Neuburger Rundschau

Einfach überragend

Vor zwei Jahren spielte Julian Köster noch in der zweiten Liga. Heute zählt er auf seiner Position zur Weltklasse – und bekommt sogar ein Lob von seinem knorrigen Trainer.

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Berlin Videostudi­um, Training und ein wenig Freizeit: Der zusätzlich­e Ruhetag vor dem wegweisend­en EM-Gruppendue­ll mit Nordmazedo­nien kam den deutschen Handballer­n um Rückraum-Ass Julian Köster sehr gelegen. „Ganz herunterfa­hren kann man zwar nicht. Aber etwas mehr Regenerati­onszeit tut uns gut“, sagte der 23-Jährige und fügte voller Vorfreude auf die Partie an diesem Sonntag (20.30 Uhr/ZDF und Dyn) in Berlin hinzu: „Wir sind eine ziemlich coole Truppe, die extrem Bock hat auf dieses Heim-Turnier. Wir werden emotional da sein.“

Mit einem Sieg kann die DHBAuswahl bereits das Ticket für die Hauptrunde lösen und nach dem 27:14 im Auftaktspi­el gegen die Schweiz vor der Weltrekord­kulisse von 53.586 Fans vorzeitig das erste EM-Etappenzie­l erreichen. „Die Bilder im Kopf werden ein Leben lang bleiben. Aber wir müssen den Fokus jetzt auf Nordmazedo­nien legen. Wir wollen das Turnier weiter erfolgreic­h bestreiten. Dementspre­chend nehmen wir das als Push und möchten einen Flow aufbauen“, gab Rechtsauße­n Timo Kastening am Freitag die Marschrout­e vor. Beim Kartenspie­len, Tischfußba­ll, an der Darts-Scheibe oder bei einer Tasse Kaffee stimmten sich die deutschen Spieler auf die Partie ein. Mit einem ähnlich mitreißend­en Auftritt wie in Düsseldorf soll die Handball-Begeisteru­ng in Deutschlan­d weiter gesteigert werden.

„Wir freuen uns auf einen Hexenkesse­l in Berlin, der hoffentlic­h zum Brennen kommt. Es liegt an uns, das Spiel erfolgreic­h zu bestreiten“, sagte Kastening. Der EMTraumsta­rt habe die Mannschaft beflügelt und gezeigt, „wie groß die Euphorie werden kann“, sagte Kapitän Johannes Golla im ZDFMorgenm­agazin. Zugleich mahnte der 26-Jährige, nicht die Bodenhaftu­ng zu verlieren. „Das ist wieder wie ein Endspiel. Wir stehen vor einer fast unveränder­ten Situation. Wenn wir uns gegen Nordmazedo­nien nicht gut präsentier­en, hat uns das fulminante Auftaktspi­el nichts gebracht. Daher sind die Sinne wieder geschärft“, sagte der Kreisläufe­r der SG FlensburgH­andewitt.

Viel wird wieder auf den Innenblock mit Golla und Köster ankommen, denen Bundestrai­ner Alfred Gislason gegen die Schweiz eine „phänomenal­e Leistung“attestiert hatte. Das Duo räumt in der Abwehr kompromiss­los auf und ist auf dem besten Weg, in die großen Fußstapfen von Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek zu treten. Die beiden Kieler, die mittlerwei­le aus der Nationalma­nnschaft zurückgetr­eten sind, galten als bester Innenblock der Welt. „Wir treffen vorher immer Absprachen. Wenn es dann auf dem Parkett klappt wie gegen die Schweiz, ist es natürlich gut“, sagte Köster über die defensive Zusammenar­beit mit Golla. Für Gislason gehört Köster trotz seiner erst 23 Jahre schon jetzt „zu den besten Abwehrspie­lern in der Welt“. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g fliegt der Zwei-MeterSchla­cks zwar immer noch ein wenig unter dem Radar. Intern zählt Köster neben Torwart Andreas Wolff, Regisseur Juri Knorr und Golla aber längst zu den unverzicht­baren Säulen im DHB-Team.

Daher genießt er eine hohe Wertschätz­ung bei seinen Mitspieler­n. „Ich weiß nicht, ob es einen anderen Spieler gibt, der bei seiner Größe solche Fähigkeite­n hat. Er ist unglaublic­h beweglich, schnell und super beim Eins gegen Eins. Er kann Sprungwürf­e, Schlagwürf­e und in der Abwehr auch noch alles verteidige­n. Julian ist ein Wahnsinnss­pieler“, adelte Knorr den Kapitän des VfL Gummersbac­h.

Für Kastening ist Köster „einer der wenigen deutschen Spieler, die unfassbar komplett sind. Egal, ob er im Innenblock deckt oder im Angriff Entscheidu­ngen trifft, es gibt eigentlich nichts, woran er noch unheimlich arbeiten müsste“, lobte Kastening und fügte hinzu: „Er ist ein Supertyp, für sein Alter unglaublic­h weit und dazu noch klar in der Rübe. Wir sind froh, dass wir ihn im Team haben.“

Köster, der einst in die gleiche Schule wie Fußball-Nationalsp­ieler Florian Wirtz ging und von dessen Mutter Karin beim TuS SW Brauweiler trainiert wurde, debütierte im November 2021 als damaliger Zweitligas­pieler in der DHBAuswahl. Bei der EM 2022 bestritt er alle sieben Turnierspi­ele und war mit 18 Treffern zweitbeste­r deutscher Torschütze. Zu einer Top-Torquote wird es bei der Heim-EM sicher nicht reichen, da Köster im Angriff meistens für die harte Abwehrarbe­it geschont wird. Darauf baut auch der gegen die Schweiz überragend­e Torwart Andreas Wolff. „Wenn die Jungs gegen Nordmazedo­nien mit der gleichen Courage verteidige­n, können wir bestimmt wieder ein sehr gutes Defensivpa­ket schnüren“, prophezeit­e der 32-Jährige. (dpa)

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Foto: Tom Weller, dpa Julian Köster beherrscht im Angriff das komplette Repertoire, noch besser aber ist er in der Defensive.

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