„Habe jetzt immer ein schlechtes Gefühl“
Weil er Steine auf Autos geworfen haben soll, steht ein Lkw-Fahrer wegen Mordversuchs vor Gericht. Am zweiten Prozesstag berichten Betroffene von den Schreckensmomenten.
Donauwörth/Augsburg Er hebt die Schultern, ringt um Worte. Letztlich bleibt es bei einem „Entschuldigung“, das der angeklagte LkwFahrer in Richtung der Frau herausbringt.
Die Altenpflegerin ist eine der Zeuginnen und Zeugen, die der 8. Strafkammer am Landgericht Augsburg von jenen Autofahrten auf B17 und B2 berichten, die mit einem jähen Knall und einer zersplitterten Frontschutzscheibe endeten. Florin N. soll aus Langeweile im Straßenverkehr Steine auf Autos geworfen haben. Er ist wegen Mordversuchs in mehreren Fällen angeklagt. Am zweiten Prozesstag gegen den 49-jährigen Rumänen, der geständig ist, schildern Opfer die Schreckensmomente.
Er habe noch zwei Personen auf der Brücke über der B17 im Augsburger Stadtgebiet gesehen. „Plötzlich hat es ‘Batsch’ gemacht und alles war voller Scherben im Auto“, erzählt ein 35 Jahre alter Zeuge dem Vorsitzenden Richter Franz Wörz von dem Juni-Tag im Jahr 2022. „Direkt auf der Höhe meines Gesichts war ein ordentliches Loch in der Windschutzscheibe.“Er habe angehalten und die Polizei gerufen. Der Mann kam bis auf einen Kratzer im Gesicht mit dem Schrecken davon. Drei Tage lang allerdings habe er nicht mehr Auto fahren können. „Ich war psychisch mitgenommen.“Der Zeuge ist einer der wenigen Betroffenen, die eine sogenannte Dashcam in ihren Autos installiert hatten.
Die kleinen Kameras, die gerne an der Frontscheibe eines Fahrzeuges angebracht werden, waren für die Kripobeamten ein wichtiger Ansatz bei ihren Ermittlungen in der Serie von unheimlichen
Steinwürfen. Diese begann im Frühsommer 2022 und setzte sich nach einer Pause im Herbst fort. Der Zeuge berichtet, wie er sich die Aufnahme seiner Dashcam immer wieder ansah und dabei feststellte, dass der Stein gar nicht von oben kam, sondern eher von einem vorbeifahrenden
Fahrzeug. Auch habe er den Lkw eines Unternehmens gesehen.
Jene Firma aus der Region, die in der Baubranche tätig ist und für die Florin N. als Lkw-Fahrer unterwegs war. Eine Videoaufnahme in einem weiteren Fall zeigte offenbar, dass der Stein von solch einem Lkw weggeflogen ist. So erzählt es eine 55-Jährige, die im Juli 2022 auf dem Weg von Dillingen nach Augsburg zur ambulanten Reha wegen eines Kreuzbandrisses war. Dabei hatte sie von der Dashcam im eigenen Auto anfangs nicht viel gehalten. „So ein Schmarrn von meinem Mann“, habe sie sich einst gedacht. Richter Franz Wörz entgegnet, dass die Idee ihres Mannes sogar gut war.
Letzten Endes sitze Florin N. auf der Anklagebank, „weil es in Ihrem Fall diese Aufzeichnung gibt und man sehen kann, dass nichts von einer Brücke geworfen wurde“.
Einen „Oz Schlag“habe es mit einem Mal getan, berichtet die Zeugin weiter. Auch ihre Frontscheibe war kaputt, sie hielt an, rief die Polizei. Die entdeckte sogar noch den Stein auf der Motorhaube. Wie sich am zweiten Verhandlungstag bei den verschiedenen Aussagen von Betroffenen und Polizeibeamten herauskristallisiert, waren die Steine nicht, wie teilweise beschrieben, faustgroß, sondern etwas kleiner. „Zwischen einer Nuss und einer Faust“, so ein Polizist. Die Folgen waren dennoch verheerend.
Teils soll der Angeklagte die Steine bei hohen Geschwindigkeiten aus dem Lkw auf Autos geschmissen haben. Als die Staatsanwaltschaft Anklage erhob, legte sie Florin N. 51 Steinwürfe zur Last, 26 davon wurden als Mordversuch gewertet. Im Prozess geht es nur noch um zwölf Fälle, „da die dort zu erwartende Strafe neben der zu erwartenden Strafe für die eröffneten Fälle nicht erheblich ins Gewicht fällt“, wie der Vorsitzende Richter zu Prozessauftakt erklärt hatte.
Vier weitere Prozesstage sind angesetzt. Die Fälle haben bei den Betroffenen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Wenn mir ein Lkw entgegenkommt, habe ich jetzt immer ein schlechtes Gefühl“, so ein Zeuge. Eine weitere Betroffene aus Donauwörth sagt, dass sie auf Fahrten nach Augsburg nun Angst habe.