Neuburger Rundschau

Ganz unten in der Pyramide

Im neuen Kölner „Tatort“gibt man diesmal alles – und hantiert mit diversen Krimizutat­en. Dass es am Ende nicht so recht schmeckt, hat mit altbekannt­en Schwächen zu tun.

- Von Daniel Wirsching

Ach, „Tatort“, du kannst es besser! Nicht, dass die neue Folge aus Köln, „Pyramide“(Sonntag, 20.15, ARD), grob misslungen wäre. Aber man wird doch vom Sonntagsku­ltkrimi etwas mehr erwarten dürfen, als ein aus allen möglichen Zutaten (Geiselnahm­e, Verfolgung, Entführung, Verhör) zusammenge­rührtes Fernsehkri­mi-Menü, in dem Fall ein achtgängig­es. Kritiker mögen nur TV-Sterneküch­e? I wo. Sie mögen es, wenn etwas stimmig – und wie beim Guide Michelin und der Ein-Stern-Klassifizi­erung – „einen Stopp wert“ist. Der Kölner „Tatort“(Buch: Arne Nolting, Martin Scharf) ist dagegen (nein: nicht wie eine Currywurst) wie ein Eintopf mit guten einzelnen Zutaten,

hinterläss­t einen allerdings fragwürdig­en Gesamteind­ruck.

Dazu tragen altbekannt­e Kölner „Tatort“-Schwächen bei: die Dialoge und die Schlussseq­uenzen. Man muss es mit Ausrufezei­chen schreiben (als Ausdruck des Verzweifel­ns): die Dialoge! Die Schlussseq­uenzen! Erstgenann­te sind gerne hölzern, weltfremd und haben einen Hang zum Pathos; letztgenan­nte sind gerne zuckrig und pathetisch, wie erneut in dieser Folge. Alles garniert mit einer Prise Sozialroma­ntik. Warum nur, warum?

Kostprobe Dialog:

Sie: „Du hast doch eine stabile Ausbildung …“

Er: „Ist es nicht auch ein geiler Plan, einfach reich zu werden? ... Ich will doch einfach nur genug für ein anständige­s Auto. Öfter mal essen gehen, nicht jeden Cent dreimal umdrehen. Einfach mal leben …“

So spricht gewiss keine Kölnerin und kein Kölner. Im „Tatort“sprechen so zwei der Hauptfigur­en, der frühere Bundeswehr-Fernmelder André Stamm (Rouven Israel) und seine hochschwan­gere Frau Anja (Roxana Samadi). Stamm ist da bereits mittendrin in etwas, das das Leben vieler Menschen zerstören wird, als einer der kleinsten und schwächste­n Bausteine der „Concreta“-Pyramide. Die Concreta ist ein „Strukturve­rtrieb“, zu dem ihm sein früherer Vorgesetzt­er bei der Bundeswehr, Rocko Andersen (Oleg Tikhomirov), gelockt hat.

Bei der Concreta werden gutgläubig­en Menschen riskante „Invests“aufgeschwa­tzt, an denen vor allem die Spitze der Pyramide verdient: Christophe­r Komann, den Robin Sondermann als Sektenguru gibt. Der ist derart unverschäm­tegozentri­sch, dass er den wackeren Kommissare­n Max Ballauf (Klaus J.

Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) – die diesmal wie Statisten auftreten („Hatte er Feinde?“) – einen Job anbietet. Nebensächl­ich auch der Tote: ein Anwalt für Verbrauche­rschutz, der erschlagen wurde. Er sollte eine Sammelklag­e gegen die Concreta vorbereite­n und machte einen Rückzieher. Neu ist so ein Plot nicht, umso mehr hätte man einen weniger klischeebe­hafteten Umgang mit dem Stoff erwarten können.

Serviert wird der in acht Gängen, ergo Kapiteln, deren eingeblend­ete Titel „Verführung“heißen, „Versuchung“oder „Habgier“. Und in denen Stamm vom Opfer zum Täter wird. Schon erwähnt, dass das holzschnit­tartig ist? Aber bitte: Die Geschmäcke­r sind verschiede­n.

 ?? Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost ?? Eher in der Statistenr­olle: die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts).
Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost Eher in der Statistenr­olle: die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts).

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