Verfahren gegen Sanitäter eingestellt
Zwei Rettungskräfte mussten sich für den Tod einer Rentnerin aus Ingolstadt verantworten. Das Amtsgericht sprach sie frei, jetzt fand die Berufungsverhandlung statt.
Sind zwei Männer schuld am Tod einer Rentnerin aus Ingolstadt? Könnte die 78-Jährige noch leben, wenn die beiden Sanitäter anders gehandelt hätten? Mit diesen Fragen mussten sich die Gerichte in Ingolstadt in den vergangenen Monaten beschäftigen. Richter Michael Fein hatte die beiden Männer, inzwischen 39 und 32 Jahre alt, im Mai 2023 am Amtsgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.
Doch die Staatsanwaltschaft war in Berufung gegangen. Jetzt saßen die beiden Männer – der jüngere ein Rettungssanitäter, der andere ein besser ausgebildeter Notfallsanitäter – erneut auf der Anklagebank, diesmal am Landgericht. Nach einem Gespräch zwischen allen Beteiligten hat die Kammer am Dienstag unter dem Vorsitz von Richterin Bettina Grafe das Verfahren eingestellt. Als Auflage müssen die beiden Männer 1200 beziehungsweise 800 Euro an das Holler-Haus und das Elisabeth-Hospiz zahlen. Trotz vieler offener Fragen, die auch nach der juristischen Aufarbeitung noch bleiben, steht eines fest: Der Einsatz an diesem Tag im Juli 2020 ist alles andere als optimal gelaufen.
Nachbarn hatten auf Bitten des Partners der bis dahin rüstigen 78-Jährigen den Rettungsdienst gerufen. Die Mitarbeitenden der Leitstelle zeigten sich am Telefon zunächst wohl recht widerwillig, schickten dann aber doch einen Rettungswagen zur Wohnung. „Patientin sitzt auf dem Klo und will nicht trinken“, wurde den Sanitätern mitgeteilt. Dieses Szenario bot sich den Männern dann auch vor Ort. Ihr Partner hatte die Frau zuvor wohl auf die Toilette gehievt, konnte sie von dort allerdings nicht mehr wegbringen. Die Rettungskräfte legten die Frau auf ein Sofa und schauten kurz vor der Abfahrt noch bei den Nachbarn vorbei mit dem Hinweis, sie sollten sich beim Hausarzt melden, sollte die Frau weiterhin Hilfe brauchen.
In welchem gesundheitlichen Zustand sich die Frau in dieser Nacht befunden hat, darüber gehen die Aussagen auseinander. Apathisch und kaum ansprechbar,
„fast bewusstlos“sei sie gewesen, sagte die Nachbarin. Kein Zittern, kein Schwitzen, keine blauen Lippen – nichts also, was auf einen lebensbedrohlichen Zustand hingedeutet
habe, sagten die Sanitäter. Ganz im Gegenteil: Die Frau soll noch deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie keinesfalls ins Krankenhaus wolle. Doch die
Seniorin schwebte zu diesem Zeitpunkt bereits in höchster Lebensgefahr. Zwei Tage später war sie gestorben, an einem Darmdurchbruch mit einer anschließenden Blutvergiftung.
Hätten die Sanitäter die Lebensgefahr erkennbar sein müssen? Hätten Sie einen Notarzt rufen müssen? Und hätte der das Leben der Frau überhaupt retten können? Diese Fragen waren es, die den Fall auch juristisch anspruchsvoll machten. Denn sie ließen sich auch trotz eines Gutachtens nicht letztgültig klären. Mit der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage zeigten sich schließlich alle Seiten zufrieden.
Beide Angeklagte haben in der Verhandlung nochmals ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht. „Es tut mir sehr leid“, sagte der 39-Jährige. „Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich die Frau mitnehmen“, sagte sein Kollege.
Die Enkelin der Verstorbenen hat den Prozess im Zuschauerraum mitverfolgt. „Ich nehme die Entschuldigung an“, sagte sie. „Jetzt habe ich gehört, wie sehr ihr selbst darunter leidet.“