Moskau-Reisen und Bordellbesuche
Aussage im Berliner BND-Prozess
Berlin Es ist eine irre Geschichte, die der Mann am Zeugentisch in Saal 145a des Berliner Kammergerichts erzählt. Sie handelt von der Zufallsbekanntschaft mit einem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts auf einem Sportplatz im bayerischen Weilheim, von Besuchen im Bordell und in Spielbanken, von abfotografierten Geheimakten und überstürzten MoskauReisen, von Drohungen russischer Geheimagenten, von einer erhofften Karriere als V-Mann und lukrativen Geschäften in Afrika.
Artur E., 32 Jahre alt, steht seit genau einem Monat in einem der spektakulärsten deutschen Spionageprozesse in Berlin vor Gericht – gemeinsam mit dem 53 Jahre alten Carsten L., eben jenem BNDMitarbeiter, den E. nach eigenen Angaben im Mai 2021 in Weilheim kennenlernte. Beide sollen laut Anklage während des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 Staatsgeheimnisse an den russischen Geheimdienst FSB geliefert und dafür Hunderttausende von Euro erhalten haben. Beide sind des Landesverrats angeklagt. Der Unterschied zwischen beiden: Carsten L. schweigt.
In Jackett und blauem Hemd sitzt der BND-Mann an jedem Verhandlungstag auf der Anklagebank im gesicherten Glaskasten, von Mal zu Mal wirkt er schmaler und grauer im Gesicht. Artur E. hingegen scheint aufgeräumt und auskunftsfreudig. Er hat schon den Ermittlern seine Version der Dinge kundgetan. Nun präsentiert er sie auch vor Gericht. Lässt man alle Girlanden weg, stellt E. die Sache so dar: Er selbst, einst mit seinen Eltern als Russland-Deutsche in die Bundesrepublik gekommen, hofft auf ein lukratives Geschäft in Afrika mit einem russischen Bekannten. Dieser wiederum möchte einen dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland. E. kontaktiert also seinen Bekannten vom BND: Ob der nicht etwas für M. tun könnte. So beginnt, was sich in der Aussage von E. manchmal fast wie ein eher harmloses Abenteuer anhört.
Richter Schmidt geht in dem Verfahren sehr umsichtig vor, aber auch in sehr kleinen Etappen. Der Verteidiger von Carsten L. hat Artur E. zu Beginn des Prozesses einen „Hochstapler“genannt. (Verena Schmitt-Roschmann, dpa)