Neuburger Rundschau

Wie aus Konkurrent­en Partner werden sollen

Eine enge Zusammenar­beit soll für die Krankenhäu­ser in der Region der Weg aus der finanziell­en Misere sein. Doch wie eng soll das Ganze werden? Da sind sich manche uneinig.

- Von Luzia Grasser

Ingolstadt/Neuburg Die Berater von der Beraterfir­ma PwC sprechen von einem Speiche-Naben-Prinzip, wenn sie die Zukunft der Klinikland­schaft in der Region 10 skizzieren. In der Mitte – quasi als Nabe – sitzt das Klinikum Ingolstadt. Von dort aus gehen fünf Speichen weg, die zu kleineren Krankenhäu­sern führen: nach Eichstätt, Schrobenha­usen, Pfaffenhof­en, Mainburg und Kösching. Das Problem dieser sechs Kliniken ist, dass sie allein im vergangene­n Jahr ein riesiges Defizit eingefahre­n haben. An die 74 Millionen Euro werden es am Ende wohl werden. Um den Millionenv­erlusten in Zukunft Herr zu werden, haben die vier betroffene­n Landkreise und die Stadt Ingolstadt ein Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, eine Medizinstr­ategie für die Region an die Hand zu bekommen. Eine in dieser Form fast einzigarti­ge Initiative in Deutschlan­d, wie die Berater betonten. Allerdings aus der Not heraus geboren. „Zig Kliniken gehen in Deutschlan­d in die Insolvenz, so weit wollen wir es in der Region nicht kommen lassen“, sagte Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Scharpf bei der Vorstellun­g des Gutachtens am Dienstag. Zuerst gab es eine Pressekonf­erenz, dann haben auch die Kreis- und Stadträte sowie weitere Verantwort­liche aus dem regionalen Klinikbere­ich die Ergebnisse erfahren.

Die Kernbotsch­aft: Die Häuser müssen – in welcher Form auch immer – eng zusammenar­beiten, um finanziell überleben zu können. Gleichzeit­ig darf aber auch die medizinisc­he Versorgung der Menschen in der Region nicht darunter leiden. Am Klinikum sollen künftig in erster Linie hochkomple­xe Eingriffe vorgenomme­n werden, die anderen Kliniken hingegen sollen sich spezialisi­eren.

In Mainburg und Kösching wird es zumindest mittelfris­tig keine Notaufnahm­e mehr geben, stattdesse­n schlägt das Gutachten eine sogenannte Anlaufstel­le für Notfälle vor, die rund um die Uhr besetzt ist. Betten sind dort nur noch für kurze stationäre Behandlung­en vorgesehen. Schwerpunk­t, so die

Berater, soll dort der ambulante Bereich werden. Überhaupt soll der in der gesamten Region eine größere Rolle spielen. Medizinisc­he Versorgung­szentren (MVZs), sogenannte aufsuchend­e Dienste mit Hausbesuch­en von Rettungskr­äften oder Pflegekräf­ten sowie telemedizi­nische Angebote sollen ausgebaut werden.

Was die Krankenhäu­ser selbst angeht, gab es am Dienstag noch keine Details. Ob und welche Bereiche in den einzelnen Häusern möglicherw­eise geschlosse­n oder gestärkt werden können, war nicht Teil des Gutachtens. Überhaupt ist der Zeithorizo­nt sehr lang. In diesem Jahr, so haben sich das Ingolstadt­s OB Christian Scharpf und die Landräte vorgenomme­n, sollen die kommunalen Gremien in der Region die Weichen stellen. Erst in fünf bis sechs Jahren, so prognostiz­iert es Fabian Schülke von PwC, werden die ersten Auswirkung­en der Umstruktur­ierung dann tatsächlic­h spürbar sein.

Große strukturel­le Veränderun­gen werden auf das Kreiskrank­enhaus in Schrobenha­usen aber wohl nicht zukommen. Davon geht jedenfalls Landrat Peter von der Grün aus. Schon jetzt gibt es dort eine Spezialisi­erung rund um die Altersmedi­zin. Die Akutgeriat­rie, die Unfallchir­urgie mit der Endoprothe­tik sowie die Gefäßchiru­rgie werden nach aktuellem Stand bleiben. Genauso wie die Notaufnahm­e. „Das Gutachten hat unseren Weg bestätigt“, sagt von der Grün.

Nach den Vorstellun­gen des Landrats soll die Zusammenar­beit in einen Kooperatio­nsvertrag zwischen den Häusern münden, so wie es ihn jetzt schon zwischen dem Kreiskrank­enhaus in Schrobenha­usen und der Uni-Klinik in Augsburg gibt. „Eine Fusion ist nach jetziger Beschlussl­age ausgeschlo­ssen“, betonte der Landrat. Der Landkreis will weiterhin Träger bleiben.

Für seinen Eichstätte­r Kollegen Alexander Anetsberge­r hingegen muss die Zusammenar­beit der Kliniken so eng wie möglich sein, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen: „Das macht nur Sinn, wenn wir in einem Unternehme­n kooperiere­n.“Für ihn kommen nur eine Fusion oder ein Zweckverba­nd infrage.

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Foto: Luzia Grasser Bei der Medizinstr­ategie für die Region 10, die ein Beratungsu­nternehmen am Dienstag vorgestell­t hat, spielt das Klinikum in Ingolstadt eine zentrale Rolle.

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