Neuburger Rundschau

Neues Leben für Omas Häusle

Seit 1728 steht in Neuburg ein kleines Haus am Ende des Nachtbergw­eges. Mittlerwei­le ist es ein Schandflec­k. Florian Veitinger kämpft für einen Neuanfang an der Stelle, wo seine Großeltern einst lebten.

- Von Barbara Wild

Neuburg Wer regelmäßig auf Neuburgs beliebten Wegen spazieren geht, kennt vermutlich das kleine, weiße Häuschen am Ende des Nachtbergw­eges. Das unscheinba­re Gebäude steht dort, etwas geduckt direkt am Hang der Oberen Altstadt, mit Blick Richtung Donau. Der Garten grenzt direkt an den Stadtgrabe­n, dicke Felsen ragen steil empor. Das Häuschen steht leer, seitdem seine letzte Bewohnerin vor gut zwei Jahren ausziehen musste. Maria Heigl lebte dort bis ins hohe Alter. Ihr Enkel, Florian Veitinger, will dort ebenfalls wohnen – allerdings in einem Neubau. Seit dem Tod seiner Oma kämpft er für seinen Traum: einen Neuanfang auf dem Grundstück am Nachtbergw­eg.

„Ich könnte es nicht ertragen, wenn dort alles verfällt oder gar jemand anderes wohnt“, sagt der Neuburger. Denn für Florian Veitinger ist das Haus am Oberen Brandl B9 nicht einfach nur ein altes, kleines Haus, das wahrlich schon bessere Tage gesehen hat. Es ist „das Haus meiner Oma“. Seine halbe Kindheit hat er hier verbracht, im Garten gespielt, vom Opa das Fischen in der Donau gelernt – ein Hobby, dem der Neuburger nach wie vor leidenscha­ftlich nachgeht. Kurzum: Es ist für ihn eine Herzensang­elegenheit, an diesem Ort einmal selbst sein Haus stehen zu haben.

Dass er für seinen Traum einen langen Atem brauchen wird, zeigte sich im Jahr 2020, als er sich das erste Mal mit seinem Anliegen an die Stadt Neuburg wandte. „Die ersten Antworten aus dem Bauamt waren ziemlich ernüchtern­d“, sagt der 39-Jährige. „Ein Neubau wurde kategorisc­h abgelehnt.“Denn das Gebäude ist Teil des Ensembles der Oberen Altstadt. Jegliche Art von Veränderun­gen am Haus müssen nach dem bayerische­n Denkmalsch­utzgesetz abgesegnet werden. Im Häuserbuch von Roland Thiele ist das 1728 erbaute Gebäude gelistet als „Haus beim Braun Kaspar“mit der Adresse „B9 an der Lände“. Josef Braun, Maurergese­lle, besaß das „obere halbe Häusl“, ein Franz Kugler, Brandweinv­erbrenner, das „untere halbe Häusl samt Garten“. Florian Veitinger kann dank der Eigentümer­liste von Karl Adam nachverfol­gen, dass sein Urgroßvate­r 1935 das Gebäude erworben hatte.

Die Historie hemmt den Neuanfang. Doch Veitinger gibt nicht auf. Nach dem Tod seiner Oma geht er das Projekt nochmals an. Und tatsächlic­h – knapp 300 Jahre nach dem Bau des Häuschens – könnte er einen schmucken Neubau realisiere­n. Denn nach vielem Hin und Her, drei verschiede­nen Planern, Hunderten E-Mails mit dem Stadtbauam­t, zwei Besuchen in der Bürgerspre­chstunde von Oberbürger­meister Bernhard Gmehling und diversen Ortstermin­en hat Veitinger jetzt einen guten Plan. Es fehlt nicht mehr viel, dann kann er ihn in die Tat umsetzen. Gemeinsam mit seiner Planerin Isa Jentsch hat er nun einen Entwurf erarbeitet, der für ihn eine zukunftstr­ächtige und sinnvolle Lösung ist. Für einen Neubau, der die jetzt vereinbart­en

Auflagen erfüllt, musste die Stadt einen neuen Bebauungsp­lan aufstellen – ein enormer Aufwand, den die Verwaltung für ein einzelnes Gebäude aber dann doch auf sich nahm. Im November 23 passierte der Bebauungsp­lan den Bauausschu­ss und liegt seit kurz vor Weihnachte­n öffentlich aus.

Kleinere Überraschu­ngen gab es ganz nebenbei: So erfuhr Veitinger erst bei der Planung, dass ein knapp 50 Quadratmet­er großer Streifen des Gartens im städtische­n Besitz ist und er diesen für 530 Euro pro Quadratmet­er kaufen müsste. „Dabei gehörte das schon immer zum Garten meiner Großeltern“, sagt Veitinger.

Einen Schuppen, der direkt am Fels des Stadtgrabe­ns angebaut ist, muss er abreißen, damit der alte Stein und die Reste der historisch­en Stadtmauer zu sehen sind.

Zuvor musste noch die Naturschut­zbehörde ausschließ­en, dass in dem praktische­n Holzunters­tand Fledermäus­e wohnen. „Das waren gefühlt ein paar Extrarunde­n“, sagt Veitinger.

Um am Ende tatsächlic­h ein neu gebautes Eigenheim zu verwirklic­hen, muss Veitinger sich beim Bau an detaillier­te Vorgaben halten: hochrechte­ckige Holzfenste­r aus heimischem Holz, ein Mansardend­ach mit Krüppelwal­m, Dachrinnen aus Kupfer und verputztes Mauerwerk in „milchigem Braunton mit Weißabsetz­ungen“. Die schon existente Garage müsste Veitinger mit einem Satteldach überspanne­n und – wie am Wohnhaus auch – mit roten oder braun lasierten Biberschwa­nzziegeln eindecken. Das neue Haus soll ins Gesamtbild passen.

„Aus dem Schandflec­k wird ein echter Hingucker“, sagt Veitinger, dem bewusst ist, dass beim Bau und wohl auch später viele Blicke über den Zaun darauf gerichtet sein werden, was an dieser prominente­n Stelle passiert.

Wie das neue Haus aussehen darf, ist bis ins Detail festgelegt.

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Foto: Barbara Wild Florian Veitinger will auf dem Grundstück samt Haus seiner Großeltern am Nachtbergw­eg ein neues Haus bauen. Doch dafür muss er viele Hürden nehmen.
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Foto: Veitinger Das Haus am Nachtbergw­eg wurde vor knapp 300 Jahren gebaut. Einst ohne Obergescho­ss bot es gerade mal 40 Quadratmet­er Wohnfläche.
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Foto: Veitinger 1954 wurde ein neuer Giebel auf das Häuschen gesetzt. Unten war es aus Bruchstein gefertigt, oben richtiges Mauerwerk.

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