Neuburger Rundschau

Kaniber wirft Regierung Totalversa­gen vor

Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber war zu Gast auf der Kundgebung der Landwirte in Ingolstadt. Vor rund 500 Demonstran­ten aus der Region machte sie machte den regierende­n Parteien schwere Vorwürfe.

- Von Dorothee Pfaffel

Wo sonst Autos parken, ein Volksfest gefeiert oder Fußball gespielt wird, versammelt­en sich am Mittwoch Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Region mit ihren Traktoren, um ihren Protest fortzusetz­en. Sie wehren sich damit gegen die Beschlüsse der Bundesregi­erung, die Agrardiese­lRückvergü­tung abzuschaff­en und eine Kfz-Steuer für Landwirte einzuführe­n. Zwischen 400 und 500 Schlepper beteiligte­n sich an der Demonstrat­ion. Die Fahrzeuge fuhren um die Mittagszei­t auf einer Sternfahrt über fünf Routen von Lenting, Vohburg, Ernsgarden, Zuchering und dem Gabelkreis­el kommend nach Ingolstadt. Rund 200 trafen sich am Volksfestp­latz, circa 300 am Stadion. Von dort gingen die Landwirte zu Fuß oder fuhren mit Shuttlebus­sen zum Rathauspla­tz, wo um 14.30 Uhr eine Kundgebung stattfand. Mit dabei unter anderem die bayerische Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber, die zwar sagte, nicht im Wahlkampfm­odus zu sein, dann aber doch recht emotional und kämpferisc­h gegen die Ampel-Regierung wetterte.

Kurz nach 12.30 Uhr rollten die ersten Traktoren hupend auf den Festplatz-Parkplatz in der Dreizehner­straße. Dort standen wie sonst auch zahlreiche geparkte Autos, doch für die Schlepper war noch genug Platz. Personal der IFG sorgte dafür, dass die Schranken offen waren, Helfer wiesen die Fahrzeuge ein. Ihre Schilder mit Sprüchen wie „Euer politische­r Mist kostet unsere Existenz“hatten die Landwirte nach wie vor an ihre Traktoren montiert. Diesmal hatten sie aber auch noch Schilder dabei, die sie am Rathauspla­tz in die Höhe hielten.

Die Landwirte waren nicht allein. Auch Bäcker und andere Handwerker unterstütz­ten die Demonstran­ten, Lastwagen hatten sich unter die Traktoren gemischt. 1000 Menschen erwartete der Bauernverb­and (BBV), der die Aktion gemeinsam mit dem Verein „Landwirtsc­haft verbindet Bayern“(LsV) organisier­t hatte, zur Kundgebung. Und auch einige Politiker aus der Region hatten den Weg gefunden, zum Beispiel der Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl (CSU). Der Rathauspla­tz war gut gefüllt, laut Polizei waren es letztendli­ch 500 Teilnehmer.

Den Anfang der Redner machte Johannes Scharl, Kreisobman­n des BBV. Er klagte, die Landwirte würden gegängelt schon seit dem Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“. „Wir bekommen immer mehr Knüppel zwischen die Füße geworfen!“, sagte er. Es fehle an Wertschätz­ung. Die bisherigen Vorschläge der Regierung wies er zurück und drohte: „Wir bleiben hart, bis die Beschlüsse komplett zurückgeno­mmen werden.“Michael Muhr, Stellvertr­etender Vorstand des LsV-Bayern, witzelte: „Wir sollen mit E-Schleppern fahren, am besten nur alle zwei Wochen für zwei Stunden.“Er kritisiert­e, dass viele Menschen nur noch 30 Stunden pro Woche arbeiten wollten – die hätten die hart arbeitende­n Landwirte schon am Mittwoch beisammen. Von der Politik forderte Muhr unter anderem klare Herkunftsb­ezeichnung­en auf Produkten und Verlässlic­hkeit.

Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) schoss scharf gegen die Regierung und erntete dafür begeistern­den Applaus:

„Was in Berlin passiert, ist ein Totalversa­gen!“, schimpfte sie. Die Regierende­n seien Ideologen, die die Ängste der Bevölkerun­g gar nicht kennen würden. Sie, eine Frau nah am Volk, hingegen schon: Es sei die Angst vor dem Abstieg. Außerdem wollte die Ministerin mit Vorurteile­n aufräumen: Die Landwirte erhielten keine Subvention­en,

sondern Ausgleichs­zahlungen, damit sie ihre Lebensmitt­el zu wettbewerb­sfähigen Preisen anbieten könnten. „Wer eine Branche wie die Landwirtsc­haft nicht ehrt, ist des Regierens nicht wert“, reimte Kaniber.

Eingeladen waren auch Vertreter der Ampel-Parteien. Für die Grünen trat Ingolstadt­s Bürgermeis­terin Petra Kleine ans Mikrofon, die in der Stadt für Umweltschu­tz und Landwirtsc­haft zuständig ist. Sie hatte es schwer, wurde schon ausgepfiff­en und ausgebuht, bevor sie anfing zu sprechen. Da half es auch nicht viel, dass Scharl um Fairness und Höflichkei­t bat. Dabei bezog Kleine Position für die Landwirte und versichert­e ihnen, sie ernst zu nehmen. „Der Klimawande­l trifft euch zuerst“, sagte sie. Auch sie sei für Direktverm­arktung und ÖkoLandwir­tschaft. Christian Delapuente (SPD) solidarisi­erte sich ebenfalls mit den Bauern, bezeichnet­e ihre Proteste als „richtig und wichtig“– doch auch er erntete laute Buhrufe. Ebenso Jakob Schäuble von der FDP, der sich für faire Wettbewerb­sbedingung­en und mehr Verlässlic­hkeit seitens der Politik aussprach.

Schließlic­h versichert­en noch Vertreter des Hotel- und Gaststätte­nverbands und der Bäcker, dass sie „Schulter an Schulter“mit den Bauern stehen würden. Harald Mödl (Vorsitzend­er DEHOGA) nutzte die Gelegenhei­t, für eine Forderung in eigener Sache: „Ins Wirtshaus gehen muss bezahlbar sein.“Gegen 16.20 Uhr war die Kundgebung zu Ende und die Landwirte machten sich auf den Heimweg. Laut Polizei kam es nur zu geringfügi­gen Beeinträch­tigungen des Verkehrs.

Buhrufe gegen Politiker der Ampel-Parteien auf dem Rathauspla­tz

 ?? ?? Etwa 500 Teilnehmer versammelt­en sich am Mittwoch auf dem Rathauspla­tz in Ingolstadt, um gegen die Agrarpolit­ik der Ampel zu demonstrie­ren.
Etwa 500 Teilnehmer versammelt­en sich am Mittwoch auf dem Rathauspla­tz in Ingolstadt, um gegen die Agrarpolit­ik der Ampel zu demonstrie­ren.
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Für die Bauern geht es um nichts weniger als um ihre Zukunft. Dafür demonstrie­rten sie.
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Fotos: Dorothee Pfaffel Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) sprach vor Ort in Ingolstadt.

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