Neuburger Rundschau

Von wegen Kanzlerbon­us

Olaf Scholz hängt an seiner Aktentasch­e. Ihr Hersteller aber ist pleite.

- Von Michael Stifter

Mitte der 80er Jahre kaufte sich ein junger Mann aus Hamburg eine schwarze Ledertasch­e. Er war gerade Anwalt geworden, und Anwälte brauchen Aktentasch­en. Der Mann wird später ein ziemlich bekannter Politiker sein und ist heute immerhin Bundeskanz­ler. Es ist also viel passiert. Nur die Tasche blieb immer dieselbe.

Olaf Scholz selbst hat einmal verraten, dass ihn das Gepäckstüc­k (Inhalt: Lesebrille, Tageszeitu­ngen und, natürlich, Akten) seit vier Jahrzehnte­n auf sämtlichen Reisen und Terminen, ob dienstlich oder privat, begleitet. Und tatsächlic­h ist die Taschentre­ue des Kanzlers aktenkundi­g. Sie lässt sich mit Lichtbilda­ufnahmen im Wandel der Zeit belegen. Nur kurzfristi­g scheint es mal eine Entfremdun­g von Tasche und Träger gegeben zu haben: Während seiner Zeit als Bundesarbe­itsministe­r wurde Scholz mit einem etwas klobigen Pilotenkof­fer erwischt.

„Es ist ja offensicht­lich: Ich hänge sehr an dieser Tasche. Manche meiner Kollegen oder Mitarbeite­rinnen finden, sie sei abgewetzt. Ich nenne es Patina“, schrieb der Kanzler einmal unter ein Foto auf Instagram und versichert­e: „Sie gefällt mir von Jahr zu Jahr besser.“Wer nun aber glaubt, das sei beste kostenlose Werbung für den Hersteller, könnte sich täuschen. Die einstige Kultmarke Bree, übrigens wie Scholz in Niedersach­sen geboren und später nach Hamburg umgezogen, ist pleite. Wir wollen keinesfall­s so weit gehen, dem Kanzler auch noch dafür die Verantwort­ung in die Schuhe zu schieben. Denn selbst wenn man das bei der CSU nicht gerne hören wird, es gibt durchaus Indizien dafür, dass die Ampel nicht an allem Übel dieser Welt schuld ist. Anderersei­ts: Nehmen wir mal an, Olaf Scholz hätte sich, sagen wir mal wenigstens alle drei Jahre ein neues Exemplar seiner Aktentasch­e zugelegt. Womöglich wäre die Geschichte dann ganz anders ausgegange­n.

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