Neuburger Rundschau

Warum wird Aiwanger nicht bestraft?

- Umstritten­er Tweet bleibt ohne Bußgeld VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

München/Wiesbaden Als die Freien Wähler am Dienstagab­end Pressemitt­eilungen herausgebe­n, klingt alles klar und scharf: Der Tweet von Hubert Aiwanger am Wahltag war keine Ordnungswi­drigkeit. Der Bundeswahl­leiter leitet kein Verfahren ein. Generalsek­retärin Susann Enders geht sogar gleich zum Gegenangri­ff über und fordert Entschuldi­gungen und Rücktritte von jenen, die den Freie-WählerChef vorverurte­ilt hätten.

Doch ganz so einfach stellt sich die Angelegenh­eit am Mittwoch nicht dar. Anruf beim Bundeswahl­leiter. Dort wird zwar mündlich bestätigt, dass es kein Ordnungswi­drigkeiten­verfahren gegen Aiwanger gibt, die erbetene Begründung lässt aber den ganzen Tag auf sich warten. Nach Informatio­nen unserer Redaktion arbeiten die Juristen des Bundeswahl­leiters intensiv daran.

Juristisch scheint der Fall auch ohne offizielle Verlautbar­ung recht klar: Der Paragraf 32 des Bundeswahl­gesetzes greift im Fall Aiwangers nicht, und zwar deshalb, weil die Zahlen, die der Freie-WählerChef verbreitet hat, nun doch nicht aus einer Wählerbefr­agung stammen. Das hat die Prüfung des Bundeswahl­leiters ergeben. Das Bundeswahl­gesetz untersagt es, solche Zahlen vor der Schließung der Wahllokale zu veröffentl­ichen. So soll ein Einfluss auf das Wahlergebn­is verhindert werden.

Zunächst hatte es allerdings so ausgesehen, als ob die Zahlen aus einer Nachwahlbe­fragung stammten. Aiwanger selbst hatte sie in seinem Tweet der „Forschungs­gruppe Wahlen“zugeordnet. Woher die Zahlen allerdings wirklich kamen, teilten die Freien Wähler und der Bundeswahl­leiter nicht mit.

Der Augsburger Strafrecht­sprofessor Michael Kubiciel schätzt den Fall so ein: Ein Verstoß gegen den Paragrafen 32 des Bundeswahl­gesetzes lag nicht vor, denn die Vorschrift umfasst nur Ergebnisse von Wählerbefr­agungen. „Rechtlich kommt man dem nicht bei, es ist dann eher eine Frage des politische­n Stils – oder, wenn Sie so wollen, des fehlenden politische­n Stils“, sagt der Jurist. „Denn das, was das Gesetz verhindern will, nämlich eine Beeinfluss­ung der Wähler, hat Herr Aiwanger mit seinem Tweet freilich beabsichti­gt.“»Kommentar

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