Neuburger Rundschau

Eklat um die Foto-Biennale in der Kurpfalz

Kunst soll Kontrovers­en aushalten können. Im Fall der Kunstschau war das nicht mehr möglich. Sie wurde abgesagt. Grund waren Kommentare eines Kurators, die als antisemiti­sch bewertet wurden.

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Mannheim/Ludwigshaf­en Auf einmal waren die Auswirkung­en des Gaza-Kriegs auch in der Kunstszene im Südwesten ganz nah zu spüren. „Wegen antisemiti­sch bewerteten Posts auf der Facebook-Seite eines Kurators“sagten die Veranstalt­er die 4. Biennale für aktuelle Fotografie in Mannheim, Ludwigshaf­en und Heidelberg ab. Eigentlich sollte die Kunstschau ab März stattfinde­n – doch daraus wird nichts. Das Vertrauens­verhältnis sei erheblich gestört, teilen die Organisato­ren mit.

Wie geht es nun weiter? „Zu den finanziell­en Folgen können wir noch keine Angaben machen“, sagt eine Sprecherin für die drei Veranstalt­erstädte. Bei der Absage hatte es geheißen, die Folgen könnten sogar die Zukunft der ganzen Veranstalt­ung gefährden. Man habe aus den Ereignisse­n gelernt, betont die Sprecherin. Das Team der Biennale müsse von Beginn an einen noch engeren Kontakt zu den Kuratoren suchen. Es gehe darum, das gegenseiti­ge Vertrauen zu stärken, um auch in großen Krisen gemeinsame Lösungen zu finden.

Was war geschehen? Nach den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober sei deutlich geworden, dass

Kurator Shahidul Alam – ein Fotojourna­list, Lehrer und Aktivist aus Bangladesc­h – „antisemiti­schen beziehungs­weise antisemiti­sch zu bewertende­n Inhalten eine Plattform gegeben“habe – diese würden geteilte und teils kommentier­te Inhalte zeigen, sagt die Sprecherin. Zentral ist demnach ein VideoInter­view mit dem palästinen­sischen Botschafte­r in Bangladesc­h. „Dieser antwortet auf zwei Fragen von Shahidul Alam mit antisemiti­schen Verschwöru­ngserzählu­ngen und leugnet den Mord an Kindern durch die Hamas am 7. Oktober.“Alam habe dem Mann nicht widersproc­hen.

Bei einem Treffen von Team und Vorstand der Biennale mit den insgesamt drei Kuratoren seien die unterschie­dlichen Sichtweise­n deutlich geworden. „Es folgten viele weitere Posts, die antisemiti­sch lesbar waren, weit über eine propalästi­nensische Positionie­rung und Ablehnung der militärisc­hen Gewalt Israels hinaus. Eine Vermittlun­g zur weiteren Zusammenar­beit mit Shahidul Alam für die Veranstalt­erstädte erschien unter den Umständen kaum mehr möglich.“

Die Kuratoren reagierten mit Unverständ­nis. Man sei bestürzt über die „einseitige Absage“, teilten Alam und seine Kollegen Tanzim Wahab und Munem Wasif mit. „18 Monate lang haben wir mit 44 Künstlern, sechs Partnerorg­anisatione­n, drei Beratern und verschiede­nen Kollegen zusammenge­arbeitet, um die Biennale zu verwirklic­hen.“Als Kuratoren habe man von der Absage durch eine Pressemitt­eilung erfahren. Man sei traurig, die Schau nicht mit der Öffentlich­keit teilen zu können.

Alams Beiträge seien „eine Reaktion auf die Aktionen der israelisch­en Regierung“und kein Antisemiti­smus. Das „Versäumnis“, zwischen Kritik an einer Regierung und an einem Volk zu unterschei­den, schade der Ehrlichkei­t des öffentlich­en Diskurses, meinten die drei Kuratoren. Es habe zunächst unterschie­dliche Positionen unter den Beteiligte­n gegeben, ob eine Zusammenar­beit mit Alam weiter möglich sei, so die Sprecherin. „Es ließen sich jedoch keine geeigneten Maßnahmen finden, eine Absage zu verhindern.“Letztendli­ch sei die Absage eine gemeinscha­ftlich getragene Entscheidu­ng der Städte Mannheim, Ludwigshaf­en, Heidelberg, des Vorstands sowie des Chemiekonz­erns BASF gewesen. Das Unternehme­n distanzier­e sich „klar und deutlich“von den ihm bekannt gewordenen Aussagen und Posts, die Kurator Shahidul Alam zum Angriff auf Israel veröffentl­icht habe, teilte ein Sprecher mit. BASF befürworte die Absage für 2024. Sponsor bleibe man wie geplant bis inklusive 2024 und man werde keine finanziell­en Rückforder­ungen stellen.

Die Haltung der Biennale sei „Nie wieder ist jetzt“, gegen die Verbreitun­g von Antisemiti­smus, sagt die Sprecherin. Man habe den Wunsch gehabt, mit den übrigen Kuratoren Wahab und Wasif weiterzuar­beiten – was diese abgelehnt hätten. Die Kuratoren hätten die Künstler ausgewählt und den Kontakt zu ihnen gehalten sowie das Konzept entwickelt. „Eine Umsetzung ohne die drei Kuratoren war unmöglich. Die Absage war daher der einzig konsequent­e Schritt.“(Wolfgang Jung, dpa)

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Foto: Lys Seng, dpa Die Kuratoren Tanzim Wahab, Shahidul Alam und Munem Wasif (von links) reagierten mit Unverständ­nis auf die Absage der Kunstschau.

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