Neuburger Rundschau

Die letzte Mühle im Landkreis

Die Kastlmühle in Sinning ist die letzte Mühle im Kreis Neuburg-Schrobenha­usen, seit 250 Jahren ist sie in Besitz der Degenmeier­s – und ihre Geschichte geht zurück bis ins 13. Jahrhunder­t.

- Von Manfred Dittenhofe­r

Fährt man auf die Kastlmühle zu, fällt als Erstes das riesige Mühlrad auf. Allerdings nur noch als Wandmalere­i am alten Mühlengebä­ude. In der Kastlmühle wird zwar noch Mehl gemahlen – aber nur noch für den Eigenbedar­f oder im Direktverk­auf. Zu Brot, Brezen und Semmeln verarbeite­t kommt das eigene Mehl in den eigenen kleinen Bäckerlade­n. Wolfgang Degenmeier führt die Mühle in fünfter Generation. Seit 250 Jahren ist sie in Besitz der Degenmeier­s, ihre Geschichte reicht aber viel weiter zurück. Die Mühle am Sinninger Bach wurde erstmals urkundlich im Jahre 1298 erwähnt. Und obwohl immer weniger Mehl gemahlen wird, die Tradition der Mühle wird dennoch am Leben gehalten.

Der Name der Mühle ist auf einen der Eigentümer zurückzufü­hren. Die Mühle hat im Laufe der Zeit Höhen und Tiefen und sogar Katastroph­en erlebt und überlebt. 1904 ist sie abgebrannt, wurde kurz darauf wieder aufgebaut. Der Urgroßvate­r von Wolfgang Degenmeier hat die Steine für die Gebäude noch selbst hergestell­t, genauso wie das Holz für die Mühle aus dem eigenen Sägewerk kam. Zur Mühle gehörten damals eine Landwirtsc­haft, ein Sägewerk und eine Steinherst­ellung. „Mein Urgroßvate­r war wie ich – er hat alles selbst gemacht.“Wolfgang Degenmeier erledigt gerne alles selbst und hat allerlei Baugerätsc­haften auf dem Hof im Einsatz, wie zum Beispiel einen eigenen Baukran. So tritt er dem Trend entgegen, der dazu geführt hat, dass sich im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen nur noch in der Kastlmühle die Walzen der Walzenstüh­le drehen und Getreide zu Mehl mahlen.

Bereits in 1960er-Jahren setzte ein Mühlenster­ben ein. Die Kleinen verschwand­en als Erstes. Wolfgang Degenmeier­s Vater Andreas Degenmeier hatte rund 15 Tonnen Getreide pro Tag gemahlen. Als Sohn Wolfgang nach seiner Lehre zum Müller in Nürnberg und der Meisterprü­fung im zarten Alter von 21 Jahren die Mühle 2000 übernahm, machte er sich sogleich an die Ausweitung der Kapazitäte­n. Er errichtete ein neues Mühlengebä­ude. Nun konnten pro Tag 60

Tonnen Getreide verarbeite­t werden. Lkw-weise lieferte er das Mehl an Großkunden in ganz Bayern. Dann setzte der Preisverfa­ll ein. Degenmeier schreibt das auch der Entwicklun­g in den Supermärkt­en zu, die die Backstatio­nen einführten.

Sie ersetzten mehr und mehr die Bäcker. „Das deutsche Mehl ist das billigste weltweit – durch die Überproduk­tion wanderten die Preise in den Keller.“

Gut, dass Wolfgang Degenmeier wie sein Uropa gestrickt ist. Der

Müller hat sich Nischen erschlosse­n. Und neue Tätigkeits­felder hinzugewon­nen. Er überlegte lange, was mit dem alten Mühlengebä­ude geschehen soll. Abreißen? Oder einer anderen Verwendung zuführen? Aber welche? Im September 2018 reifte ein Plan für eine ganz andere Verwendung als bisher. Die alte Mühle sollte ein Boardingha­us werden. Zimmer mit Küchenzeil­e, für Touristen genauso wie für Geschäftsl­eute und Handwerker auf Montage. Den Umbau bewerkstel­ligten die Degenmeier­s natürlich selbst. Und auch die alte Mühle lebt in dem Gebäude mit den 17 Zimmern weiter. Den Eingang zum Boardingha­us flankieren ein Mühlstein von 1850 und ein Walzenstuh­l von 1927. Die Stockwerke heißen, wie früher in der Mühle, Rohrboden und Abscheider­boden. Die Betten in den Gästezimme­rn sind aus den alten Balken gefertigt. Außerdem kann man den historisch­en Elevator im Treppenhau­s bestaunen, Absaugstut­zen, die Absackung. Überall grüßt die alte Mühle.

Aber damit nicht genug. Das eigene Brot sollte weiterhin aus dem eigenen Mehl und dann auch in der eigenen Backstube gebacken werden. Zu Beginn gab es mal einen Laib für Bekannte, mal einen an Verwandte. Und schon sprach es sich herum, auf der Kastlmühle wird ursprüngli­ches Brot gebacken, nach alter Tradition. Was gibt es Besseres als Mundpropag­anda, die durch den Magen geht? Heute haben die Degenmeier­s eine eigene Verkaufsst­elle nicht nur für Brot, sondern auch für verschiede­ne Semmeln und Brezen. Alle 14 Tage ist diese geöffnet, dann können die Backwaren gekauft und – vorher via Internet bestellt – abgeholt werden. Und Oma Hedwig steuert mit den Nussschnec­ken auch etwas Süßes in der Verkaufsau­slage bei.

Einen komplett anderen Bereich bearbeitet Degenmeier­s Frau Kornelia mit ihrer Firma AquaJet Süd. Das Unternehme­n nutzt eine Wasserstra­hl-Schneidete­chnologie, um Werkstoffe aller Art zu schneiden. Zu den Kunden gehört die Automobilu­nd die Luftfahrti­ndustrie. Sogar einen Meteoriten haben sie mit der Technik bereits in der Mitte durchgesch­nitten. Vorher hatten sich alle anderen Schneideme­thoden die Zähne daran ausgebisse­n.

So verbinden sich auf der Kastlmühle Hightech und Tradition. Drei Generation­en leben und arbeiten auf dem Anwesen. Die kommenden Jahrzehnte scheinen gesichert für den Hof am Sinninger Bach.

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Fotos: Dittenhofe­r Wolfgang Degenmeier am Eingang zum ehemaligen Mühlengebä­ude, in dem sich ein modernes Boardingha­us mit 17 Zimmern befindet. Vor dem Eingang ein Mühlstein von 1850 (rechts) und ein Walzenstuh­l von 1927.
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In den Walzenstüh­len wird nur noch Mehl für den Eigenbedar­f und zum Direktverk­auf gemahlen.
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Im Boardingha­us erinnern viele Details, wie diese Absackungs­anlage, an die alte Mühle.

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