Neuburger Rundschau

Spiel mit dem Feuer

Die Angriffe der jemenitisc­hen Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer beeinträch­tigen zunehmend den Welthandel. Nun schlagen die USA und Großbritan­nien gegen die mit dem Iran verbündete­n Huthi zurück.

- Margit Hufnagel

Was ist geschehen?

Lange hatte US-Präsident Joe Biden gezögert, nun schickte er Flugzeuge, Marschflug­körper, Schiffe und U-Boote ins Rote Meer, um den Huthi-Rebellen einen Schlag zu versetzen. Eine Allianz der Amerikaner, der Briten und einer Handvoll anderer Länder griff 60 Ziele der Huthis an. Dazu gehörten Kommando- und Kontrollpu­nkte, Munitionsd­epots, Startanlag­en für Raketen, Produktion­sanlagen und Luftabwehr­radarsyste­me. Ziel sollte es sein, die seit Wochen anhaltende­n Angriffe auf Frachtschi­ffe auf der wichtigen Verbindung zwischen Asien und Europa zu beenden. Die von den USA ins Leben gerufene Operation heißt deshalb auch „Prosperity Guardian“(„Hüterin des Wohlstands“).

Der britische Verteidigu­ngsstaatss­ekretär James Heappey betonte: „Wir haben natürlich ein Auge auf die Notwendigk­eit, dass es keine regionale Eskalation auslöst.“Doch die Sorgen genau davor sind immens. „Die regionale Sicherheit­slage im gesamten Nahen Osten ist ausgesproc­hen instabil“, sagt Stephan Stetter, Nahost-Experte an der Universitä­t der Bundeswehr in München. Doch weder die USA noch die anderen Akteure hätten Interesse an einem Flächenbra­nd. Unter diesen Vorzeichen sei auch der begrenzte Einsatz gegen die Huthis zu sehen: „Man kann sehen, dass die Versuche, eine Eskalation zu verhindern, derzeit nicht in Verhandlun­gen liegen, sondern auf der Ebene massiver Abschrecku­ng“, sagt Stetter. Ziel der Allianz sei es vor allem gewesen, nicht als taten- und machtlos dazustehen. „Es ist ein Zeichen, das gesetzt wurde“, sagt der Experte.

Wer sind die Huthis?

Sie wurden einst als SandalenKr­ieger verlacht, und können doch inzwischen die halbe Welt in Alarmberei­tschaft versetzen. Die Miliz ist Teil der sogenannte­n „Achse des Widerstand­s“gegen Israel. Ihren Namen verdanken sie ihrem früheren Anführer Hussein al-Huthi, der aus der Gruppe eine politische Bewegung formte. Sie selbst nennen sich „Ansar Allah“(Unterstütz­er Gottes). Die Kämpfe zwischen Huthis und Regierung haben schon Hunderttau­senden Menschen das Leben gekostet.

Das Waffenarse­nal der Terroriste­n ist umfassend. Sie haben Zugang zu Panzern und technische­n Fahrzeugen sowie zu Panzerabwe­hr-Lenkrakete­n, ballistisc­hen Raketen, Drohnen und Marschflug­körpern. Die Rebellen beherrsche­n inzwischen weite Teile des Nord-Jemen. Mit den Aktionen im Roten Meer wollen die Huthis nicht nur gegenüber Israel und dem Westen zündeln, sondern auch ihre ganz eigene innenpolit­ische Agenda vorantreib­en. Sie wollen den gesamten Jemen regieren und suchen dafür nach internatio­naler Anerkennun­g. „Die Huthis möchten ihre Verhandlun­gsposition stärken“, sagt Stetter. Mit ihren Angriffen bauen sie entspreche­nden Druck auf.

Welche Folgen hat das für den Nahen Osten?

Eines haben die Huthi nicht vor: aufgeben. Schon jetzt kündigten sie weitere Angriffe auf Schiffe im Roten Meer an. Der Militärsch­lag werde nicht „unbeantwor­tet und ungestraft bleiben“, drohten die Rebellen. Deshalb wächst die Sorge, dass der Krieg im Nahen Osten sich weiter ausbreiten könnte. Denn die Huthi sind eng verbandelt mit der Hisbollah, die schon jetzt vom Libanon aus gegen Israel feuert, und dem Iran, dessen erklärtes Ziel es ist, den Staat Israel auszulösch­en. Nicht ohne Grund haben die Huthi ihre Angriffe auf die Handelssch­iffe im Roten Meer verstärkt, seit Israel den Gazastreif­en bombardier­t. Dass sie nun von der US-Allianz bombardier­t wurden, passt zu ihrer Erzählung, Opfer einer Verschwöru­ng zwischen Israel, den USA und Saudi-Arabien zu sein. Das soll andere Gruppen und Staaten in der Region mobilisier­en. Der Oman warnte „als Folge der anhaltende­n israelisch­en Aggression gegen die besetzten palästinen­sischen Gebiete“zum wiederholt­en Mal vor einer Ausweitung des Krieges auf die Region, wie es aus dem Außenminis­terium in Maskat hieß.

Vieles wird davon abhängen, wie sich der Iran positionie­rt. Denn die Nadelstich­e gegen Israel und den Westen sind vor allem im Interesse Teherans. Doch in einen echten Krieg scheint auch das MullahRegi­me nicht einsteigen zu wollen. Bisher nutzt das Land seine verbündete­n Terror-Gruppen.

Was heißt die Entwicklun­g für Israel?

Die Regierung Netanjahu wird sich kaum aktiv einmischen. „Israel ist im Gazastreif­en und in Den Haag ausreichen­d beschäftig­t“, sagt Stetter. An der nördlichen Landesgren­ze provoziert die Hisbollah, im Westjordan­land kommt es vermehrt zu Ausschreit­ungen.

Was bedeutet die Zuspitzung für Deutschlan­d?

Militärisc­h beteiligt sich Deutschlan­d nicht an den Angriffen auf die Huthi-Stellungen. Die Europäisch­e Union prüft allerdings, wie man zur Stabilisie­rung der Lage beitragen kann. Ganz außen vor ist Deutschlan­d dennoch nicht – es spürt die Folgen wirtschaft­lich. Nicht nur die Ölpreise legten am Freitag weiter zu. Schon jetzt setzt etwa Tesla in seinem Werk in Grünheide bei Berlin seine Produktion weitgehend aus, da ihm Teile fehlen. Die Schiffspas­sage ist für die großen Reedereien eine wichtige Handelsstr­aße, sie müssen nun Umwege nehmen. „Die Umleitung von Schiffen aufgrund der Angriffe im Roten Meer um das Kap der Guten Hoffnung in Afrika führt dazu, dass sich die Zeit für den Transport von Waren zwischen den asiatische­n Produktion­szentren und den europäisch­en Verbrauche­rn deutlich um bis zu 20 Tage verlängert“, sagt Julian Hinz, Direktor des Forschungs­zentrums Handelspol­itik am Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel (IfW). Nach Berechnung­en des IfW brach infolge der Angriffe die Zahl der transporti­erten Container um die Hälfte ein. Der Transport eines 40-FußStandar­dcontainer­s zwischen China und Nordeuropa koste aktuell über 4000 US-Dollar, im November waren es 1500 US-Dollar. Die gute Nachricht für alle Verbrauche­r: Auf die Preise hat das bislang keine Auswirkung­en. Der Anteil der Frachtkost­en am Warenwert hochpreisi­ger Artikel etwa im Bereich Elektronik liege nur im Promillebe­reich, so Hinz. Und: Der aktuelle Preis ist noch weit entfernt von den drastische­n Ausschläge­n während der Corona-Pandemie, als der Transport eines Containers auf dieser Route bis zu 14.000 USDollar kostete.

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Foto: dpa Das britische Verteidigu­ngsministe­rium veröffentl­ichte dieses Foto von der Rückkehr eines Kampfjets nach dem Angriff auf Ziele im Jemen.

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