Neuburger Rundschau

Wie Rechte reden

Wissenscha­ftler warnen vor menschenfe­indlichen Untertönen im Vokabular der extremen Szene. Ein CDU-Mitglied war bei umstritten­em Geheimtref­fen von AfD-Politikern dabei – und soll die Partei verlassen.

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Nach dem umstritten­en Treffen von AfD-Politikern mit Aktivisten aus der extrem rechten Szene bleibt die Partei ganz oben auf der innenpolit­ischen Tagesordnu­ng. Am Freitag wurde bekannt, dass neben Mitglieder­n der Werteunion mindestens ein CDU-Mitglied aus Nordrhein-Westfalen in Potsdam dabei gewesen sein soll. Der Kreisverba­nd Oberberg hat ein Parteiauss­chlussverf­ahren eingeleite­t. Am Abend forderten vor dem Kanzleramt in Berlin mehrere hundert Demonstran­ten die Prüfung eines AfD-Verbots. Wissenscha­ftler haben das Vokabular der rechtsextr­emen Szene unter die Lupe genommen.

Wenn von „Globaliste­n“und „Remigratio­n“die Rede ist, wissen Gleichgesi­nnte und Extremismu­sexperten gleich, was gemeint ist. Für Außenstehe­nde klingen diese Begriffe womöglich harmlos. Dabei verbirgt sich hinter dem „Globalismu­s“ die nicht selten antisemiti­sch gefärbte Verschwöru­ngserzählu­ng, eine globale Elite arbeite angeblich im Geheimen an einer Zerstörung nationaler und kulturelle­r Identitäte­n.

„Remigratio­n“bedeutet im rechtsextr­emistische­n Kontext, dass eine Großzahl von Menschen ausländisc­her Herkunft das Land verlassen soll – unter Umständen unter Zwang. Zugleich ist der Begriff so vage, dass man – etwa bei einer Klage – versuchen kann, sich damit herauszure­den, man ziele nur auf eine bessere Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht von Menschen ohne Aufenthalt­srecht ab.

Besonders augenfälli­g sind Bestrebung­en, rechte Kampfbegri­ffe in den politische­n Diskurs einzuspeis­en, wenn über Migranten gesprochen wird. Da ist etwa von „Invasoren“die Rede – ein Begriff, der Ängste schürt. Der innenpolit­ische Sprecher der AfD-Bundestags­fraktion,

Gottfried Curio, spricht von einem „Ansturm“und von „illegalen Migranten“. Der Sachverstä­ndigenrat für Integratio­n und Migration (SVR) warnt vor der Verwendung solcher Begriffe. Er empfiehlt, nicht von illegalen oder irreguläre­n Migranten zu sprechen, sondern von „irregulär aufhältige­n Migrantinn­en und Migranten“.

Das Landesamt für Verfassung­sschutz

Sachens führte bei der Einstufung des AfD-Landesverb­ands als gesichert rechtsextr­em aus: „Führende Vertreter der Landespart­ei verwenden in diesem Kontext im öffentlich­en Diskurs regelmäßig ideologisc­he Kampfbegri­ffe der rechtsextr­emistische­n Szene, wie ,Der Große Austausch‘, ,Umvolkung‘ oder die Forderung nach ,Remigratio­n‘. Auch diese Begriffe verbergen ihren rassistisc­hen Kern und ihre Urhebersch­aft im Nationalso­zialismus.“

Problemati­sch wird es, wenn sich auch demokratis­che Politiker rechtspopu­listischer Rhetorik bedienen. Soziologe Wilhelm Heitmeyer sieht folgenden Effekt: „Das Gefährlich­e ist, dass die Übernahme von rechter Rhetorik dazu führt, dass sie sich normalisie­rt. Und was erst mal als normal gilt, kann nachher kaum noch problemati­siert werden.“Bemühten sich führende Funktionär­e in den Anfangsjah­ren

noch, eine Verwendung problemati­scher Begriffe durch AfD-Mitglieder in der Öffentlich­keit zu verhindern, sieht die Strategie heute anders aus. Begriffe, die zum Jargon der sogenannte­n Neuen Rechten gehören finden sich teilweise in Reden, die AfD-Abgeordnet­e im Bundestag halten.

Sven Kachelmann von der AfDNachwuc­hsorganisa­tion, Junge Alternativ­e, beklagte bereits 2019, dass ein ethnisch-kulturelle­r Volksbegri­ff „pauschal als verfassung­sfeindlich angesehen wird“. Außerdem versuchen Politikeri­nnen und Politiker der AfD den Eindruck zu erwecken, die Kritik an der Verwendung von Begriffen aus der rechten Szene sei keine Warnung vor dem Einsickern extremisti­schen Gedankengu­ts, sondern bloß überzogene politische Korrekthei­t. (Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Die AfD im Bundestag fällt auch sprachlich auf.

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