Neuburger Rundschau

Koalition gibt den Verkauf von Cannabis frei

Drogen Gesetzentw­urf soll noch in diesem Jahr stehen. Die Polizei sieht das kritisch.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Gebt den Hanf frei – es gibt wenige Themen, bei denen die Ampel-Koalition so einig ist wie bei der Legalisier­ung von Cannabis. Bis Ende des Jahres wollen SPD, Grüne und FDP einen entspreche­nden Gesetzentw­urf fertig haben. Gesundheit­sminister Karl Lauterbach hat eigens einen „Zwischensp­urt“angekündig­t, um Haschisch aus dem Katalog der verbotenen Drogen zu streichen. Die Details sind noch unklar, aber es zeichnet sich ab, wie in Deutschlan­d ein legaler Markt für Marihuana geschaffen werden soll.

Lizenziert­e Bauern sollen den Hanf anbauen und lizenziert­e Läden sollen den Stoff verkaufen. Die Käufer müssen mindestens 18 Jahre alt sein, obwohl die Entwicklun­g des Gehirns in diesem Alter noch nicht abgeschlos­sen ist. Und wie viel Gramm soll es maximal geben? „Im Gespräch sind 20 bis 30 Gramm“, sagte die SPD-Innenpolit­ikerin Carmen Wegge unserer Redaktion. Ihr zufolge plant das Ampel-Bündnis keine „Kifferdate­nbank“. Es soll genügen, den Ausweis vorzuzeige­n.

Für die Abgeordnet­e aus Landsberg gibt es zwei Hauptargum­ente für die Legalisier­ung: erstens das Austrockne­n des Schwarzmar­ktes und zweitens den besseren Gesundheit­sschutz. Denn Cannabis ist nicht mehr die vermeintli­ch harmlose Hippie-Droge aus den siebziger Jahren. In den vergangene­n zehn bis 15 Jahren wurde es regelrecht hochgezüch­tet. Eine Studie des Hamburger Unikliniku­ms etwa kommt zu dem Ergebnis, dass das Gras von heute dreimal so stark ist wie das Gras vom früher. Die Ware vom Schwarzmar­kt kann außerdem mit Blei, Haarspray oder Cannabinoi­den aus der Drogenküch­e versetzt sein. Carmen Wegge fragt daher rhetorisch: „Warum soll ich noch zum Dealer gehen, wenn ich legal das saubere Gras bekomme?“

In Deutschlan­d sind es Millionen, die regelmäßig kiffen – trotz des seit 1930 bestehende­n Verbots. Die Schätzunge­n der Studien fallen auseinande­r. Weil die Befragten zugeben müssen, eine illegale und potenziell schädliche Droge zu nehmen, könnte ein Teil nicht die Wahrheit sagen. Eine Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass fast 3,7 Millionen Männer und Frauen zwischen 18 und 64 mindestens einmal innerhalb der letzten zwölf Monate Cannabis konsumiert haben. Jeder dritte Erwachsene in Deutschlan­d hat zumindest schon einmal einen Joint probiert. Von den Jugendlich­en unter 18 Jahren sind es laut Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung zehn Prozent.

„Das Cannabis-Verbot ist gescheiter­t. Der Konsum von Cannabis ist in vielen Teilen der Gesellscha­ft schon lange Realität“, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Andrew Ullmann, unserer Redaktion. In großen Städten wie München, Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Köln arbeiteten die Dealer wie Lieferdien­ste. Der gelernte Mediziner betont, dass es nicht Ziel der Ampel sei, dass weitere Millionen zu Kiffern werden. „Zur Legalisier­ung von Cannabis gehört eine moderne und zeitgemäße Drogenmiss­brauchsprä­vention“, meinte Ullmann. Der Verkauf soll besteuert werden und mit dem Geld eine weitreiche­nde Aufklärung­skampagne finanziert werden. Bis zu 5 Milliarden Euro erhofft sich die Koalition aus dem staatlich gelenkten Verkauf.

Dem Vorsitzend­en der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, geht die geplante Freigabe zu weit. Die größte Schwäche der Legalisier­ung für ihn: Jugendlich­e, fürchtet er, würden wahrschein­lich weiterhin zum Dealer gehen, wenn sie einen Joint rauchen wollen. „Das staatlich kontrollie­rte Gras“, sagt Wendt, „wird zur Schickimic­kiDroge für Leute, die es sich leisten können. Die anderen gehen weiter auf den Schwarzmar­kt, weil es dort dann billiger wird.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany