck schrumpfen – mit einem 1900 Hektar großen Klimawald. Doch Umweltschü­tzer äußern Kritik

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

München Der Himmel ist trüb. Immer wieder hört man Flugzeuge durch die Wolken donnern, während Bayerns Finanzmini­ster Albert Füracker spricht. Als Mitgesells­chafter des Münchner Flughafens stellt er ein großes Projekt des Airports vor. 1900 Hektar Wald in Niederbaye­rn und der Oberpfalz sollen dem Flughafen dabei helfen, klimaneutr­al zu werden. Der Wald soll dafür so umgestalte­t werden, dass er möglichst viel CO2 speichert. Flughafenc­hef Jost Lammers betont, dass das Unternehme­n bis 2030 CO2-neutral werden wolle. Der Wald allein reicht dafür nicht. 300 Einzelmaßn­ahmen seien zur Senkung der Emissionen in der Umsetzung, etwa ein Tanklager für nachhaltig­es Kerosin und eine Elektrifiz­ierung der Fahrzeuge. Der Klimawald kompensier­e nur die restlichen 40 Prozent an Emissionen, die nicht vermeidbar sind und zum Ziel der vollständi­gen CO2-Neutralitä­t fehlen.

Der Flughafen München ist mit seinen Bemühungen zur Klimaneutr­alität nicht allein. Der Druck auf Unternehme­n, das Klima zu schützen, wächst. Viele investiere­n in Klimaschut­zprojekte, um ihre Emissionen zu kompensier­en. Doch es gibt auch viel Kritik. Denn nicht immer lässt sich nachvollzi­ehen, wie die vorgeblich­e Klimaneutr­alität erreicht wird.

Das Projekt des Münchner Flughafens und die Umgestaltu­ng des Waldes werden von der Universitä­t Freiburg wissenscha­ftlich mitbetreut. Rund 2,5 Millionen Euro investiert das Unternehme­n in den Wald, den Max-Georg Graf von Arco auf Valley zur Verfügung stellt. Mit mehr Bäumen, gesunden Mischbestä­nden aus Arten wie Tannen und Douglasien und einer sorgfältig­en Bewirtscha­ftung soll der sogenannte Klimawald in Zukunft bis zu 7000 Tonnen CO2 jährlich zusätzlich einsparen – ein Drittel mehr als vergleichb­are Wirtschaft­swälDiese Einsparung will der Flughafen zur Kompensati­on nutzen, obwohl er sich das offiziell nicht anschreibe­n lassen kann. Denn in Deutschlan­d gehören Wälder zum nationalen CO2-Inventar und dürfen nicht für Kompensati­on in freiwillig­en Klimaschut­zprojekten genutzt werden. Nach Angaben des Flughafens München werden deshalb zusätzlich CO2-Zertifikat­e gekauft.

Verkehrsex­perte Benjamin Stephan von Greenpeace begrüßt die naturnahe Bewirtscha­ftung. Aber er sagt auch: „Es ist eigentlich absurd.“Die Gesellscha­fter des Münchner Flughafens, der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt hätten effektiver­e Mittel, um das Klima zu schützen. Etwa die Anforderun­gen an Waldbesitz­erinnen und -besitzer so zu verändern, dass nur eine naturnahe Bewirtscha­ftung möglich ist.

Gerade das Image eines klimaneutr­alen Flughafens sei problemati­sch. Stephan spricht von einer „Veralberun­g der Menschen“. Ähnlich wie bei der Autoherste­llung entstünde nur ein Bruchteil der Emission im Flughafen, der große Rest bei den Flügen. „Das erzeugt eine Illusion. Es gibt kein klimaneutr­ales Fliegen.“Airlines kauften Klimaschut­zzertifika­te im großen Stil und vermittelt­en ihren Kundinder. nen und Kunden sorgloses und vermeintli­ch klimaneutr­ales Fliegen. Aber der Schaden, der durch die Emissionen entstehe, sei größer als die Menge an verbraucht­en Kraftstoff­en. Denn Stoffe wie Stickoxid oder Feinstaub sowie Kondensstr­eifen in großer Höhe erhitzten die Atmosphäre zusätzlich. Verhelfen die Klimaschut­zzertifika­te also nur zu einem guten Gewissen?

Zur CO2-Kompensati­on zahlt ein Unternehme­n freiwillig für Projekte, die irgendwo im globalen Süden Emissionen einsparen, und bekommt dafür Zertifikat­e. Diese lassen sich mit der eigenen CO2-Bilanz verrechnen – und schnell ist KlimaMünch­en neutralitä­t erreicht. Bosch etwa bezeichnet sich als erstes globales klimaneutr­ales Industrieu­nternehmen, Aldi Süd als erster klimaneutr­aler Lebensmitt­elhändler. Beide greifen auf CO2-Kompensati­on zurück. Aber klimaneutr­al bedeutet nicht emissionsf­rei, und der Handel mit den internatio­nalen Klimaschut­zzertifika­ten ist umstritten.

Verkehrsex­perte Stephan sieht die Zertifikat­e skeptisch. „Wir lehnen CO2-Kompensati­on als Maßnahme ab.“Die Probleme lägen auf vielen Ebenen – und zum Teil bereits bei den Projekten selbst. Im Internet gibt es viele Anbieter für Klimaschut­zzertifika­te. Wie in einem Katalog sind die Projekte aneinander­gereiht: Waldschutz in Peru, Windenergi­e in Mauretanie­n, Solarenerg­ie in Indien. 86000 gesparte

Klimaneutr­al heißt nicht automatisc­h emissionsf­rei

Tonnen CO2, bei einem anderen Projekt sind es zwei Millionen.

Viele Vorhaben würden den Kriterien für eine CO2-Einsparung aber nicht gerecht. „Das System ist lukrativ und anfällig für Betrug, es hat genügend schwarze Schafe gegeben“, sagt Stephan. Selbst bei mit anspruchsv­ollen Standards zertifizie­rten Projekten käme es zu „krummen Geschäften“.

Kundinnen und Kunden könnten zudem oftmals nicht nachvollzi­ehen, wie wirksam die Projekte wirklich sind. Zwar gibt es Zertifizie­rungsunter­nehmen wie etwa TÜV oder SGS. „Aber Projektent­wickler bestellen sich natürlich die Zertifizie­rer, die in ihrem Sinne handeln“, sagt der Greenpeace-Experte. Darüber hinaus könnten die schnell erhältlich­en Zertifikat­e in den Unternehme­n wichtige Umstellung­sprozesse bremsen. Die Emissionen durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en zu senken, sei nach wie vor entscheide­nd – parallel zum Schutz und zur nachhaltig­en Aufforstun­g der Wälder.

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Foto: Arne Dedert, dpa Auch Airlines werben mit Klimaneutr­alität, sehr zum Missfallen mancher Kritiker.

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