Das Bayerische Jazzinstitut steht in der Kritik
Musik Mit der Organisation eines Festivals haben sich Regensburg und das in der Stadt beheimatete Institut überworfen – unüberwindbar
Regensburg Der Name muss eigentlich Programm sein: Bayerisches Jazzinstitut! Zuständig für alles, was in Sachen Jazz zwischen Aschaffenburg und Garmisch-Partenkirchen, Neu-Ulm und Passau passiert. Und natürlich staatlich legitimiert und gefördert. Eine Anlaufstelle für Musikerinnen und Musiker, Veranstalterinnen und Veranstalter, Studierende. Eine Institution, die Leuchtturm, Sprachrohr, Interessenvertreter, Multiplikator und Medium in einem sein kann. Seit 1982 existiert und residiert das Bayerische Jazzinstitut in Regensburg, in Erscheinung getreten ist es bislang in erster Linie durch die Organisation des Bayerischen Jazzweekends (wieder so ein freistaatlicher Alleinvertretungsterminus!), dem größten Gratis-Jazzfest Deutschlands, das seit 1981 jährlich tausende von Menschen in die Regensburger Altstadt lockt.
Das 40. Jubiläum des Jazzweekends, das im vergangenen Sommer begann, brachte aber eine Zäsur: Wolfgang Dersch, seit 2019 städtischer Kulturreferent in Regensburg, entzog dem Jazzinstitut überraschend die Intendanz des Jazzweekends und landete damit einen Paukenschlag, den Sylke Merbold, die Leiterin des Instituts, selbst einige Wochen später immer noch nicht verdaut hat. Der Vertrag sei vom Kulturreferat der Stadt „aus heiterem Himmel“gekündigt worden, obwohl man noch kurz zuvor im Juli rund 30 Konzerte an drei Wochenenden unter strengen Corona-Auflagen für das „Jazzfest40“über die jeweiligen Bühnen gebracht habe (zehn weitere sollen im Dezember folgen). Das Bayerische Jazzweekend besitze inzwischen wegen seiner besonderen Rahmenbedingungen, bei der selbst Weltstars wie Amateure für eine einheitliche Gage von je 100 Euro spielen und mit dem Publikum ohne Bezahlschranke feiern würden, eine „internationale Einzigartigkeit“, betont Merbold gegenüber unserer Zeitung. Umso unverständlicher sei für sie deshalb die Entscheidung.
Diejenigen, die sich schon länger mit der Sache beschäftigen, verwundert der Bruch zwischen der Stadt und ihrem einstigen Ziehkind kaum. Vor allem nach dem Tod des Institutsgründers Richard Wiedamann vor zehn Jahren gab es immer wieder heftige Kritik an der Arbeit des Jazzinstituts, die in einem skurrilen Trägerwechsel 2012 ihren bisherigen Höhepunkt fand. Die damals neu installierte Leiterin Merbold hatte die aufmüpfige, Mitsprache fordernde Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jazz als Rechtsträgerin des Instituts mithilfe des bayerischen Wissenschafts- und Kunstministeriums kaltgestellt. Seither kontrolliert (mit ministerieller Zustimmung) der Verband der Bayerischen Sing- und Musikschulen das Jazzinstitut – das sei, als würde man „einen Fußballklub dem Gleitschirmverband zuschustern“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Was hinter den des Instituts von da an genau passierte, wusste eigentlich niemand. Lediglich die Bemühungen mit der Stadt Regensburg für die Organisation des Jazzweekends blieben als sichtbarer Arbeitsnachweis. Obwohl es sich auf seiner Homepage als „zentrale Beratungs-, Kommunikations- und Dokumentationsstelle für Jazzinteressierte und Musiker aus Bayern und weit darüber hinaus“anpreist, ist nur wenig über weitergehende Aktivitäten bekannt.
Vor allem Veranstalterinnen und Veranstalter sowie Musikerinnen und Musiker beklagen, dass das Institut in der Öffentlichkeit so gut wie nicht präsent ist – im Gegensatz zum Jazzinstitut Darmstadt, das nicht den Zusatz „Deutsches“im Namen führt, aber sich längst zu einer maßgeblichen Institution entwickelt hat. Angebote sollten für Einrichtungen, die über Steuergelder finanziert werden, zum eigenen Anspruch gehören: Feste Öffnungszeiten mit freiem Zugang, ein aktueller Internetauftritt, ein Archiv, eine Presseschau, regelmäßige Konzerte … So etwas könnte man in Bayern mit wenig Aufwand auch haben, seufzen viele. Könnte, sollte, hätte – alles Wunsch-Konjunktive.
Er wisse, dass es um den Ruf des Bayerischen Jazzinstituts nicht geTüren rade gut bestellt sei, sagt Wolfgang Dersch, selbst studierter Posaunist und als solcher in den Anfangsjahren auf den Bühnen des Jazzweekends aktiv. Weil das erste Festival unter seiner Verantwortung als Kulturreferent 2020 wegen der Pandemie nur über Streaming-Plattformen abgewickelt werden konnte, bewertet der gebürtige Straubinger die Erfahrungen des Folgejahres. „Dabei haben wir schnell gemerkt, dass vieles bei der Organisation extrem eingefahren und uninspiriert ablief. Es spielten häufig dieselben Bands, dabei hat sich der Jazz aber weiterentwickelt. Die Zusammenarbeit war von gegenseitigen Schuldzuweisungen anstatt von kollegialem Miteinander geprägt. Am meisten gestört hat mich jedoch die fehlende Transparenz. Wir als Veranstalter wussten nicht einmal, wer in der Jury sitzt, die für die Auswahl der einzelnen Programmpunkte verantwortlich war. Das Argument lautete: Die daran beteiligten Personen wollen lieber anonym bleiben. So entsteht absolut kein Vertrauensverhältnis!“Die ständigen Reibereien, sagt der Referent, hätten letztlich zur Kündigung geführt, die auch von Oberbürgermeisterin Gertrud MaltzSchwarzfischer (SPD) mitgetragen wurde. Dersch: „Für eine künstlerische Intendanz gibt es kein lebenslanges Abo.“
Die Gräben scheinen tief und unüberwindbar, auch wenn Sylke Merbold die Arbeit des Bayerischen Jazzinstituts mit seinen ehrenamtlichen Unterstützern hervorhebt. „Wir haben mit viel Herzblut ein einzigartiges Fest aufgebaut. Das Jazzweekend gehört weder dem Institut noch der Stadt oder mir. Es ist ein filigranes ganzjähriges Gemeinschaftswerk zusammen mit den Künstlern.“Vielleicht habe ja ihre Prinzipientreue den Ausschlag für die Trennung gegeben, mutmaßt sie. „Für uns gab es von Beginn an Ankerpunkte, die unveräußerlich waren. Mit der wachsenden überregionalen Bedeutung des Jazzweekends nahmen regionale Begehrlichkeiten zu, beispielsweise unter Gastronomen, die Eigeninteressen am liebsten in Eigenregie verfolgen wollten.“Merbold will aus der Not eine Tugend machen: „Für uns ist es jetzt auch eine Chance, unser Institut stärker in den Vordergrund zu rücken, überregionale Jazzförderung voranzutreiben. Alleine für unser Archiv mit 500 000 Fotos, Filmen und Tonträgern könnte ich zwei zusätzliche Leute für mindestens zwei Jahre einstellen!“
Regensburg hat dagegen die Weichen auf Neuanfang gestellt. Im November will Kulturreferent Dersch das neue siebenköpfige Kuratorium für das Bayerische Jazzweekend vorstellen, das aus Vertretern von Hochschulen, Fachmedien sowie der freien Szene bestehen und jede Menge frischen Wind bringen soll. „Den Kern des einstigen AmateurFestivals kann man bewahren. Alles soll aber offener und transparenter werden, wir wollen unbedingt neue Impulse!“Vielleicht ja auch für den Jazz in Bayern …