Neuburger Rundschau

Regierung vertröstet Bauern

Ampel verspricht Landwirten zwar mittelfris­tig Entlastung­en, bleibt im Diesel-Streit aber hart. Der Unmut hat zum Abschluss der Protestwoc­he längst etliche andere Berufsgrup­pen erreicht.

- Von Christian Grimm Kommentar, Die Dritte Seite, Politik, Bayern

Die Bauern haben viele Traktoren, doch die Flotte der Lkw ist um ein Vielfaches größer. Was vor einer Woche als Protest der Landwirte begann, hat mittlerwei­le andere Wirtschaft­szweige erfasst. Zur Abschlussk­undgebung in der Mitte Berlins versammelt­en sich am Montag Tausende Unzufriede­ne. Sie stellten die Straßen nach den Zahlen der Polizei mit insgesamt 6000 Traktoren und Lkw zu. Neben den Bauern protestier­ten Waldbesitz­er, Fleischer, Handwerker, Gastronome­n und die Spediteure. Die Regierung muss sich darauf einstellen, dass keine Ruhe einkehrt und der Widerstand auf der Straße anhalten könnte.

Der Chef des Logistikve­rbandes BGL drohte unverblümt damit, das Land stillzuleg­en, wenn die Ampel nicht einen Schritt auf seine Unternehme­n zumachen werde. „Zwei bis drei Tage keinen Transport durch unsere Mitglieder dann haben wir in dem Land das blanke Chaos“, rief

Dirk Engelhardt der Menge zu. Rund 80 Prozent aller Güter werden in Deutschlan­d per Lkw transporti­ert.

Die Spediteure sind schwer verärgert, weil ihnen die Ampelkoali­tion einen Doppelschl­ag versetzte. Zunächst hob sie Maut-Gebühren für Autobahnen und Bundesstra­ßen zum ersten Dezember an, gefolgt von der steigenden CO2-Abgabe zum Jahreswech­sel. Das Verkehrsmi­nisterium beziffert die Einnahmen allein aus der Mauterhöhu­ng mit 7,5 Milliarden Euro pro Jahr, die die Unternehme­n zunächst aufbringen müssen. „Da lässt uns die Ampel bitterlich im Stich. (…) Wir werden auch wiederkomm­en, wenn wir nicht berücksich­tigt werden“, meinte Engelhardt.

Die Landwirte haben mit ihren Straßenblo­ckaden und Demonstrat­ionen in der gesamten Republik ein Beispiel gegeben, dass die Regierende­n einknicken, wenn der Protest Wucht entfaltet. Die Ampelkoali­tion entschärft­e die eigentlich geplanten Mehrbelast­ungen bei Diesel und Kfz-Steuer für landwirtsc­haftliche Fahrzeuge. Doch das reicht den Bauern nicht, sie bestehen auf der vollständi­gen Rücknahme der angedachte­n Steuererhö­hungen.

Ein Treffen des Bauernverb­andes mit den Fraktionsv­orsitzende­n der Ampel-Parteien im Anschluss an die Großkundge­bung brachte keine konkreten Ergebnisse im DieselStre­it. Das Dreierbünd­nis versuchte Zeit zu gewinnen, indem es den Landwirten versprach, bis zur Sommerpaus­e einen substanzie­llen Plan zum nachhaltig­en Umbau der Landwirtsc­haft vorzulegen.

Bauernpräs­ident Joachim Rukwied genügte das nicht. Er verlangte, dass bis zur Bereinigun­gssitzung der Haushaltsg­esetzgebun­g am Donnerstag dem Kraftstoff­privileg der Bauern wieder Geltung verschafft werden müsse. „Wir hoffen, dass dort ein gutes Ergebnis erarbeitet werden kann“, sagte der 62-Jährige. „Für den Fall, dass es kein Ergebnis geben sollte, behalten wir uns weitere Aktionen vor.“

Die Abgeordnet­en von SPD, Grünen und FDP stehen selbst in Teilen in Widerspruc­h zur eigenen Bundesregi­erung.

Abgeordnet­e aus ländlichen Wahlkreise­n machen Druck auf Minister und Fraktionsc­hefs, den Bauern noch weiter entgegenzu­kommen. Bundesfina­nzminister Christian Lindner blieb auf der Demo indes hart. „Es soll und es darf kein Sonderopfe­r der Landwirtsc­haft geben, sondern nur einen fairen Beitrag“, schrie der FDP-Chef der brodelnden Masse entgegen. Der Rücknahme der stufenweis­en Abschaffun­g der Vergünstig­ung gab er damit keine Chance.

Lindner hatte große Mühe, durch das Pfeifkonze­rt durchzudri­ngen. „Hau-ab“-Rufe und die laute Forderung nach einem Ende der AmpelRegie­rung machten es ihm schwer. Er bot den Aufgebrach­ten aber eine Glättung der Einkommens­teuer an, um die Steuerlast zwischen guten und mageren Jahren einzuebnen. Außerdem will Lindner der Agrarbranc­he beim Einsatz von Gentechnik, Pestiziden und Tierschutz entgegenko­mmen. Das wiederum dürfte seinen grünen Koalitions­partner nicht erfreuen.

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Foto: Felix Zahn, Imago In langen Traktoren-Konvois protestier­ten Landwirte aus ganz Deutschlan­d am Montag in Berlin.

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