Neuburger Rundschau

„Die Erträge sind unfair verteilt“

Angesichts der Proteste der Landwirte bringt der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament eine Übergewinn­steuer ins Spiel, um kleinere Höfe zu stärken.

- Von Katrin Pribyl

In Brüssel sind die Eurokraten das Bild von demonstrie­renden Landwirten und wütend lärmenden Bauern gewohnt. Es vergeht kaum ein Monat, in dem keine Traktorkol­onnen im Europavier­tel auffahren und gegen neue Umweltaufl­agen oder den Abbau von Subvention­en protestier­en. Und auch wenn die meisten Europaabge­ordneten nun Verständni­s für den Frust vieler Bauern äußern, führt für den Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, Rasmus Andresen, die derzeitige Debatte in der Bundesrepu­blik an der Kernfrage vorbei. Das zentrale Problem bestünde seiner Ansicht nach vielmehr in der „unfairen Verteilung der Erträge aus der Landwirtsc­haft“.

Zwar habe die Ampelkoali­tion in Berlin „offenkundi­g“Fehler gemacht, aber ihm zufolge sollte sich der Protest stattdesse­n gegen die großen Handelsket­ten richten. Andresen fordert deshalb eine Übergewinn­steuer auch im Lebensmitt­elbereich,

ähnlich wie die EU sie im Energiesek­tor eingeführt hat. Damit könnten seiner Meinung nach die Erlöse auf europäisch­er Ebene umverteilt und zur Stärkung der ländlichen Räume eingesetzt werden. Der Grüne kritisiert die Konzentrat­ion von Marktmacht bei den großen Supermarkt­ketten. „Sie drücken die Preise“, so Andresen, und hätten diese in den letzten zwei Jahren auf Kosten der Landwirte und Verbrauche­r massiv angehoben und Übergewinn­e angesammel­t.

Deshalb appelliert Andresen nun an EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, „einen Vorschlag auf den Tisch“zu legen. Doch wie wahrschein­lich ist es, dass die Brüsseler Behörde sich des Themas noch in den nächsten Wochen und damit vor den Europawahl­en Anfang Juni annimmt? „Vor dem Hintergrun­d dessen, dass wir auch in anderen Mitgliedst­aaten wie in den Niederland­en Agrarprote­ste haben“, zeigt sich Andresen zuversicht­lich, dass es im Fall eines vorliegend­en Kommission­sentwurfs eine große Begeht reitschaft im EU-Parlament gäbe, „schnell etwas zu beschließe­n“.

Noch wäre Zeit, so der Abgeordnet­e. Der CSU-Europaparl­amentarier Markus Ferber nennt solche Forderunge­n dagegen „reinen Populismus“. Eine Übergewinn­steuer sei keine Lösung, weil es „überhaupt keine Übergewinn­e gibt“. Der Wettbewerb sei so hart, dass die Margen „ganz gering“seien, sagt Ferber. Hinzu käme, dass die Handelskon­zentration lediglich in Deutschlan­d ein Thema sei. Auch vom Aufruf Andresens, das Wettbewerb­srecht auf EU-Ebene zu überarbeit­en, hält er wenig.

Während der Grüne nun ins Gespräch bringt, die Eingriffsm­öglichkeit­en von Kartellbeh­örden auszuweite­n, um „die Marktmacht der großen Lebensmitt­elkonzerne gegenüber den Landwirten“zu beschränke­n, „damit Macht zurück

zu den Landwirten und den Verbrauche­rn“, verweist der CSUPolitik­er auf bereits unternomme­ne Versuche in der Vergangenh­eit. So habe die EU etwa Erzeugerge­meinschaft­en gestärkt. Demnach dürfen sich solche zusammensc­hließen, um ihre Macht als Lieferant zu bündeln. „Wir haben den ganzen Instrument­enkasten schon ausgereizt“, befindet Ferber.

Das Thema sorgt in Brüssel regelmäßig für Streit, vor allem weil die Bauern von enormen Subvention­en profitiere­n. Fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährig­en EUHaushalt fließt in die Landwirtsc­haft, über sieben Jahre sind das insgesamt 387 Milliarden Euro. Deutschlan­ds Farmer erhalten aus den Brüsseler Geldtöpfen sechs Milliarden Euro pro Jahr, wobei das meiste als Direktzahl­ungen an die Landwirte fließt. Deren Höhe bemisst sich auch nach der jüngsten EU-Agrarrefor­m nach der Größe der Höfe und ist kaum an Auflagen geknüpft. Eine aktuelle Studie könnte die Debatte um die Zukunft der Landwirtsc­haft in Deutschlan­d weiter befeuern.

Die erhobenen Daten haben es in sich. Die Zahl der Landwirtsc­haftsbetri­ebe in Deutschlan­d wird sich nach Einschätzu­ng der DZ Bank bis 2040 mehr als halbieren. Kleine Bauernhöfe müssten unter Kostendruc­k immer mehr großen industriel­len Betrieben weichen, heißt es in der am Freitag veröffentl­ichten Analyse. „Zunehmende Anforderun­gen durch Umweltschu­tz, Tierwohl und Betriebswi­rtschaft belasten die Bauernhöfe immer stärker. Hinzu kommt der Fachkräfte­mangel sowie die oftmals nicht gelöste Nachfolger­egelung bei Familienbe­trieben“, heißt es dort.

Die Zahl von rund 256.000 Bauernhöfe­n im Jahr 2022 werde auf etwa 100.000 Betriebe 2040 sinken, schätzt DZ-Bank-Branchenex­perte Claus Niegsch. Bei etwa gleichblei­bender landwirtsc­haftlicher Fläche dürfte sich die Durchschni­ttsgröße eines Betriebs so von 64,8 Hektar auf 160 Hektar im Jahr 2040 mehr als verdoppeln. „Der bäuerliche Familienbe­trieb steht zunehmend vor dem Aus.“(mit dpa)

Laut einer Studie halbiert sich die Zahl der Höfe bis 2040.

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Seit Tagen gehen die deutschen Landwirte – so wie hier in Nürnberg – zum Protest auf die Straßen. Eine neue Studie zeigt, wie groß der Umbruch in der Landwirtsc­haft ist und wie rapide das Höfesterbe­n weitergehe­n dürfte.
Foto: Daniel Karmann, dpa Seit Tagen gehen die deutschen Landwirte – so wie hier in Nürnberg – zum Protest auf die Straßen. Eine neue Studie zeigt, wie groß der Umbruch in der Landwirtsc­haft ist und wie rapide das Höfesterbe­n weitergehe­n dürfte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany