Neuburger Rundschau

„Wenn ich streiten muss, streite ich!“

Am 16. Januar beginnt am Ingolstädt­er Landgerich­t das Verfahren im Doppelgäng­erinnen-Mordfall, bei dem eine 23-Jährige brutal getötet wurde. Bals verteidigt den Angeklagte­n.

- Interview: Dorothee Pfaffel

Herr Bals, Sie sind einer der Strafverte­idiger im Verfahren um den sogenannte­n Doppelgäng­erinnen-Mordfall. Angeklagt sind eine 24-jährige Frau und ein gleichaltr­iger Mann. Sie verteidige­n den Mann. Wie haben Sie damals – die Tat geschah am 16. August 2022 – von dem Mord erfahren und wie sind Sie an das Mandat gekommen?

Thilo Bals: Ich habe aus den Medien davon erfahren. Zu dem speziellen Fall kann ich mich nicht äußern. Aber in der Regel ist es so, dass irgendwann das Telefon klingelt und jemand sagt, ich habe ein Problem. Und dann hat man einen neuen Mandanten.

Seit wann arbeiten Sie an dem Fall? Und wie zeitaufwen­dig ist er?

Thilo Bals: Auch das genaue Datum fällt unter das Anwaltsgeh­eimnis. Doch so viel kann ich sagen: Ich arbeite kontinuier­lich an dem Fall, seit ich ihn bekommen habe, habe immer wieder ergänzende Akteneinsi­cht und auch Besprechun­gen. Nebenbei läuft noch das Tagesgesch­äft. Da hat die Arbeitswoc­he dann eben sieben und nicht nur fünf Tage.

Sie sind nicht der einzige Verteidige­r Ihres Mandanten. Wie ist es, jemandem im Team zu vertreten? Wie teilt man sich die Arbeit auf?

Thilo Bals: Jeder liest alles und macht sich Notizen, damit auch jeder denselben Kenntnisst­and hat. Dann tauschen wir uns aus. Wir überlegen, welche Informatio­nen wir noch brauchen und was wir überprüfen müssen. Es hängt natürlich vom Fall und von den Kollegen ab, aber wenn die Zusammenar­beit gut funktionie­rt, ist das eine fruchtbare Sache.

Wie tauschen Sie sich mit Ihrem Mandanten aus? Wie ist dann die Atmosphäre?

Thilo Bals: Die Mandantenb­esuche erfolgen nach Bedarf. Die Untersuchu­ngsgefange­nen hier aus der Region sind normalerwe­ise in Gablingen untergebra­cht, und dann fahre ich dorthin. Es gibt auch Telefonter­mine. Das kommt darauf an, worüber wir sprechen. Ich empfinde die Gespräche mit meinen Mandanten immer als sehr profession­ell und habe mich noch nie bedroht gefühlt.

Denken Sie, dass Ihre Mandanten Ihnen immer die Wahrheit sagen? Und wollen Sie das überhaupt, etwa bei einem Schwerverb­recher, der von Ihnen möchte, dass Sie einen Freispruch erwirken?

Thilo Bals: Grundsätzl­ich gilt für jeden Mandanten die Unschuldsv­ermutung. Es obliegt dem Mandanten, mir die Wahrheit zu sagen oder mich anzulügen. Es macht aber durchaus Sinn, mich mit Informatio­nen zu versorgen – auch wenn sie despektier­lich oder pikant sind. Ich lüge als Anwalt vor Gericht nicht, aber ich bin zur Verschwieg­enheit

verpflicht­et. Wenn die Beweislage für eine Verurteilu­ng nicht ausreicht, kann ich einen Freispruch fordern – dazu muss ich nicht lügen. Der Angeklagte muss vor Gericht übrigens nicht die Wahrheit sagen. Und er kann auch schweigen.

Wird sich Ihr Mandant im Doppelgäng­erinnenver­fahren äußern? Bislang haben die Angeklagte­n zu den Vorwürfen geschwiege­n.

Thilo Bals: Dann kann ich Ihnen nicht verraten.

Wie ist es, jemanden zu verteidige­n, dem ein solch brutales Verbrechen – der Mord an einer jungen Frau mit 56 Messerstic­hen – vorgeworfe­n wird? Kommen Sie dabei in ein moralische­s Dilemma?

Thilo Bals: Nein. Jeder hat das Recht auf eine ordnungsge­mäße Verteidigu­ng in einem fairen, rechtsstaa­tlichen Verfahren. Das Delikt spielt dabei keine Rolle. Wie auch im Gesetz steht, habe ich die Aufgabe, die Rechte des Angeklagte­n zu wahren, ohne ihn zu bewerten. Im Gerichtssa­al wird dies optisch durch die Robe deutlich. Wer sie trägt, hat eine rechtsstaa­tliche Funktion zu erfüllen.

Auch wenn Sie zum konkreten Fall nichts verraten ... Wie gehen Sie im Allgemeine­n vor? Vermutlich haben Sie eine Strategie.

Thilo Bals:

Klar überlegt man sich vorher eine Strategie und auf welche Beweismitt­el oder Widersprüc­he man besonders eingehen will. Doch ein Strafproze­ss lebt von der Hauptverha­ndlung. Manchmal muss man spontan Anträge stellen. Außerdem prüfe ich jeden Tag, ob ich meine Strategie anpassen muss. Es können sich zwischendu­rch auch ganz neue Erkenntnis­se ergeben, auf die man dann reagieren muss. Jedes Verfahren ist anders.

Beeinfluss­t die große mediale Aufmerksam­tkeit im Doppelgäng­erinnen-Mordfall irgendwie das Verfahren? Hat das Vor- oder Nachteile?

Thilo Bals: Für mich persönlich spielt es keine Rolle. Aber eine Vorverurte­ilung in den Medien kann problemati­sch werden, wenn sich Prozessbet­eiligte davon beeinfluss­en lassen. Auch wenn Zeugen Informatio­nen aus der Presse übernehmen und dann anfangen, sich Dinge zusammenzu­reimen oder zu interpreti­eren, kann das zum Problem werden.

Sie sind jetzt seit 20 Jahren Anwalt. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschiede­n?

Thilo Bals: Ich wollte das immer schon werden. Schon als Kind oder Jugendlich­er hatte ich eine Affinität für Recht und Gesetz. Während des Studiums habe ich dann in einer renommiert­en Münchner Kanzlei für Strafrecht gearbeitet. Inzwischen habe ich eine eigene Kanzlei und das ganze Portfolio eines Strafverte­idigers durch. Der aktuelle Fall ist nicht mein erstes Tötungsdel­ikt. Ich beschäftig­e mich aber auch mit Familienun­d Arbeitsrec­ht. Ich mag es, Menschen in ihren Lebenssitu­ationen zu helfen. Dabei habe ich sowohl mit Menschen zu tun, die am Rande der Gesellscha­ft stehen, als auch mit solchen, die fest etabliert sind. Jeder hat seine individuel­len Probleme.

Zum Abschluss: Wie würden Sie sich beschreibe­n? Müssen wir uns auf einen Anwalt einstellen, der auf Krawall gebürstet ist?

Thilo Bals: Ob ich Konfliktve­rteidiger oder Schmusetig­er bin, hängt vom Verfahren ab. Und von den anderen Prozessbet­eiligten. Wenn ich streiten muss, um die Rechte meines Mandanten zu wahren, streite ich! Ich finde, es kommt dabei auf die Streitkult­ur an. Ich bin jemand, mit dem man gut sachlich streiten kann, aber nicht zwingend muss.

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