Neuburger Rundschau

Davos wird zum Krisenforu­m

Nächste Woche trifft sich das „Who is who“der Politik und Wirtschaft­swelt in den Schweizer Bergen. Gibt es neue Impulse zur Lösung der Kriege in der Ukraine und in Gaza?

- Von Michael Kerler

Zu Beginn eines neuen Jahres richtet sich die Aufmerksam­keit jährlich auf das Städtchen Davos in den Schweizer Alpen. Zum jährlich dort stattfinde­nden Weltwirtsc­haftsforum kamen schon prominente Wirtschaft­svertreter wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder US-Präsidente­n wie Bill Clinton oder Donald Trump. Auch berühmte Sätze sind dort gefallen – wie 2019 von Klimaschüt­zerin Greta Thunberg: „I want you to panic! – Ich will, dass Sie Panik bekommen“. Zu den historisch­en Momenten in Davos zählt der Händedruck 1992 zwischen Nelson Mandela und dem südafrikan­ischen Präsidente­n Willem de Klerk, der zum Symbol für das Ende der Apartheid wurde. Dieses Jahr findet von Montag bis Freitag das inzwischen 54. Jahrestref­fen des Weltwirtsc­haftsforum­s statt. Es ist ebenfalls prominent besetzt und fällt in keine leichte Zeit: Kriege und Konflikte beschäftig­en die internatio­nale Politik. Die Weltwirtsc­haft lahmt.

„Ohne eine große Kurskorrek­tur werden die 2020er-Jahre als das Jahrzehnt der verschwend­eten Möglichkei­ten in die Geschichte eingehen“, warnte kürzlich Weltbank-Chefökonom Indermit Gill. Das weltweite Wirtschaft­swachstum könnte 2024 nach Prognosen der Bank zum dritten Mal in Folge zurückgehe­n – von 2,6 Prozent im vergangene­n Jahr auf nur noch 2,4 Prozent in diesem Jahr. Was für Deutschlan­d ein Traumwert wäre, ist zu wenig, um die ärmeren Länder aus der Not zu befreien. Viele Entwicklun­gsländer, sagt Gill, stecken in einer Falle fest – „mit einem lähmenden Niveau an Schulden und einem unzureiche­nden Zugang zu Lebensmitt­eln für fast jeden dritten Menschen“.

Eine Ursache besteht darin, dass die Weltwirtsc­haft immer stärker in Blöcke zerfällt: „Seit der

Pandemie, den Lieferkett­enprobleme­n, dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie der Blockbildu­ng zwischen westlicher Welt und nicht westlicher Welt scheint die Weltwirtsc­haft in eine Phase des Umbruchs eingetrete­n zu sein“, beobachtet Expertin Birgit Henseler von der DZ-Bank: „Die Fokussieru­ng auf nationale Interessen dürfte das Wirtschaft­swachstum bremsen und zu steigenden Kosten und damit zu höheren Inflations­raten führen.“

In diesem schwierige­n Umfeld hat sich das Weltwirtsc­haftsforum in Davos ein ambitionie­rtes Programm gesetzt. „Rebuilding trust – Vertrauen wiederhers­tellen“lautet das Thema der diesjährig­en Tagung. An vielen Stellen wird es dabei um Kriege, Konflikte und mögliche Lösungen gehen. Persönlich am Treffen teilnehmen will zum Beispiel der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er wird versuchen müssen, den kriegsmüde­n Westen aufzurütte­ln. Treffen könnte er auf den chinesisch­en Ministerpr­äsidenten Li Qiang. Von China erhofft sich die Ukraine seit Langem, Russland bei seinem Feldzug einzubrems­en.

Erwartet wird auch EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, die im vergangene­n Jahr viel beachtete Initiative­n für einen Wiederaufb­au der ukrainisch­en Wirtschaft angestoßen hat. Eine Wiederaufb­au-Konferenz 2023 sicherte der Ukraine 800 Millionen Euro zu. Angesichts des andauernde­n Krieges und der Zerstörung dürfte der Finanzbeda­rf weiter steigen.

Das Weltwirtsc­haftsforum bringt auch wichtige Interessen­vertreter rund um den Gaza-Krieg zusammen. Neben den Ministerpr­äsidenten aus Katar, dem Irak, Jordanien und dem Libanon steht der israelisch­e Präsident Isaac Herzog auf der Gästeliste. Nach Medienberi­chten wird auch der iranische Außenminis­ter erwartet. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) will dieses Jahr zwar nicht selbst nach Davos reisen, angesagt haben sich aber unter anderem Außenminis­terin Annalena Baerbock, Wirtschaft­sminister Robert Habeck und Finanzmini­ster Christian Lindner. (mit dpa)

 ?? Foto: Markus Schreiber, dpa ?? Das traditione­lle Weltwirtsc­haftsforum in Davos steht dieses Jahr im Zeichen des Gaza- und des UkraineKri­egs.
Foto: Markus Schreiber, dpa Das traditione­lle Weltwirtsc­haftsforum in Davos steht dieses Jahr im Zeichen des Gaza- und des UkraineKri­egs.

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