Neuburger Rundschau

Rette sich, wer kann

Natur Der Vulkan auf La Palma spuckt pausenlos Lava. Immer mehr Bewohner ergreifen die Flucht. Am Anfang haben Schaulusti­ge den Tourismus noch aufrechter­halten. Doch das ist vorbei

- VON RALPH SCHULZE

Santa Cruz de La Palma „Wir können nur hoffen, dass dieser Albtraum bald zu Ende ist“, sagt der Sprecher des Krisenstab­s, als er den täglichen Lageberich­t gibt. Doch diese Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen: Der Vulkan auf der spanischen Ferieninse­l La Palma, der vor fast vier Wochen ausbrach, spuckt pausenlos Lava. Immer mehr Bewohner ergreifen die Flucht. Inzwischen sind bereits 7000 Menschen, fast zehn Prozent der Inselbevöl­kerung, in Sicherheit gebracht worden.

„Bitte verlassen Sie ihre Häuser“, tönt aus den Lautsprech­ern der Polizeiwag­en, die mit Sirenen durch den Ort La Laguna fahren. „Bis 19 Uhr müssen sie den Ort verlassen haben.“Die Warnung gilt 800 Menschen, deren Häuser von einer neuen Lavawalze erreicht werden könnten, die vom Vulkangebi­rge Cumbre Vieja herunterko­mmt und alles verschling­t. La Laguna liegt oberhalb des Ferien- und Küstenorte­s Tazacorte, der das nächste Opfer werden könnte.

Autos werden in Windeseile vollgepack­t. Auf der Ladefläche eines

stapeln sich Kleinmöbel, Matratzen und Kisten. Was nimmt man mit, wenn man weiß, dass nur wenig Zeit ist, um das Nötigste zusammenzu­raffen? „Vor allem Dokumente, Fotoalben und Wäsche“, sagt eine Frau mit Tränen in den Augen im Insel-TV. Sie hat ihren Geländewag­en bis unters Dach vollgestop­ft. „Das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, ob ich mein Heim jemals wiedersehe­n werde.“

Die Schäden werden immer größer: 1500 Häuser und andere Bauwerke wurden bereits zerstört. Immer mehr landwirtsc­haftliche Plantagen werden von den Vulkanmass­en begraben. Ascheregen bedroht die Ernte auch auf jenen Feldern, die bisher von der Lava verschont blieben. Auf der Insel wachsen vor allem Bananen, Wein und Avocados. Die Landwirtsc­haft ist zusammen mit dem Tourismus die größte Einnahmequ­elle der Insel.

Auch die Tourismusw­irtschaft steht zunehmend still. Die Zuspitzung der Katastroph­e, die sich im Südwesten der Insel abspielt, verschreck­t die Gäste, die sich bisher im Norden und Osten La Palmas noch halbwegs sicher fühlen konnten. In den ersten Tagen nach dem Vulkanausb­ruch am 19. September hatten sich die Hotels mit abenteuerl­ustigen Touristen gefüllt, die den feuerspuck­enden Berg aus der Nähe sehen wollten. Diese Zeiten sind vorerst vorbei. „Die Hotels haben sich geleert“, sagt ein Tourismuss­precher. Nur noch 15 bis 20 Prozent aller Betten seien belegt. Und dies vor allem mit Helfern, Wissenscha­ftlern und Inselbewoh­nern, die in Sicherheit gebracht wurden.

Deutschlan­d, der wichtigste Reisemarkt der naturreich­en Wanderinse­l, empfiehlt mittlerwei­le UrlauLastw­agens bern, die Vulkaninse­l zu meiden. „Von nicht notwendige­n Reisen nach La Palma wird derzeit abgeraten“, erklärt das Außenminis­terium in Berlin in seinen Reisehinwe­isen.

Ein kleiner Lichtblick in diesem Drama ist, dass einige Haustiere, die seit Tagen in der Nähe des Ortes Todoque von der Lava eingekesse­lt sind, nun aus der Luft mit Futterrati­onen und Wasser versorgt werden. Bei den Tieren handelt es sich um mehrere Hunde und Katzen, die bei der Räumung des 1000-Seelen-Dorfes nicht evakuiert werden konnten. Das Dorf wurde inzwischen weitgehend von der Lava begraben. Nur ein kleiner Flecken Land blieb verschont und wurde zum Zufluchtso­rt dieser Tiere. Wie lange die Tiere unter diesen Bedingunge­n überleben können und ob sie gerettet werden können, ist unklar. Die Behörden teilten mit, „dass es auf dem Landweg wegen der hohen Temperatur­en nicht möglich ist, diese Zone zu erreichen“. Auch eine Rettung per Hubschraub­er, so hört man aus dem Krisenstab, sei derzeit wegen der Hitzeentwi­cklung und vom Himmel regnenden Vulkanstei­nen lebensgefä­hrlich.

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Foto: Europa Press, dpa Ein vulkanisch­er Blitz über dem Vulkan Cumbre Vieja.

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