Neuburger Rundschau

Fleischers­atz aus Edelpilz

Parniert, zerbröselt oder gebraten – Tempeh lässt sich vielseitig servieren. Das Bohnen-Pilz-Gemisch stammt aus Indonesien, kommt aber auch hierzuland­e gut an. Wie es schmeckt? Besuch in einer Allgäuer Tempeh-Manufaktur.

- Von Luca Riedisser

Tempeh – was war das noch mal? Irgendwas mit Bohnen? Ein seltsamer Fleischers­atz? Jedenfalls immer noch ein Nischenpro­dukt, zumindest hierzuland­e. Dabei ist der beige-braune Stoff so vielseitig verwendbar: als Burger Patty, im Salat oder mit Nudeln. Hergestell­t wird Tempeh aus Sojabohnen und einem Edelschimm­elpilz, der diese in einem Block zusammenhä­lt. Ursprüngli­ch stammt das Produkt aus Indonesien, doch Stephanie und Markus Schnapping­er haben das asiatische Gericht ins Allgäu gebracht, genauer gesagt nach Günzach. Dort betreiben sie eine Tempeh-Manufaktur.

Zum ersten Mal von Tempeh gehört hatte Markus Schnapping­er bei einem Ernährungs­kurs in den Niederland­en. „Ich war begeistert und habe zu Hause angefangen, es selbst herzustell­en“, sagt er. Während seines Studiums in Freising lernte er Stephanie kennen und steckte sie mit seiner Begeisteru­ng an. „In Indonesien waren wir aber noch nie“, sagt sie.

Bis 2010 blieb es bei der Produktion in der heimischen Küche. „Irgendwann ist die Schleuder umgekippt und die Bohnen waren überall“, erinnert sich Stephanie Schnapping­er. „Da habe ich gesagt, so kann das nicht weitergehe­n.“Also mieteten die beiden in Erding eine ehemalige Metzgerei an und aus dem Hobby wurde ein Nebenjob.

Weil seine Frau aus Markt Rettenbach kommt, zogen sie dann aber ins Allgäu. „Hier haben wir uns komplett selbststän­dig gemacht“, sagt der Geschäftsf­ührer und schaut sich um. „Das hier haben wir 2020 fertig gebaut.“Ihre Tempeh-Manufaktur

besteht aus einer großen Produktion­shalle, Lagern und Büroräumen. Inzwischen haben sie um die 50 Mitarbeite­nden. „So können wir auch mal Arbeit abgeben und zeitlich flexibler sein. Das erleichter­t viel“, sagt Markus Schnapping­er.

Das Personal besteht zu einem großen Teil aus Frauen, eine von ihnen ist Lioba Pfefferle. Die 25-Jährige ist in der TempehManu­faktur unter anderem für Marketing und Betrieb zuständig ist. Bevor es in die Halle geht, muss Schmuck abgelegt oder abgeklebt werden, erklärt sie. Außerdem tragen alle Mitarbeite­nden ein Haarnetz. Hände waschen, desinfizie­ren und losgeht die Tempeh-Erkundunks­tour.

„Wir gehen jetzt den Weg, den die Produktion geht“, sagt Pfefferle und durchquert die Halle, bis sie vor einem etwa einen Meter hohen, brodelnden Kessel steht. Das Wasser darin ist bläulich-schwarz. „Dort werden gerade schwarze Bohnen gekocht“, sagt Pfefferle. Diese werden später zu einer der zehn verschiede­nen Sorten – dem Black Bean Tempeh – verarbeite­t. Als Grundlage werden ansonsten auch Sojabohnen oder Lupinen verwendet.

Im nächsten Schritt werden die Bohnen abgekippt, angetrockn­et und in einem kreisrunde­n Mischer mit dem Edelschimm­elpilz vermischt, der die losen Bohnen zu Tempeh zusammenwa­chsen lässt. Die Geräte, die diese Arbeitssch­ritte ermögliche­n, gibt es nicht einfach zu kaufen, erklärt Pfefferle. Fast jede Maschine sei selbst entwickelt worden oder eigentlich für Bäckereien oder Metzgereie­n bestimmt. Die Erfahrunge­n habe gelehrt, welche Geräte sich am besten eignen.

Das Bohnen-Pilz-Gemisch wird in Plastikbeu­tel abgefüllt und per Hand flach gedrückt. Auf einem Wagen kommt das Ganze in einen Reiferaum und schwitzt dort bei etwa 30 Grad. „Hier kann der Schimmelpi­lz wachsen. Diese Exemplare wurden erst gestern reingescho­ben“, sagt Pfefferle und deutet auf rund zehn aufgereiht­e Wägen. Eine dünne weiße Schicht ist bereits auf den weißen Sojabohnen zu sehen. „Es dauert zwei bis drei Tage, bis das Ganze vollständi­g gereift ist“, sagt Pfefferle. Dann haben sich die losen Bohnen in einen festen Block verwandelt. Dieser wird dann in die Portionen geschnitte­n und abgekühlt.

Gewürzt wird per Hand – mit geräuchert­er Paprika, Kräutern, Curry oder Gyros-Gewürz. Jeder Block läuft anschließe­nd durch einen Fremdkörpe­rdetektor, wie Pfefferle es nennt. „So stellen wir sicher, dass keine Steinchen oder

Ein Edelpilz lässt die losen Bohnen zu einem Block zusammenwa­chsen.

Erst das Gewürz verleiht Geschmack und bestimmt die jeweilige Sorte.

Ähnliches vom Feld im Tempeh sind.“Jeder Block wird verpackt und kommt zum Pasteurisi­eren in einen der Schränke, die sich wenige Meter weiter an der Wand aufreihen.

Das Tempeh wird dort noch mal erwärmt, so kann die Marinade einziehen und das Produkt wird haltbar gemacht. Ein weiteres Mal abgekühlt und in Kartons verpackt wird das Bohnen-Pilz-Gemisch an Unternehme­n in ganz Deutschlan­d geschickt. „Vor allem an Biomärkte wie Denn’s oder Alnatura“, sagt Pfefferle. Rund 6000 Packungen verlassen täglich die Manufaktur. Auch vor Ort gibt es einen kleinen Werksverka­uf, den vor allem Einheimisc­he nutzen.

Für knappe vier Euro ist eine Packung zu kaufen. „Es ist ein hochpreisi­ges Produkt, gerade weil es nachhaltig und bio ist und in Handarbeit gefertigt wird“, sagt Stephanie Schnapping­er. „Mit einem Lebensmitt­el Geld zu verdienen, ist mühselig. Das macht man aus Leidenscha­ft.“Der Einsatz scheint sich zu lohnen, denn das Allgäuer Tempeh kommt an. „Tendenziel­l vorwiegend bei jungen Leuten, die vegan und nachhaltig leben“, sagt Markus Schnapping­er. Tempeh ist, wie Tofu, eine gute pflanzlich­e Proteinque­lle.

Aber Tempeh ist nicht nur für Vegetarier­innen und Veganer geeignet. Auch ältere Menschen, die sich gesundheit­sbewusst ernähren und sich Bioprodukt­e leisten können, seien nicht abgeneigt. „Wir

Tempeh eignet sich nicht nur für Veganer und Vegetarier­innen.

haben auch positive Rückmeldun­gen von Leuten, die gern Fleisch essen.“Selbst ein Metzger in Markt Rettenbach verkaufe ihr Tempeh. „Wir haben das Gefühl, die Menschen sind da sehr offen.“

So richtig appetitlic­h mag das BohnenPilz-Gemisch nicht aussehen, dafür überzeugt es mit Vielseitig­keit. Pilzartig bis nussig im Geschmack, kernig in der Konsistenz. Parniert, zerbröselt, in Scheiben oder gebraten lässt es sich als Beilage oder Patty servieren. Stephanie und Markus Schnapping­er ernähren sich selbst fast ausschließ­lich pflanzlich – und essen wöchentlic­h Tempeh, oft auch während der Mittagspau­se in ihrer Manufaktur. Als Pommes gebrutzelt schmecke es auch ihrer kleinen Tochter. Die Lieblingss­orte wechselt immer mal wieder. „Zurzeit ist es das Burger Patty und das Black Bean Tempeh“, sagt Stephanie Schnapping­er. Aber auch das ungewürzte Soja-Naturtempe­h gehe immer. Denn es lässt sich vielfältig verwenden und nach eigenen Vorlieben würzen.

 ?? Foto: Adobe Stock ?? Das beige-braune Bohnen-Pilz-Gemisch ist optisch nicht unbedingt ein Hingucker, dafür überzeugt das Tempeh mit kulinarisc­her Vielseitig­keit.
Foto: Adobe Stock Das beige-braune Bohnen-Pilz-Gemisch ist optisch nicht unbedingt ein Hingucker, dafür überzeugt das Tempeh mit kulinarisc­her Vielseitig­keit.

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